Basketball:Seriös ist anders

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Zweite Saisonniederlage für den FC Bayern: Beim 75:93 in Vechta lässt sich der Meister vom Aufsteiger phasenweise vorführen.

Von Matthias Schmid, Vechta/München

Diese denkwürdige Basketball-Partie zwischen Rasta Vechta und dem FC Bayern hätte gar nicht anders zu Ende gehen dürfen, als mit dieser hübschen Pointe. Luc van Slooten klaute Danilo Barthel kurz vor der Schlusssirene den Ball und stopfte ihn per Dunk in den Korb. Vechtas van Slooten, das muss man an dieser Stelle erwähnen, ist 16 Jahre alt. Ein Greenhorn. Der Münchner Barthel ist 27, deutscher Nationalspieler, er läuft regelmäßig in der Euroleague auf, Europas anspruchsvollstem Klubwettbewerb.

Kaum ein Durchkommen: Derrick Williams, links, Bayerns bester Scorer, kam zwar am Ende auf 21 Punkte. Aber auch er vermochte es nicht, sein Team angesichts der zweiten Saisonniederlage aufzurütteln. (Foto: Carmen Jaspersen/dpa)

Aber am Sonntagnachmittag sahen die Zuschauer im Rasta Dome plötzlich vertauschte Rollen. Vechta, der Aufsteiger, trat so abgeklärt und selbstsicher auf, als würde er die deutsche Bundesliga international in der höchsten europäischen Spielklasse repräsentieren und nicht der deutsche Meister aus München. Slooten stellte mit seinem Korb den Endstand von 93:75 (53:40) für Vechta her. Der Klub setzte damit seine wundersame Reise durch die Saison der Basketball-Bundesliga (BBL) fort. Es war für die Mannschaft des spanischen Trainers Pedro Calles bereits der dritte Sieg gegen eine Spitzenmannschaft, nachdem sie schon Berlin und Bamberg geschlagen hatte. "Das war heute unsere beste Leistung in dieser Spielzeit", befand hinterher Seth Hinrichs bei Magenta TV, "ein großartiger Tag", der den dritten Tabellenplatz festigte. An der Spitze steht weiter der FC Bayern, der seine zweite Saisonniederlage hinnehmen musste. "Es gibt keine Ausreden", erklärte Petteri Koponen danach, "Vechta war heute das bessere Team, das ist die einzige Erklärung."

Rasta wer? Das hatten sich nicht wenige gefragt, als die Mannschaft vergangenes Jahr aufgestiegen ist. Auch wie es zu diesem Namen kam, ist eine hübsche Geschichte. Im Jahr 1979 suchten Mitglieder einer Basketball-AG am Gymnasium Antonianum einen Klub, der sie aufnahm. Aber da sie niemand wollte und im Radio gerade "Rastaman Vibration" von Bob Marley lief, gründeten sie selbst einen Verein. Vechta aus dem westlichen Niedersachsen hat schon mehrmals in der BBL mitgemischt, dreimal, um genau zu sein, aber nie für sehr lange. Es war stets ein einjähriges Intermezzo, ein trauriges Abenteuer. In der ganzen Saison 2016/17 hatte Vechta zum Beispiel nur zwei Siege feiern können. In dieser Spielzeit sind es nach dem überraschend hohen Erfolg gegen die Bayern jetzt schon 17, eine weitere Runde in der Beletage kann der Rekordaufsteiger der BBL damit bereits fest einplanen. Mehr noch: die Teilnahme an den Playoffs ist praktisch perfekt, es geht nun darum, sich das Heimrecht im Viertelfinale zu sichern.

Auch gegen die Münchner zeigte die Mannschaft von Beginn an, warum sie zu den Entdeckungen in dieser Runde gehört. Die Spieler verteidigen leidenschaftlich, hart und geschickt und spielen schnell und schnörkellos mit schönen Passstafetten nach vorne. Vor allem aus der Distanz ist jeder Profi im Kader in der Lage, Würfe zu verwandeln. Einer, der das besonders gut beherrscht, ist TJ Bray, der allein in der ersten Hälfte alle seine drei Versuche versenkte. 20:13 führte die Heimmannschaft rasch im ersten Viertel, ehe Bayern-Trainer Dejan Radonjic seine erste Auszeit nahm. Normalerweise spricht er ruhig zu seinen Spielern, sachlich benennt er das, was ihm nicht gefällt. Aber diesmal war der Montenegriner in Rage, mit seinen Fingern trommelte er demonstrativ auf seine kleine Taktiktafel. Es war ein Appell an die Mannschaft, den Gegner endlich ernst zu nehmen und mal seriös zu verteidigen. Bloß, es half nicht, es wurde danach nicht wirklich besser. Zwar kam München im zweiten Viertel nach einem Dunk von Derrick Williams, der am Ende als Bester 21 Punkte sammelte, noch mal auf drei Zähler heran (28:31). Aber die Niedersachsen bewegten den Ball so gut, dass sie immer den besser postierten Mitspieler fanden. Bis zur Pause heimsten sie 18 Korbvorlagen, sogenannte Assists ein - ein bemerkenswerter Wert. Darüber hinaus verwandelten sie acht ihrer 15 Distanzwürfe. Der Lohn: eine 53:40-Halbzeitführung gegen den deutschen Meister.

Im dritten Viertel übertreibt es Vechta mit den Spielereien - aber die Bayern lassen sie gewähren

Es sollte noch besser kommen. Während die Münchner seltsam gehemmt wirkten, ermattet irgendwie, spielte Vechta mit viel Enthusiasmus weiter und vergrößerte seinen Vorsprung, weil fast jeder Wurf saß. Auch die verrücktesten Dreier flutschen durch den Korb. Das Heimteam führte die Gäste Mitte des dritten Viertels förmlich vor - ein bisschen mit Hang zur Hybris, weil sie plötzlich anfingen, sie demütigen zu wollen. Statt den leichten Korbleger zu wählen, versuchten sie - oft vergeblich - Schnellangriffe per Alley-oop abzuschließen oder stoppten beim Fastbreak vor der Dreierlinie abrupt ab. Aber sie konnten es sich erlauben, weil sich niemand bei den Bayern fand, der es vermochte, seine Mitspieler zu führen oder aufzurütteln. Auch nicht im Schlussviertel, als Vechta nach einer 24-Punkte-Führung (79:55) zunehmend abgekämpft wirkte. Rasta Vechta, das steht fest, muss man sich merken.

© SZ vom 11.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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