Basketball:Voll im Soll

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Noch zu sprunghaft: Oskar Leon da Silva beim 96:68 im Derby gegen München Basket (li. Felix Schmidt). (Foto: Claus Schunk)

Der MTSV Schwabing hat eine der jüngsten Mannschaften der Basketball-Regionalliga und eine der variabelsten. Alle Spieler kommen aus dem eigenen Nachwuchsprogramm. Und doch bleibt der Aufstieg eine Vision - vorerst

Von Matthias Schmid, München

Vier Minuten vor dem Ende des dritten Viertels gegen München Basket hastet Ole Sebald vom Parkett, er schreit vor Schmerzen, er wirft sich auf den Boden und bleibt liegen. Er reißt sich den Schuh vom Fuß und hält sich mit der einen Hand das rechte Sprunggelenk, mit der anderen verdeckt er seine Augen. Er kann nicht hinsehen, wie der Knöchel anschwillt. Sebald ist nicht lange allein, Mitspieler eilen zu ihm, auch Trainer Robert Scheinberg. "Du musst das Sprunggelenk mit Eis kühlen", ruft er seinem Spielmacher zu. Doch in der Sporthalle an der Dachauer Straße gibt es keine Eiswürfel, kein "Ice Pack", mit dem man gegen die Schwellung angehen könnte. Ein anderer Spieler bringt Scheinberg zumindest ein Eisspray, er legt Sebalds Fuß auf sein Knie und beginnt zu sprühen.

Dass Scheinberg so viel Zeit findet, um seinen Spieler zu pflegen, liegt daran, dass er nicht mehr in der ersten Reihe steht. Frauen-Coach Ralf Bachmeier hat zusätzlich den Cheftrainerposten beim Basketball-Regionalligisten MTSV Schwabing übernommen. Vorerst. "Meine Aufgabe ist zeitlich begrenzt, bis Robby wieder mehr Energie hat, um zwei Spiele am Wochenende durchzustehen", sagt er.

"Robby" Robert Scheinberg ist ein Basketballverrückter. Doch vor einigen Wochen musste er sich operieren lassen. Er ist ein Trainer, der an der Seitenlinie mitleidet, mitspielt, als würde er selbst auf dem Parkett stehen. Schweren Herzens musste er sich zurücknehmen. Mittlerweile ist er soweit genesen, dass er zumindest die U19 in der Nachwuchs-Bundesliga (NBBL) betreuten kann. Bei den Spielen der Männer sitzt er mit auf der Bank, überlässt aber Bachmeier das Coaching. Scheinberg fällt es schwer, immer wieder schreit er so laut aufs Feld, dass ihn die Schiedsrichter zur Mäßigung ermahnen müssen.

Dabei könnte er es sich bequem machen, es läuft gut für eine der jüngsten Mannschaften in der vierthöchsten deutschen Spielklasse. Nach dem 96:68-Sieg im Stadtderby gegen die Baskets liegen die Schwabinger mit 4:3 Siegen auf dem fünften Tabellenplatz. "Wir sind voll im Soll", sagt Bachmeier. Das ist noch untertrieben.

Die Hälfte der Mannschaft spielt noch in der NBBL, Ole Sebald, der Rückkehrer vom Erstligisten Crailsheim Merlins, ist mit 21 Jahren der Drittälteste im Team. Und doch gehört die Mannschaft zu den spielstärksten in der Liga. Jeder Spieler hat das viel beachtete Nachwuchsprogramm des Klubs durchlaufen, jeder kann in Korbnähe genauso punkten wie von jenseits der 6,75 Meter entfernten Dreierlinie. Das hebt sie ab von den meisten Teams, die in der Kaderbreite nicht diese Qualität aufweisen. "Wir sind deshalb für die Gegner sehr schwer auszurechen", sagt Bachmeier. Mit dem Aufstieg werden sie dennoch nichts zu tun haben. Denn sie offenbaren in ihren Leistungen noch aprilartige Wetterumstürze, wie der begabte 17-Jährige Oskar Leon da Silva. Ihnen fehlt die Konstanz über eine Saison hinweg. Aber in einzelnen Spielen sind sie in der Lage, die Großen zu ärgern, wie beim Sieg gegen Tabellenführer BG Leitershofen/Stadtbergen. Daran wird sich auch in den nächsten Jahren nichts ändern - für die unterste Profiliga ProB fehlen die finanziellen Ressourcen. "Allein können wir das nicht schaffen", sagt Bachmeier, "aber der Aufstieg ist schon eine Vision von uns."

Gespräche mit Münchner Klubs sind allerdings ergebnislos vertagt worden. Doch zumindest in der Nachwuchsarbeit kooperieren die Schwabinger mit Vereinen wie München-Ost oder Germering. Bachmeier hatte einst Scheinberg als Trainer zum MTSV geholt. Die beiden verfolgen die gleiche Philosophie, sie wollen möglichst viele Spieler an den Profisport heranführen. "Aber in der Region gibt es keine adäquaten Klubs für sie", sagt Bachmeier. Der FC Bayern spielt in der Euroleague und fahndet nur nach europäischen Toptalenten, auch Schwabings Kooperationspartner Crailsheim "ist als Erstligist für die meisten zu weit weg". Das hatte auch Sebald in der vergangenen Saison leidvoll erfahren müssen, als er nur fünf Mal in der BBL spielen durfte. Jetzt fällt er erst einmal mit einer Bänderverletzung aus.

© SZ vom 18.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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