Basketball:Zu langsam

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Wieder St. Petersburg: Für Alex Renfroe (re.) gab es nicht nur in dieser Szene gegen Artem Vikhrov kein Vorbeikommen. (Foto: imago/Buthmann)

Der FC Bayern kassiert im Eurocup gegen St. Petersburg die zweite Niederlage. Das Weiterkommen ist nicht das Problem, die Teamentwicklung macht Trainer Djordjevic Sorgen

Von Joachim Mölter, München

Eins wollte Aleksandar "Sasa" Djordjevic gleich mal klarstellen an diesem Mittwochabend: "Ich schaue normalerweise nicht auf die Statistik." Aber dann tat er es doch; er hielt den Zettel mit den Zahlen sogar demonstrativ hoch, und als er ihn wieder auf den Tisch legte, offenbarte seine Mimik Ratlosigkeit. "Wir hatten 25 Offensiv-Rebounds und haben keinen Vorteil daraus gezogen. Wir hätten mindestens 40 Punkte daraus machen müssen", resümierte der Trainer der FC-Bayern-Basketballer nach dem 88:99 (42:51) gegen Zenit St. Petersburg im Eurocup: "Ich bin nicht sicher, ob ich das erklären kann." Kein Münchner konnte das. "Es war ein verrücktes Spiel, wenn man sich die Statistik anschaut", fand der Center Danilo Barthel, der mit acht Punkten und sechs Rebounds auf dem Zahlenzettel eingetragen war.

Durch die Niederlage haben es die Münchner verpasst, sich wie UCAM Murcia (4:1 Siege) schon jetzt für die Zwischenrunde der besten 16 Teams in diesem Wettbewerb zu qualifizieren. Doch auch mit nun 3:2 Erfolgen, wie sie auch St. Petersburg hat, ist die Wahrscheinlichkeit, das Weiterkommen noch zu verspielen, gering. Dazu müssten die Münchner die restlichen drei Vorrundenspiele alle verlieren und der montenegrinische Vertreter Podgorica (0:5) alle gewinnen. Das abschließende in München dazu ziemlich hoch, um den direkten Vergleich zu gewinnen.

Ums Weiterkommen an sich müssen sich Djordjevic und sein Team also keine Sorgen machen, eher über das Tempo ihrer Fortschritte. Die dritte Saisonniederlage nach dem 77:80 im Hinspiel bei Zenit sowie dem 59:90 in der Bundesliga bei Meister Bamberg hat die Mannschaft etwas zurückgeworfen. Der am Mittwoch wirkungslose Kapitän Bryce Taylor (vier Punkte, ein Rebound) ordnete nun selbst das Bundesliga-Heimspiel am Samstag (20.30 Uhr) gegen den auf dem vorletzten Tabellenplatz liegenden Aufsteiger Rasta Vechta als schwierig ein, denn: "Coach Wagner kennt uns alle ziemlich gut."

Nun ist Wagner freilich schon im Sommer 2015 vom Assistentenposten in München auf den Chefsessel in Vechta gerückt, kennt also nicht mal mehr die Hälfte des aktuellen FC-Bayern-Kaders. Aber aus Taylors Worten klang Verunsicherung durch. "Wir versuchen zusammenzuwachsen, unsere Identität zu finden", erklärte er zum wiederholten Male. Auch der Kollege Barthel erinnerte erneut an den Umbau im Sommer: "Wir sind noch ein neues Team und haben gerade erst einen Point Guard dazubekommen", nämlich den Amerikaner Nick Johnson, am Mittwoch mit 20 Punkten erfolgreichster Werfer.

Auf der wichtigsten Position und im laufenden Spielbetrieb einen neuen Mann zu integrieren, ist nicht einfach. "Wir brauchen vielleicht noch ein paar Trainingseinheiten" für die Feinjustierung, glaubt Barthel. Auch Djordjevic wirbt weiter um Geduld mit dem aus der NBA gekommenen Johnson: "Er braucht noch ein bisschen Zeit, um sein Spiel an Europa und an dieses Niveau anzupassen."

Erschwerend kam hinzu, dass St. Petersburg auf einem selten hohen Niveau agierte: 17 verwandelte Drei-Punkte-Würfe (bei 31 Versuchen) sind Saisonbestwert im Eurocup. "So viele Dreier zu werfen, war gar nicht unser Plan", gab Zenit-Trainer Wassili Karassew zu. Aber die Russen nahmen einfach, was ihnen angeboten wurde - und das war viel Platz. "Wir waren in der Abwehr nicht alle auf der gleichen Seite, wir hatten eine Menge Einbrüche", räumte Taylor ein. Vor allem Ryan Toolson (20 Punkte), Janis Timma und Stefan Markovic (je 14) nutzten die Freiräume von außen. Und wenn die Münchner stärker nach außen rückten, schlugen unter dem Korb Aaron White (18) und Kyle Landry (10) zu. "Auf diesem Niveau muss man für jeden Abwehrfehler bezahlen", erkannte Taylor.

Trainer Djordjevic vermisste vor allem Leidenschaft und Intensität, mit der man auf besagtem Level ans Werk gehen müsse, und zwar von Beginn an. Seine Münchner liefen jedoch schon nach fünf Minuten einem deutlichen Rückstand hinterher (7:15). Zwar kamen sie immer wieder auf fünf, sechs Punkte heran, konnten dem Spiel aber nie eine Wende geben. "Der eine große Wurf, um mal auf zwei oder drei Punkte heranzukommen und sie stärker unter Druck zu setzen", der habe letztlich gefehlt, fand Djordjevic. Der Serbe hatte in diesem Spiel noch viele Dinge gesehen, die es in den kommenden Monaten zu verbessern gilt. Mehr Hilfe von den groß gewachsenen Männern, mehr individuelle Kreativität, wenn die Spielsysteme gestoppt werden, mehr Zug zum Korb, mehr Assists, leichtere Körbe. Vor allem Letzteres war der Unterschied am Mittwoch. "Sie haben viele leichte Punkte gemacht", fasste Danilo Barthel das Geschehen zusammen, "wir mussten uns jeden Korb hart erkämpfen."

© SZ vom 18.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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