Bayern-Basketballer:Kontrollverlust im letzten Viertel

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Die Münchner verschenken beim Euroleague-Spiel in Mailand den greifbaren Sieg.

Von Ralf Tögel, München

Schließlich war sogar der Maestro zufrieden. Giorgio Armani, für seine 85 Jahre erstaunlich rüstig, klatschte jeden Spieler ab. Drei Viertel lang dürfte das Dargebotene den ästhetischen Ansprüchen des Modezaren nicht genügt haben, dann aber drehte Olimpia Mailand in der Schlussphase eine verloren geglaubte Partie und brachte dem FC Bayern eine demoralisierende 78:79-Niederlage bei. Es war die 15. in der laufenden Euroleague-Saison, der sieben Siege gegenüberstehen, ein Verhältnis, das zu nicht mehr als dem letzten Tabellenplatz genügt. Nun also stand Signore Armani entzückt auf dem Spielfeld und freute sich mit Mailands Basketballern, deren Gehälter er zu einem beträchtlichen Teil sponsert.

Dank des Engagements des Modeschöpfers, der zu den reichsten Menschen der Welt zählt, ist Mailand eines der Teams, die bei Verletzungsproblemen oder unerfreulichem Saisonverlauf schnell reagieren können. Die Italiener haben angesichts einer zunehmenden Ergebniskrise Point Guard Keifer Sykes und Forward Drew Crawford verpflichtet, routinierte US-Amerikaner, die schnell weiterhelfen können. Doch die Bayern haben nicht nur monetär aufgeschlossen, ihr Kader ist erwiesener Maßen gut genug, Madrid oder Tel Aviv zu schlagen. Zwar fehlte ihnen am Donnerstagabend im Mediolanum Forum in Vladimir Lucic ein Spieler, der gerade in einer so heißen Phase wie den Schlusssekunden vor 8300 begeisterten Zuschauern die richtigen Entscheidungen trifft. Doch zum einen haben alle Gegner mit Ausfällen zu kämpfen, zum anderen die Münchner genügend erfahrene Spieler, um eine derartige Fehlleistung zu vermeiden.

Die Bayern sind klar besser, verlieren dann kollektiv die Linie und wissen nicht, warum

Doch egal ob Maodo Lo, Danilo Barthel, der ansonsten eine starke Partie spielte und mit 18 Punkten bester Münchner war, Greg Monroe oder Nihad Djedovic, allesamt erfahrene Euroleague-Akteure: Jeder leistete sich mindestens einen unnötigen Ballverlust, die den Gastgeber in Summe erst wieder ins Spiel brachten. Einen Gegner, den man bis dahin beherrscht hatte. Denn 25 Minuten lang war der FCB das klar bessere Team. Nur die beiden Altmeister Sergio Rodriguez, 33, und Luis Scola, 39, beide eine halbe Ewigkeit in der NBA notiert, konnten einigermaßen dagegen und ihr Team überhaupt in Reichweite halten. Der FCB führte zur Halbzeit 47:38 - auch der zuletzt gegen Bonn erlebte Einbruch nach dem Wechsel blieb aus.

Im Gegenteil, die Bayern ließen einen 15:2-Lauf folgen und hatten das Geschehen beim 60:40 Mitte des dritten Viertels unter Kontrolle. Doch dann reagierte Mailands Trainerfuchs Ettore Messina, der viermal die Euroleague gewonnen und jahrelang als Co-Trainer bei den San Antonio Spurs in der NBA gewirkt hat. Der 60-Jährige wählte eine auffallend kleine Aufstellung, Scola etwa, im vergangenen Herbst trotz seiner 39 Lenze noch gefeierter und mit Silber dekorierter WM-Held Argentiniens, blieb fortan auf der Bank. Dafür übernahm Rodriguez das Kommando. Mailand verteidigte äußerst aggressiv und die flinken Guards brachten die Münchner Defensive ein ums andere Mal in Verlegenheit. So kamen die Italiener zu freien Würfen, die vor allem Topscorer Vladimir Micov (16 Punkte) zu nutzen wusste. Punkt um Punkt verkürzten die Gastgeber, jeder Korberfolg streute Zweifel in die Aktionen der Münchner Gäste. Und tatsächlich schafften die Mailänder 30 Sekunden vor dem Ende mit dem 76:75 die Wende, es war nach dem 6:5 die erste Führung für Olimpia in der gesamten Partie, die für den FC Bayern fatal endete.

Wie konnte das geschehen? "Wir haben im letzten Viertel sechs Freiwürfe vergeben, das tut speziell auswärts weh. Und wir haben dem Gegner mit Ballverlusten die Chance gegeben, das Spiel noch zu gewinnen", erklärte Kostic richtigerweise. Doch der Trainer muss sich auch selbst in die Pflicht nehmen. Denn im Gegensatz zu den Entscheidungen des Kollegen Messina wirkten seine nicht immer schlüssig. In der Münchner Schwächephase beließ er Mathias Lessort lange auf dem Feld, der französische Center agiert nach wie vor hölzern, streut zwischen gute Abwehraktionen allzu oft Fehlwürfe und Ballverluste. Lessort wirkte übermotiviert. Dafür schmorte Distanzschütze Petteri Koponen, ein Mann für besondere Momente, fast das gesamte Spiel auf der Bank. Auch Alex King, der in seinen fünf Einsatzminuten drei Dreier versenkte und einen starken Eindruck hinterließ, blieb in der neuralgischen Phase draußen. So bleibt wieder nur die Vorstellung davon, was dieses Kollektiv zu leisten imstande ist - wenn alle Rädchen ineinander greifen und die Konzentration hoch bleibt.

Um das nun unmöglich erscheinende Unterfangen, doch noch einen Playoff-Platz zu erreichen - bei zwölf ausstehenden Spielen gibt es nur noch theoretische Chancen -, müssen auch Akteure wie T.J. Bray oder der NBA-erfahrene Josh Huestis nachhaltig mehr zeigen. Das ist bisher gar nicht zufriedenstellend.

© SZ vom 01.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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