Basketball:Unter der Donnerkuppel

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Von Urgewalten und feinen Händchen, von lauten und leisen Anführern, von erfüllten Träumen und offenen Versprechen: Die Meistermannschaft des FC Bayern in der Einzelkritik.

Von Ralf Tögel

(Foto: Langer/imago/Eibner-Pressefoto)

Mit einer Machtdemonstration im ausverkauften Audi Dome haben die Basketballer des FC Bayern München am Samstagabend Alba Berlin mit 106:85 Punkten besiegt, die Playoff-Finalserie 3:2 und damit die insgesamt vierte deutsche Meisterschaft gewonnen. Danach öffneten sich alle Schleusen, nach dem Schweiß strömten Tränen und Bier, ehe das Team mannschaftlich geschlossen die Nacht in einer Münchner Bar zum Tag machte. Bevor die Feier weitergeht, ein Saisonrückblick mit Perspektiven.

Der MVP

Als Danilo Barthel 2016 aus Frankfurt kam, sprach er demütig von der Ehre, für diesen Klub, in diesem Team spielen zu dürfen. Da war der 26-Jährige schon Nationalspieler - und er akklimatisierte sich schnell. Vor dieser Saison war Barthel als Back-up für Milan Macvan vorgesehen. Seit dessen Verletzung ist er gesetzt und nun wertvollster Spieler (MVP) der Finalserie. Der 2,08-Meter-Riese ist mit 9,6 Punkten verlässlicher Scorer und sammelt im Schnitt 4,5 Rebounds. Trotz seiner Größe ist Barthel flink, wirft sicher von der Dreierlinie und hat sich zu einem der besten Abwehrspieler entwickelt. Barthel ist der Gewinner der Saison, sein Vertrag läuft aus.

Kleber-König

Alex King wird gerne als Klebstoff im Team bezeichnet. "Ich habe 15 Jahre in der Bundesliga auf die erste Meisterschaft warten müssen, ich bin so stolz auf diese Mannschaft", sagte er am Samstag. King ist der Prototyp des Teamplayers, ordnet sich stets dem Kollektiv unter und bekam unter Trainer Dejan Radonjic wieder mehr Spielanteile als unter Vorgänger Sasa Djordjevic. Wenn er gebraucht wird, ist King da, vor allem von jenseits der Dreierlinie und als hartnäckiger Abwehrarbeiter. Der 33-Jährige kehrte nach zwei Pokalsiegen mit Berlin 2016 zum FCB zurück, wo er in der Jugend geformt wurde. Der Vertrag des 2,01 Meter großen Forwards läuft aus.

Das waren noch Zeiten: Der ehemalige Freistaat-Monarch Edmund (li.) feiert mit dem Ex-Präsident Uli die Basketballer im Audi Dome. (Foto: Matthias Koch/imago)

Air Cunningham

Gäbe es einen Titel für spektakuläre Aktionen, wäre dieser Jared Cunningham nicht zu nehmen. Auch im Finale am Samstag schien der 27-Jährige die Schwerkraft zu überwinden, als er zu seinen Blocks und Dunks flog. Der 1,95 Meter große Guard ist ein Spieler der Sorte Malcolm Delaney, der die Meistersaison der Bayern 2013/14 geprägt hat und mittlerweile in der NBA spielt. Auch Cunningham hat großen Anteil am Münchner Double. Im Pokalfinale war der 27-Jährige mit 19 Zählern Topscorer, am Samstag sammelte er 16 Punkte, im Schnitt 12,1. Dass er zurück will in die NBA, ist bekannt. Es wird eine große Aufgabe für die Bayern werden, ihn zu halten.

