Basketballer:"Wie kann ich zufrieden sein?"

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Justin Cobbs erzielte zwölf Punkte bei einer guten Trefferquote, der Guard produzierte aber auch vier Ballverluste. (Foto: Oryk Haist/Imago)

Der FC Bayern deklassiert Hagen, Coach Pesic grantelt trotzdem

Von Ralf Tögel, München

Ingo Freyer wirkte gar nicht sonderlich unglücklich, als er die doch happige Niederlage seiner Mannschaft beim FC Bayern München erklären musste. Nun ja, hob der Trainer von Phönix Hagen an, er sei schon etwas überrascht gewesen, dass seine Spieler überrascht waren, dass der Gegner mit so hoher Intensität und Körperlichkeit losgelegt hätte. Er habe das erwartet. Freyer darf man getrost als Urgestein der Basketball-Bundesliga (BBL) bezeichnen, der ehemalige Nationalspieler trainiert Hagen seit nunmehr neun Jahren. Und der Matchplan der Bayern gibt ihm Recht: "Wir wollen dem Gegner früh Bescheid geben, dass er keine Aussichten hat", bestätigte FCB-Geschäftsführer Marko Pesic, was sich natürlich auf Klientel der Kategorie Hagen bezieht. Der Name klingt in fremder Halle nicht sonderlich sexy, immerhin zog er noch 5631 Zuschauer an. Was auch an der Qualität der Nordrhein-Westfalen liegt, die als Tabellenelfter weder erwartungsvoll nach oben noch ängstlich nach unten blicken müssen. Der Münchner Matchplan im Übrigen ging recht passabel auf: Das 31:16 nach dem ersten Viertel ließ kaum mehr Zweifel am späteren Sieger zu, der sich auch entsprechend deutlich mit 113:80 durchsetzte.

An der zweiten Halbzeit fand Ingo Freyer sogar Gefallen, man habe sich gewehrt. Überhaupt könnte dieser Gegner dazu dienen, "sich etwas abzuschauen". Die 20 Ballverluste indes fand Hagens Coach deutlich zu viel, um nachzuschieben: "Oh, die Bayern hatten sogar 21." Svetislav Pesic hörte sich die Ausführungen seines Gegenübers wortlos an, aber es war schon zu ahnen, dass das Gesehene trotz des Kantersieges nicht vollumfänglich seinen Beifall finden würde. Mit finsterer Miene sprach er erst einmal das Positive an: "Alle Spieler haben gespielt, wir haben gewonnen." Dann lobte der Münchner Coach die gute Wurfquote der Seinen und ergänzte, dass "wir in der Offense sowieso keine Probleme haben". Die Bayern stellen den besten Angriff der Liga, besser als der Primus Bamberg, im Schnitt erzielt der Tabellenzweite knapp 91 Punkte pro Partie. Ob er denn zufrieden sei, wurde Pesic gefragt, und nun knurrte er los: "Wie kann ich zufrieden sein mit 21 Turnovers." Vor allem die Tatsache, dass seinen Spielgestaltern Alex Renfroe und Justin Cobbs jeweils deren vier unterliefen, "ohne Not", wie Pesic spitz anmerkte, "das ist unser Problem". Es wirkt ja schnell übertrieben perfektionistisch, wenn ein Coach nach einem derart souveränen Sieg Kritik an seiner Mannschaft übt. Hagen ist aber nicht der Maßstab im Bestreben des Serben, die Meisterschaft zu gewinnen. Andere Mannschaften werden derlei Versäumnisse anders zu nutzen wissen. "Dieses Spiel hat keine neuen Erkenntnisse gebracht", schloss der 66-Jährige grantelnd, ehe er sich verabschiedete.

Schon in Bonn und in Istanbul waren die Münchner mit unnötigen Ballverlusten auffällig geworden; doch waren die Bonner in der BBL nicht in der Lage, das zu ihrem Vorteil zu nutzen, bestrafen Spitzenmannschaften wie Galatasaray solche Versäumnisse umgehend: Istanbul warf die Bayern aus dem Eurocup. Das ist der Maßstab des deutschen Meisters von 2014, der in der aktuellen Spielzeit bereits zwei Titelchancen vergeben hat. Bleibt noch die nationale Meisterschaft. Mit dem vermeintlich übermächtigen Titelverteidiger Bamberg, dem pikanter Weise ebenfalls nur diese eine Chance bleibt.

Pesic muss sein Team also zeitgenau auf Playoff-Qualität trimmen, wofür es indes auch positive Zeichen gibt. Namentlich sind John Bryant, Nihad Djedovic und Maxi Kleber zu nennen, Ausnahmekönner, die aus unterschiedlichen Gründen nicht konstant auf ihrem Top-Level agierten. Alle drei zeigen nun aber stetig steigende Form, was im Idealfall in der Finalrunde seinen Höhepunkt findet. Auch Vitalis Chikoko bestätigt den Trend, dass der 2,09-Meter-Mann den Münchnern unter den Brettern durchaus weiterhelfen kann. Guard Chad Toppert ist einen solchen Nachweis bisher noch schuldig geblieben.

Den Trend, dass die Bayern vielleicht in der entscheidenden Phase vom Verletzungspech verschont bleiben, widerlegt aber schon wieder Paul Zipser. Der hatte sich im Training vor dem Hagen-Spiel den Nagel am großen Zeh fast vollständig herausgerissen. Zipser sei normal vor sich hingelaufen, mit dem Fuß am Boden hängen geblieben - und der Nagel war ab, trotz Schuh. Wie das ging? Pesic versucht erst gar nicht, darüber nachzudenken. Es gebe wichtigere Themen.

© SZ vom 05.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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