Boxen:Einer wie Tausende andere

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Shefat Isufi verliert seinen Titel als Europameister

Von Benedikt Warmbrunn, München

Schwer liegt der Kopf auf den Ringseilen, feine Schweißtropfen perlen von der Stirn auf den Boden, sie vermengen sich mit dunklen Blutklecksen. Shefat Isufi hängt mit den Armen in den Seilen, den Blick nach unten, er sieht die Perlen und die Kleckse, sieht, wie sie sich zusammensetzen zum Muster seines Abends. Ein Abend, der ganz anders gelaufen ist, als es sich Isufi vorgestellt hat. Er, der Profiboxer, hängt in den Seilen, weil er verloren hat. Gegen den zähen Polen Dariusz Sek. Vor allem aber gegen sich selbst.

Er ist jetzt nicht mehr der Europameister im Halbschwergewicht. Er ist jetzt ein Boxer, wie es Tausende auf der Welt gibt. Ein Boxer, der voller Träume war. Und der jetzt umso enttäuschter ist. Schwitzend und nasenblutend schleicht er davon.

Wenn er seinen Titel verteidigt hätte, hätte Isufi, 27, jetzt im Ring gesagt, dass er als nächstes um die Weltmeisterschaft boxen will, die Worte waren schon längst vorbereitet. Aber die Taten an diesem Abend im Circus Krone passten nicht dazu. Stattdessen steht nun als letzter Mann Alexander Petkovic im Ring, Isufis Trainer und Promoter, er sagt: "Wie es mit Shefat weitergeht, müssen wir sehen." Er spricht wie ein weiterer enttäuschter Mann.

Es war kein hochklassiger Kampf zwischen Isufi und Sek, und er hatte ein abruptes Ende. In der ersten Runde kontrollierte Isufi seinen Gegner noch, er ließ Sek viel schlagen, meist traf dieser nur die Deckung. Isufi konzentrierte sich auf Einzelschläge, in der dritten und vierten Runde zum Beispiel auf ein paar wuchtige Haken. Dann ließ er nach. Er lief seinem Gegner davon, und wenn dieser einmal nahe kam, hängte Isufi sofort seinen schwitzigen Körper auf ihn. Isufi hätte sich so vielleicht durchmogeln können in dieser tropischen Hitze. Aber dann kam die achte Runde.

Sek schlug häufiger, er traf besser, auch weil Isufi seine Arme baumeln ließ. Und auf einmal blutete der Titelverteidiger aus der Nase, er musste behandelt werden. Mit einem weißen Handtuch wischte ihm Petkovic durchs Gesicht, aber es half nichts mehr. Isufis Nase war gebrochen. Petkovic warf das blutverschmierte Handtuch in den Ring. Aufgegeben.

Isufis Auftritt passte ins Bild dieses Abends. Auch die Brüder Toni und James Kraft, die größten Talente in Petkovics Team, hatten zuvor nicht überzeugen können. Der 18-jährige Supermittelgewichtler James ging gegen den unverwüstlichen Josef Obeslo in den ersten Runden ein zu hohes Tempo, am Ende fehlte ihm die Kraft für den einen, gewinnbringenden Schlag. Er siegte nach Punkten, genauso wie sein vier Jahre älterer Bruder Toni, der gegen Wladimir Idranyi nervös anfing und erst spät eine klare taktische Linie fand.

Kaum hat nach dem letzten Kampf Petkovic den Ring verlassen, bauen Arbeiter diesen ab. Daneben feiert Dariusz Sek mit seinen Fans. Ein Boxer, der nicht mehr nur einer ist wie Tausende andere auf der Welt auch.

© SZ vom 06.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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