Immer-wieder-Rückkehrer

Immer wenn Vladimir Lucic ausfällt, merkt man erst, wie wichtig der serbische Nationalspieler für das Teamgefüge ist. Und dafür gab es in dieser Saison viele Gelegenheiten: Ein Mittelfußbruch Ende Oktober nahm ihn dreieinhalb Monate aus dem Spiel, rechtzeitig zum Pokaltriumph war der Small Forward wieder da. Dann verletzte sich der 2,04-Meter-Athlet im zweiten Viertelfinal-Spiel in Frankfurt an der Schulter, erneut kam der 28-Jährige gerade rechtzeitig zurück, zur Finalserie. Lucic sammelte zwölf Punkte, glänzte mit Dunks und seinem feinen Händchen von der Dreierlinie. Unter Radonjic war er gesetzt, hat noch Vertrag bis 2019.

Alternative Energiequelle

Nihad Djedovic, einzig verbliebener Akteur aus der Meistermannschaft 2014, ist heute so wertvoll wie damals. Mittlerweile zum Rekord-Korbschützen des Klubs gereift, war der Deutsch-Bosnier auch am Samstag mit 19 Punkten Topscorer der Bayern. Ist zwar kein Starter, bringt aber viel Energie von der Bank. Der 1,99 Meter große Forward ist so schwer zu bremsen, weil er so vielseitig ist: Djedovic ist treffsicher aus der Distanz, stark im Eins-gegen-Eins und hat Zug zum Korb. Und er ist auch ein guter Abwehrspieler. Djedovic hat noch eine Option auf ein weiteres Jahr, der 28-Jährige dürfte dem FCB erhalten bleiben.

Silberne Eleganz

Stefan Jovic, einer der drei serbischen Silbergewinner im Team. Unvergessen, wie er mit 19 Assists in München einst einen Euroleague-Rekord aufstellte. Für Roter Stern Belgrad. Seit dieser Saison lenkt der Regisseur der serbischen Auswahl auch die Bayern, er kam im Paket mit Macvan. Es ist die erste Station des 27-Jährigen im Ausland, er kam mit einer Verletzung an die Isar und musste sich immer wieder mit Blessuren herumschlagen. Gegen Alba bewies der 1,98 Meter große Point Guard erneut, was er kann, wenn er fit ist. Dann glänzt er nicht nur mit Vorlagen, sondern punktet auch aus der Distanz und ist auf dem Weg zu seinen eleganten Korblegern schwer zu halten. Mindestens noch ein Jahr kann sich der FCB über Jovic freuen.

Mann mit Wumms

Maik Zirbes, Center der deutschen Nationalmannschaft, musste erst ins Ausland gehen, um den Durchbruch zu schaffen. Besonders behilflich war ihm dabei Stefan Jovic. Die beiden bildeten unter Dejan Radonjic in Belgrad ein kongeniales Duo. Ein Grund, weshalb Zirbes den Trainerwechsel ausdrücklich begrüßte, er saß unter Djordjevic oft auf der Bank. In der Amtszeit von Radonjic hat sich der 2,07 Meter große 115-Kilo-Hüne beständig gesteigert, was er mit einem donnernden Dunk den Zuschauern im Dome bewies. Zirbes hat eine Option auf ein weiteres Jahr beim FCB.

Dunking Devin

Als wertvollster Spieler der französischen Liga kam Devin Booker vor zwei Jahren nach München, er sollte Wucht und Spektakel unter die Körbe bringen. Der 27-Jährige hat die Erwartungen erfüllt. Spektakuläre Blocks und krachende Dunks lieferte das 113-Kilo-Kraftpaket auch am Samstag in Serie. Booker steuerte 14 Punkte zum Sieg bei. Der 2,05-Meter-Koloss ist die Dunking-Maschine des FCB. Geschäftsführer Marko Pesic sagte nach Bookers erstem Jahr in München, dass er noch viel mehr könne. Er hat Recht behalten. Booker ist mit 12,5 Punkten und 5,1 Rebounds pro Partie in beiden Disziplinen Münchens Bester und neben Cunningham für die Hingucker zuständig. Sein Vertrag läuft aus.

