Boxen:Traum mit Käsekuchen

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Feiern, Party machen, das kann jeder, aber wer kann schon deutsche Meisterin werden?" Marie Bachmaier, 15, verfolgt im Ring große Ziele. (Foto: oh)

Marie Bachmaier ist eine der besten deutschen Nachwuchsboxerinnen. Meist kämpft sie gegen deutlich Ältere. Zweite bei deutschen Meisterschaften war die 15-jährige Dachauerin schon, nun peilt sie den Titel an

Von Johannes Holbein, Dachau

Marie Bachmaier hat viele Träume. Polizistin will sie werden, deutsche Box-Meisterin, einmal will sie an Olympischen Spielen teilnehmen. Und: Omas Käsekuchen. Dieser Kuchen, den nur ihre Oma so gut backt und den sie immer nach Wettkämpfen isst, der sei "so lecker, das ist auch ein Traum", sagt sie und dehnt die Silben so, als wünschte sie sich gerade nichts lieber als ein Stück dieses Kuchens. Dann lacht sie, nimmt einen Schluck Wasser, wischt sich mit dem Ärmel ihres Kapuzenpullovers den Schweiß von der Stirn.

Gerade ist Marie, 15, noch um einen Box-Sack getänzelt, hat ihm linke Haken und rechte Geraden verpasst, und wenn ihr Trainer Mario Stanislaw ihre Bewegungen korrigierte, hörte sie aufmerksam zu. Jetzt, nach 90 Minuten Training, sitzt sie auf einer Couch in einem Nebenraum der Dachauer Boxschule. Ihre dunkelblonden Haare hat sie zu einem Zopf geflochten. Sie trägt schwarze Boxschuhe, schwarze Hose, einen schwarzen Pullover. Sie sei etwas müde, sagt sie. Anzusehen ist ihr das nicht.

Marie Bachmaier boxt, seit sie 13 ist. Davor machte die Dachauerin Judo und spielte Fußball, aber irgendetwas habe ihr gefehlt. So kam sie zum Boxen, zum BC Piccolo Fürstenfeldbruck und zu ihrem Trainer Mario Stanislaw. Boxen ist ihre Leidenschaft geworden, ihr Stolz. Sie gewann dieses Jahr die südbayerische und bayerische Meisterschaft der Altersklasse U19, vergangenes Jahr wurde sie in der U17 Zweite bei den deutschen Meisterschaften - mit 14. Ihre Gegnerinnen waren bis zu zwei Jahre älter als sie. In ihrem Alter gebe es zu wenige Boxerinnen, erklärt Mario Stanislaw, der selbst deutscher Meister und Pokalsieger im Kickboxen war und dem die Box-Schule Dachau gehört, und Marie könne bei den Älteren gut mithalten. "Sie hat eine wahnsinnig gute Aufnahmefähigkeit, visualisiert Dinge sehr gut, sie ist ein Ausnahmetalent." Und sie sei im Kopf sehr weit, sehr reif und zielstrebig. Das habe er schon gemerkt, als er sie das erste Mal gesehen habe. "Es stand keine 13-Jährige vor mir, sie war viel weiter als andere in ihrem Alter."

Beim Training sind an diesem Tag fast nur Jungs. Niemand sonst an ihrer Schule, dem Mädchen-Gymnasium Maria Ward, boxt, erzählt Marie. Frauen-Boxen erfährt auch erst seit der Jahrtausendwende größere Beachtung. 2001 fanden die ersten Weltmeisterschaften im Amateurboxen der Frauen statt. 2003 die ersten deutschen Meisterschaften. Seit 2012 ist Frauenboxen olympisch. Die Zahl lizenzierter Boxerinnen in Deutschland ist deutschlandweit in den vergangenen fünf Jahren gestiegen, aber nur um weniger als fünf Prozent pro Jahr. In Bayern stagnieren die Zahlen, seit Jahren stehen etwa 80 Boxerinnen 700 Boxern gegenüber. Simone Pauckner, Frauenbeauftragte des Bayerischen Amateurbox-Verbandes, erklärt: "Regina Halmich hat das Boxen populär gemacht, nach den Olympischen Spielen 2012 hat der Sport noch mal einen Aufschwung erlebt." Die Qualität des Frauenboxens sei gestiegen, ähnlich wie im Frauenfußball.

Pauckner betreut die weibliche Boxstaffel, eine Auswahl der 15 besten Boxerinnen Bayerns, darunter auch Marie. "Sie ist eines der größten Talente", sagt sie, aber sie stehe am Anfang, da könne noch viel passieren. Das weiß Marie, aber sie tut alles dafür, gut zu werden. Sie hat sich selbst einen Ernährungsplan gemacht: kein Getreide, kein Zucker. Sie trainiert vier bis fünf Mal pro Woche, fährt zu Wettkämpfen, so oft sie kann. Elf Kämpfe hat sie bisher gemacht, sieben gewonnen. Das sei eine gute Quote, vor allem weil sie meist gegen Ältere kämpfe. Wenn sie mal nicht boxt, muss sie für die Schule lernen. Einfach sei das nicht, sagt sie und stützt ihre Ellbogen auf die Knie. Für einen Moment weicht ihr Lächeln einem nachdenklichen Blick. Ihre Freundinnen hätten anfangs nicht verstanden, warum sie boxt, das sei doch brutal. "Das Schlimmste, was ich bisher hatte, war ein blaues Auge", entgegnet sie. Sie lässt sich nicht von ihrem Weg abbringen. Sie sagt: "Party machen kann jeder, aber wer kann schon deutsche Meisterin werden?"

An diesem Wochenende boxt sie bei der internationalen deutschen Meisterschaft in Saarbrücken. Wie viele Kämpfe ihr bevorstehen, weiß sie nicht. Das hänge davon ab, wie viele Frauen sich in ihrer Altersklasse U17 und ihrer Gewichtsklasse, Bantamgewicht bis 54 Kilogramm, angemeldet hätten. Nur eins ist sicher: Danach wird sie Käsekuchen essen. Am liebsten als deutsche Meisterin. Das wäre ein Traum.

© SZ vom 15.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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