Behindertensport:Der Fußgänger

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„Die meisten sind erst mal verdutzt“: Gabriel Robl sitzt im Rollstuhl, braucht ihn aber abseits des Feldes gar nicht. (Foto: imago/Lackovic)

Gabriel Robl ist einer von zwei Spielern ohne Handicap beim Rollstuhlbasketball-Bundesligisten München Iguanas - und lebt den Inklusionsgedanken vor.

Von Thomas Jensen, München

Die Rollstuhlbasketballer der RBB München Iguanas wärmen sich gerade auf, in einigen Minuten steht die Bundesligapartie gegen die Rhinos Wiesbaden an. Währenddessen betritt Gabriel Robl die Halle, läuft um das Spielfeld und setzt sich auf die Bank der Leguane. Er ist krank und kann seinen Kollegen auf dem Feld an diesem Tag nicht helfen. Zum Anfeuern ist er trotzdem da.

Es war der dritte Spieltag der Saison, die Iguanas verloren. Hinterher beklagten sich die Spieler, dass man den Ausfall von Robl gespürt hätte, und auch Trainer Benjamin Ryklin fügte an: "Es haben heute seine Qualitäten als Passstation, Schütze und auch als Ruhepol auf dem Feld gefehlt."

Robl ist in dieser Spielzeit so wichtig wie noch nie für die Leguane, erstmals ist der Forward fester Bestandteil der Starting Five. Dass diesen Sport auch Menschen ohne körperliche Beeinträchtigung ausüben, ist dem Großteil der Öffentlichkeit unbekannt. Das merkt der 24-Jährige auch an den Reaktionen, wenn er von seiner Tätigkeit erzählt: "Die meisten sind erst mal verdutzt und viele meinen auch, ich habe Nachteile, weil ich nicht so gut mit dem Rollstuhl umgehen kann."

In Wahrheit hat Robl den Umgang mit dem Sportgerät längst verinnerlicht, schon als Teenager kam er in der Rehaklinik Murnau mit dem Sport in Kontakt. Der Vater eines guten Freundes arbeitete dort und nahm die beiden einmal wöchentlich mit zum Spieltreff. Auch sein Freund ist dem Sport treu geblieben, Florian Mach trägt inzwischen als Center das Trikot der Leguane. Über den USC München landeten sie schließlich bei den RBB Iguanas.

Zurzeit befinden sich die beiden Weggefährten meist gleichzeitig auf dem Spielfeld, beide spielen von Beginn an. Die Münchner praktizieren somit eine Aufstellung, die im Trend liegt, nämlich dass stets zwei 4,5er gleichzeitig spielen. Jeder Spieler wird im Rollstuhlbasketball klassifiziert, abhängig von der Schwere seiner Behinderung. 4,5 ist dabei der höchste Wert, für Spieler ohne Beeinträchtigung oder mit einer Behinderung, die sich nicht negativ auf die Fähigkeiten im Rollstuhl auswirkt. Frauen und Jugendliche erhalten zudem einen Bonus, maximal darf eine Mannschaft 14,5 Punkte auf dem Spielfeld haben. Manch einer kritisiere Robl zufolge dieses System zwar und beklage, dass Fußgänger den Behinderten so den Platz in der Sportart wegnähmen, solche Meinungen seien aber eher von gestern: "Ich kenne eigentlich keinen, der so denkt", sagt Robl. Der inklusive Charakter, den die Sportart wie kaum eine andere besitzt, ist den Spielern bewusst - und für sie inzwischen ganz normal: "Eigentlich ist das überhaupt kein Thema, auch wenn es natürlich ein guter Verkaufspunkt für den Sport ist. Die Hälfte meiner Freunde sind Rollstuhlfahrer, aber da denkt man gar nicht drüber nach. Uns geht es nur um den Sport", findet Robl.

Rein sportlich läuft es in der Säbener Halle diese Saison noch etwas stockend, die Leguane liegen nach sechs Spielen auf dem achten von zehn Plätzen. Allerdings beträgt der Rückstand auf den Vierten Rahden auch nur einen Sieg. Mach und Robl haben aktuell dieselbe Herausforderung: "Offensiv klickt es noch nicht, wir haben keine gute Balance. Flo und ich nehmen zu wenig und keine guten Schüsse. Es läuft viel zu viel über den Kim, was für ihn natürlich super schwer ist, wenn der ganze Druck auf ihm liegt", kritisiert Robl.

"Ich bin manchmal einfach noch nicht geil genug, ständig draufzuhauen", sagt Robl

Unterstützung für Aufbauspieler Kim Robins ist gefordert, Trainer Ryklin weiß, warum das der Nummer sechs manchmal schwerfällt: "Wenn Gabriel Robl zum Korb schaut und, wenn er den Ball fängt, auch einen Korb schießen kann, dann ist er gefährlich. Wenn er aber wegdreht vom Korb und auch nicht aggressiv zum Korb zieht, dann ist er es nicht. Aktuell bewegt er seinen Stuhl eben noch nicht wie ein Schütze, sondern eher wie ein Mitspieler."

Allerdings liegt das nicht an seinen Wurfqualitäten, denn die hat der Geophysikstudent zweifellos. In seinen ersten drei Saisonspielen hatte er am Ende jeweils die beste Quote seiner Mannschaft. Nur muss er diese Waffe eben auch öfter einsetzen, wie er selbst weiß: "Ich bin manchmal einfach noch nicht geil genug drauf, ständig draufzuhauen."

Motivation für das Heimspiel an diesem Samstag (16.30 Uhr) gegen die BG Baskets Hamburg sollte hingegen auch bei ihm reichlich vorhanden sein, an die Hamburger haben die Iguanas ja besonders schmerzhafte Erinnerungen. Vergangene Saison hatten sie sich erstmals für die Playoffs um die deutsche Meisterschaft qualifiziert, scheiterten damals aber in der ersten Runde durch einen Korb der Hamburger in letzter Sekunde.

© SZ vom 02.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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