Unersetzlich

Eigentlich, so könnte man meinen, muss Reggie Redding immer frieren. So cool wie der Amerikaner privat daherkommt, so lässig ist sein Spiel auf dem Feld. Doch nicht nur das. "Reggie ist da, wenn wir ihn brauchen", adelte ihn Marko Pesic, am Samstag war er mit elf Punkten zur Stelle. Darüber hinaus ist der 29-Jährige extrem vielseitig, verlässlich in der Abwehr, stark im Rebound. Seine Stärken aber hat er in der Offensive, wie im dritten Finalspiel gegen Berlin, dem er mit vier Dreiern in kurzer Zeit die Wende gab. Neben seiner Treffsicherheit aus der Distanz ist der 1,93 Meter große Shooting Guard ein Spieler, dem man in kniffligen Situationen gerne den Ball gibt. Redding weiß immer etwas Sinnvolles damit anzufangen. Sein Vertrag läuft aus.

Unverwüstlich

Unter Sasa Djordjevic sah es so aus, als wäre Anton Gavel in die dritte Reihe hinter Stefan Jovic und Braydon Hobbs gerutscht. Dejan Radonjic hat den Deutsch-Slowaken wieder ganz nach vorne geholt, was zuvorderst mit der Abwehrqualität des 33-Jährigen zu tun hat. Am Samstag glänzte der Kapitän zudem mit sehenswerten Alley-oop-Pässen, die Booker und Cunningham in der Luft fingen und in den Korb stopften. "Ich bin einfach nur froh, dass es vorbei ist, und sehr glücklich", sagte der 1,93 Meter große Shooting Guard nach dem Spiel. Sein Vertrag läuft aus.

Der X-Faktor

Es gibt wohl keinen Point Guard in der Liga mit verrückteren Ideen als Braydon Hobbs. Der 1,96 Meter große Spielmacher ist der ideale Ersatz für Stefan Jovic, er kann mit seiner Kreativität und Unberechenbarkeit einem Spiel eine neue Richtung geben. Wie im Pokalfinale. Unter Coach Dejan Radonjic bekam er zuletzt wenig Einsatzzeit. Vor Spiel zwei in Berlin klagte der 29-Jährige über heftige Bauchschmerzen und wurde noch am selben Abend am Blinddarm operiert. Wird wiederkommen, sein Vertrag läuft bis 2019.

Stiller Genießer: Trainer Dejan Radonjic mit Meisterpokal (Foto: imago/Christian Kolbert)

Bayer in Zivil

In St. Petersburg nahm die Saison für Milan Macvan ein so unschönes wie vorzeitiges Ende. Am 24. Januar zog sich der Serbe beim 80:78-Eurocup-Sieg in Russland einen Kreuzbandriss zu, seitdem ist er zwar fast immer bei den Spielen dabei - nur eben in Zivil. Der 2,06 Meter große Power Forward war Startspieler, mit Ex-Trainer Djordjevic, Lucic und Jovic hatte er 2016 Olympiasilber in Rio gewonnen. Auch unter Radonjic dürfte sich am Status Macvans nicht viel ändern, zumal er einer ist, der in kniffligen Situationen Verantwortung übernimmt. Dafür haben sie ihn geholt. Macvan hat noch ein Jahr Vertrag.

Die zweite Reihe

An erster Stelle Karim Jallow. Der 21-Jährige, in der ProB meist unterfordert, bekam bei den Profis immer wieder ein paar Einsatzminuten. Es ist schwer, in dieser kurzen Zeit zu glänzen, aber wenn es jemand demnächst schaffen kann, sich in Münchens Starensemble durchzusetzen, dann dürfte das Jallow sein. Für Marvin Ogunsipe, 22, Amar Gegic, 20, oder Georg Beyschlag, 20, dürfte das schwerer werden.

© SZ vom 18.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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