Basketball:Unbeliebte Loskugel

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Münchens Finne Petteri Koponen (li.) traf zweistellig, ist aber längst nicht an seinem Toplevel angelangt. (Foto: Christian Kolbert/imago)

Die Bayern-Basketballer überzeugen eine Halbzeit lang im siegreichen Pokal-Achtelfinale. Die Abstimmungsprobleme danach sollten sie zum Euroleague-Start am Donnerstag beseitigen.

Von Ralf Tögel, München

Die wichtigste Frage war schon weit vor Spielbeginn geklärt. Als die Basketball-Profis des FC Bayern München das Spielfeld im Audi Dome für ihr Aufwärmprogramm betraten, fehlte Derrick Williams. Die neue Attraktion der Basketball-Bundesliga parkte ihren in 428 Spielen in der nordamerikanischen Eliteliga NBA gestählten Körper neben der Ersatzbank, wo Williams in Nihad Djedovic (Rückenprobleme) und Milan Macvan (Kreuzbandriss) illustre Gesellschaft hatte. Die neuen Teamkollegen des hoch gelobten Power Forwards hatten aber auch ohne diese drei Hochkaräter keinerlei Probleme, sich dank erdrückender Überlegenheit in der ersten Halbzeit einen 106:92-Sieg gegen sich wacker wehrende Gießener herauszuspielen - und sich so für das Viertelfinale des Pokalwettbewerbs zu qualifizieren.

Der findet bekanntlich erstmals im neuen Modus statt, alle Begegnungen werden inklusive Heimvorteil ausgelost und einschließlich des Finales in einem einzigen K.o.-Spiel ausgetragen. Nach der Achtelfinal-Vorführung der Bayern dürfte dieser zur wohl unbeliebtesten Loskugel mutiert sein, gleichwohl blüht dem Titelverteidiger angesichts ausgebliebener Überraschungen - sowohl Berlin als auch Bamberg sind weiterhin im Wettbewerb - fortan deutlich mehr Widerstand. Ausgelost wird kommenden Freitag am Rande der Begegnung Berlin gegen Crailsheim, die Viertelfinals steigen am 22. und 23. Dezember.

Nur in der ersten Halbzeit wussten die Gastgeber den offiziell 3890 Zuschauern vorzuführen, wie gut diese Spieler sind, die in dem neuen rot-blauen Trikot stecken. Danilo Barthel etwa, der einmal mehr bewies, zu welchem Spitzenbasketballer er sich beim Double-Sieger entwickelt hat. Der Kapitän war mit 17 Zählern bester Münchner Werfer, Barthel versteht es, giftig zu verteidigen und ist am gegnerischen Brett nur schwer zu bremsen. Oder Nemanja Dangubic (13 Punkte), der erstmals andeutete, dass die Bayern da mehr als nur einen Ergänzungsspieler verpflichtet haben.

Bei Stefan Jovic (8), dem Trainer Dejan Radonjic angesichts der schnellen und sehr deutlichen Führung einige Pausen gönnte, war dieser Leistungssprung zu erwarten. Im Vorjahr bremsten den Spielmacher der serbischen Auswahl immer wieder Blessuren, bislang ist er gesund und zeigt das mit seiner genialen Übersicht und bisher nicht gekanntem Zug zum Korb und großer Treffsicherheit. Dass Petteri Koponen ein Akteur von internationalem Format ist, war bekannt, der Finne traf zwar mit elf Zählern auch zweistellig, ist aber ebenfalls längst nicht an seiner Leistungsgrenze angekommen. Auch Vladimir Lucic (16), Maodo Lo (10) und Braydon Hobbs (12) wussten als Punktesammler zu gefallen, vor allem Hobbs scheint sich langsam in das Herz des Trainers zu spielen, was deutlich wachsende Einsatzzeiten nahelegen.

Neben den individuellen Qualitäten waren aber ebenso Defizite unübersehbar. Zwar konnten die Münchner die unselige Quote von 19 und 18 Ballverlusten aus den ersten beiden Partien auf sechs nach unten dimmen, doch vor allem Abstimmungsprobleme vorne wie hinten machen den Bayern weiterhin zu schaffen. Nimmt man die nackten Zahlen der zweiten Halbzeit, dann ging diese mit 59:46 Punkten an die Gäste aus der mittelhessischen Universitätsstadt. Das wollte deren Trainer Ingo Freyer aber keinesfalls daran festmachen, dass die Bayern angesichts der überdeutlichen Vorteile und einer 60:33-Führung zur Pause im zweiten Spielabschnitt einen Gang herausgenommen hätten: "Wir haben bewiesen, wie wir spielen können." In den ersten beiden Vierteln habe seine Mannschaft "mit zu viel Ehrfurcht" agiert, schließlich hätten alle Spieler gewusst, "dass ein Euroleague-Team auf uns wartet".

Freilich gab Freyer auch zu, dass es "schön blöd ist, ausgerechnet das schwerste Los" gezogen zu haben. Dass Gießen ein paar Spieler in seinen Reihen weiß, die richtig gut Basketball spielen können, ist ebenfalls bekannt, allen voran John Bryant, der 2,11-Koloss wurde angesichts seiner drei Spielzeiten beim FCB mit wohlwollendem Applaus empfangen und revanchierte sich mit dem Tagesbestwert von 18 Zählern.

Aber gerade Bryant bekam zu spüren, wie unangenehm Gegenspieler wie Barthel oder Muskelpaket Devin Booker sind. Booker (9 Punkte, 6 Rebounds) im Übrigen wollte die These des gegnerischen Trainers nicht teilen: "Wir haben es in der zweiten Halbzeit zu leicht genommen." Man muss in diesem Zusammenhang auch sehen, dass die Bayern den Vorsprung ohne große Probleme immer zweistellig halten konnten, kam Gießen etwas auf, wusste der Pokalsieger umgehend zu kontern. Und es ist nicht die leichteste Übung, angesichts einer solchen Überlegenheit die Spannung immer hochzuhalten, den Gegner gnadenlos ins Parkett zu stampfen. FCB-Coach Radonjic wollte der Einlassung des Kollegen indes keine Beachtung schenken, er erinnerte höflich an die unrunde Vorbereitung und die Tatsache, dass man doch einigermaßen entspannt in die nächste Pokalrunde eingezogen sei.

Ob Derrick Williams im bevorstehenden Euroleague-Debüt an diesem Donnerstag im Audi Dome gegen Anadolu Efes Istanbul seinen NBA-Körper aufs Parkett bewegen wird, wollte er nicht versprechen. Er wisse aber schon recht genau, dass seine Mannschaft dann mehr als eine gute Halbzeit zeigen muss.

© SZ vom 08.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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