Basketball:Zurück zum Markenzeichen

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Nach dem Abschied von Alex Renfroe erwartet der FC Bayern von seinem Spielmacher Anton Gavel mehr Punkte

Von Matthias Schmid, München

Wären nicht erst zehn Spieltage vergangen, Anton Gavel hätte auf diese Radikalität wohl verzichtet. Allein schon aus Aberglaube. "Never shave a playoff beard" heißt im amerikanischen Sport eine alte Weisheit ("rasiere nie deinen Playoff-Bart"), die Gavel zu seiner Maxime erhoben hat. Die Meisterrunde in der Basketball-Bundesliga beginnt erst im Mai nächsten Jahres. Also konnte Gavel vor dem Spiel gegen Bayreuth am vergangenen Samstag für seine Verhältnisse etwas ziemlich Verwegenes ausprobieren: Der Spielmacher des FC Bayern erschien ohne seinen zotteligen Vollbart zum Dienst, er erschien frisch rasiert. Sein Gesicht war so glatt wie das seiner beiden Söhne. Ungewohnt sah er aus, sehr viel jünger als 32.

Doch viel Aufhebens wollte der Deutsch-Slowake um sein Aussehen nicht machen, genauso wenig wie um seine recht gelungene Darbietung gegen Bayreuth. Mit 20 Punkten führte der Nationalspieler die Münchner zum 100:86-Sieg, die damit gleich auch die erstaunliche Serie der Oberfranken von zehn Siegen nacheinander beendeten. Ob sein Saisonbestwert an Punkten mit dem Abschied von Spielmacher Alex Renfroe zum FC Barcelona zusammenhängt, konnte oder besser wollte Gavel nicht beurteilen. "Da muss man jetzt keine große Sache draus machen", befand er. Der Basketballer redet nicht gerne über sich, schon gar nicht lobt er sich selbst, er überlässt Elogen lieber den anderen.

Also begann Sasa Djordjevic, von Gavel zu schwärmen. "Anton ist der Motor und das Herz unseres Teams", sagte der Bayern-Cheftrainer nach der Partie. "In der Offensive benötigte er mal so ein Spiel, weil er in der Defensive und im Spielaufbau immer da ist." Gavel ist in der Tat einer der uneigennützigsten Spieler in der Bundesliga. Neulich beim Sieg gegen Aufsteiger Vechta verteilte er zwölf Korbvorlagen - so viele wie nie zuvor. Früher war Gavel bei Brose Bamberg der unumstrittene Shooting Guard, also der Spieler, der ausschließlich fürs Werfen zuständig ist. Mehr als 20 Punkte in einem Spiel waren keine Seltenheit, sondern eher die Regel. Sein Markenzeichen war neben den Dreiern vor allem sein Korbleger mit lang ausgestrecktem Arm, mit dem er sich an den sehr viel größer gewachsenen Spielern irgendwie vorbeischlängelte.

Nach vier Meisterschaften mit Bamberg schloss er sich dann vor zweieinhalb Jahren dem FC Bayern an. Seine Rolle veränderte sich, er prägte das Spiel in der Offensive nicht mehr wie noch in Bamberg, er widmete sich mehr dem Spielaufbau, der Verteidigung und den Pässen. Mitunter übertrieb er es sogar mit dem Extrapass auf seine Mitspieler. Deshalb hofft Djordjevic nach Renfroes Weggang nun auch, dass Gavel "sein wahres Feuer in der Offensive zurückbekommt", wie er sagt. Der Trainer wünscht sich, dass sich Gavel wieder mehr Würfe nimmt und auch im Angriff so in Erscheinung tritt wie in der Defensive, wenngleich er das nicht als eine Dienstanweisung verstanden wissen will. "Ein Spieler trägt nie die ganze Last und ist für alles verantwortlich, was auf dem Parkett passiert."

Eine Ahnung davon, wie Gavels neues Jobprofil aussehen könnte, bekamen die Zuschauer am Samstag gegen Bayreuth zu sehen. Gavel spielte längere Phasen mit dem neuen Spielmacher Nick Johnson zusammen, der NBA-erprobte Amerikaner übernahm dabei häufiger die Rolle des Regisseurs, Gavel konnte sich wieder ausgeruhter seinen Würfen widmen. Mit Erfolg: Allein vier Dreier verwandelte er. "Es gibt für uns beide nun mehr Spielzeit zu vergeben", sagte Gavel. Eine neue Rolle könne er aber nicht erkennen. "Mit drei ist es schwerer, seinen Rhythmus zu finden", sagte er noch, bevor er den Satz jäh abbrach, um nach ein, zwei Sekunden des Nachdenkens hinzuzufügen: "Das ist Quatsch." Ihm fiel in diesem Moment wohl selber auf, dass er auch mit Renfroe lange genug spielen durfte, um dem gegnerischen Aufbauspieler mit seiner lästigen und energischen Abwehrarbeit die Lust zu nehmen. Ob Gavel und Johnson noch einen weiteren Spielmacher an die Seite bekommen, darüber debattieren Trainer Djordjevic und Geschäftsführer Marko Pesic derzeit noch.

Einen Extra-Ansporn in Form von Verbalkränzen seines Trainers benötigt Gavel ohnehin nicht. "Ich habe Motivation von allein", sagte vor dem Spiel an diesem Dienstag (19 Uhr) in Bonn. Doch gegen eine Kiste Bier von Marko Pesic, der dann seinen 40. Geburtstag feiert, hätte Gavel nichts einzuwenden, wie er zugab. Er selbst muss noch eine ausgeben, weil er gegen Bayreuth mit einem Dreier die 100-Punkte-Marke geknackt hat. Die Frage am Ende, ob er sich wieder einen Bart stehen lässt oder sich nun doch häufiger rasieren wird, wollte Anton Gavel nicht beantworten. Er lächelte nur beseelt.

© SZ vom 06.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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