Basketball:Wilder Westen in Litauen

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Der FC Bayern München spielt im Eurocup bei Panevezys schlecht, setzt aber seine Siegesserie fort. Beim knappen 88:87 leistet sich Reggie Redding einen verblüffenden Aussetzer.

Von Ralf Tögel, München

Eigentlich müsste Aleksandar Djordjevic zufrieden sein. Der Cheftrainer der Basketballer des FC Bayern München hatte den jüngsten Bundesliga-Sieg beim Tabellen-13. Jena als gut eingestuft - im Sinne von wertvoll. Der geriet mit 85:78 für den Tabellenführer zwar überraschend knapp, Djordjevic weiß aber aus eigener Erfahrung, dass man solche Spiele leicht mal verlieren kann. Spiele, in denen ein Ausrutscher keine unmittelbaren Folgen hat, Spiele, in denen ein vermeintlicher Außenseiter über sich hinauswächst. Verknappt hatte der Serbe resümiert: Hauptsache gewonnen. Im Eurocup nun beim litauischen Vorjahreszweiten Lietkabelis Panevezys, den man getrost stärker als Jena einschätzen darf, spielte seine Mannschaft abermals nicht gut, doch es reichte erneut zu einem Sieg, wenn auch hauchdünn mit 88:87 Punkten. Direkt nach dem Schlusspfiff sagte Djordjevic: "Es ist besser, wenn man solche Spiele gewinnt."

Es war wieder ein Spiel, das die Bayern nicht unbedingt hätten gewinnen müssen, denn sie waren bereits qualifiziert für die Zwischenrunde, selbst der Gruppensieg wäre im Falle der ersten Niederlage noch nicht in Gefahr, aber die Bayern gewannen auch das siebte Spiel im zweihöchsten europäischen Wettbewerb und verfestigten ihren Ruf als einer der großen Favoriten.

Warum dieser Sieg von Bedeutung war? Für die Statik der Mannschaft. Die hat bewiesen, dass sie in haarigen Situationen die Ruhe bewahrt, dass sie eine Siegermentalität entwickelt. Nicht einmal der Wurf von Reggie Redding hat sie aufhalten können, der völlig alleine und unbedrängt aus nächster Nähe zum Sprungwurf ansetzte. Acht Sekunden waren noch zu spielen, die Münchner führten 87:85, es wäre die Entscheidung gewesen. Aber der Ball flog viel zu kurz, tropfte vom Korb ab und Redding foulte auch noch einen Gegenspieler.

Was war das denn? Eine Fee? Selbst ein Klassespieler wie Reggie Redding hat mal einen Aussetzer. Der Münchner vergab acht Sekunden vor Schluss die Entscheidung. (Foto: imago/Christoph Worsch)

Da stand er dann und schaute, als hätte er gerade eine Erscheinung gehabt, als sei eine Fee am Korb vorbeigeflogen und hätte ihn aufs Gröbste abgelenkt. Darjus Lavrinovic traf jedenfalls seine beiden Würfe zum Ausgleich, plötzlich war wieder alles möglich, aber mit der letzten Aktion der Partie provozierte Braydon Hobbs ein Foul und traf einen seiner beiden Freiwürfe zum 88:87-Sieg.

Als Djordjevic zur Analyse gebeten wurde, schaute auch er noch drein, als sei ihm etwas Unheimliches widerfahren, er sagte: "Wir hätten das Spiel früher zumachen müssen. Ich glaube, Reggie versteht selber nicht, was da gerade passiert ist, das war vielleicht der schlimmste Wurf seiner Karriere." Der Bayern-Coach konnte das entspannt sagen. Er weiß, dass ein Aussetzer einen wie Redding nicht aus der Bahn wirft - und wurscht war es sowieso.

So blieb es der 18. Sieg im 19. Pflichtspiel, wettbewerbsübergreifend. Djordjevic sprach auch vom zweiten schweren Auswärtsspiel innerhalb von fünf Tagen. Gesprächsbedarf dürfte es dennoch geben. Denn sein Team versäumte es gegen die zwar groß gewachsenen, aber oft hüftsteifen und in die Jahre gekommenen Litauer, ihr Tempospiel aufzuziehen. Vielmehr ließen sie sich in der ersten Halbzeit auf eine Art Dreier-Wettbewerb mit den Gastgebern ein. Die nämlich hatten die irrwitzige Zahl von 19 Versuchen in der ersten Halbzeit jenseits der 6,75-Meter-Linie abgefeuert, nur fünf fanden ins Ziel. Die Münchner waren noch schlechter: drei von 13. Aber immer wenn die Bayern schnell spielten, flink kombinierten, gelangen auch leichte Körbe. Was sie freilich zu selten taten. So wurde das Spiel zu einem wilden Schlagabtausch, die Führung wechselte ständig. Nach dem ersten Viertel lag der FCB 20:19 vorn, zur Halbzeit Panevezys 34:33.

Auch nach dem Wechsel hatten beide Teams wenig Struktur in ihren Aktionen, spielten mit hoher Fehlerquote. Immerhin fielen ein paar Dreier mehr, denn keiner der Kontrahenten kam auf die Idee, von Distanzwürfen vielleicht lieber die Finger zu lassen. Es war weiterhin wilder Basketball-Westen auf dem Parkett, nach dem dritten Viertel führten wieder die Bayern mit einem Punkt (58:57).

Dass sich die Münchner im finalen Durchgang dann doch zur rechten Zeit absetzen konnten, hatte einen einfachen Grund: Sie haben die besseren Spieler. Redding traf zum 79:73, etwas mehr als zwei Minuten waren noch zu spielen, es schien gerade noch rechtzeitig in die Münchner Richtung zu laufen. Denn die hatten im überragenden Milan Macvan, der 19 Punkte erzielte, dem starken Danilo Barthel (11), dessen Einsatz nach der Knieverletzung aus dem Jena-Spiel gar nicht sicher war, und dem immer zuverlässigen Punktesammler Nihad Djedovic (11) drei Akteure, die an ihre Bestform herankamen und zweistellig punkteten. Redding erzielte neun Punkte, und hätte ihm kurz vor Schluss keine Fee den Blick vernebelt, hätte auch er den Abend zweistellig beendet.

© SZ vom 08.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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