Basketball:Schön war es schon

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Große Augen: Selbst Devin Booker, mit 18 Punkten bester Korbschütze des deutschen Meisters, scheint kaum glauben zu können, wie überlegen der FC Bayern gegen Darussafaka Istanbul ist. (Foto: imago/Jan Huebner)

Mit 116:70 hat der FC Bayern München Darussafaka Istanbul überrollt. Danach gaben sich alle Mühe, den Triumph sachlich einzuordnen.

Von Matthias Schmid, München

Danilo Barthel hatte seine Wollmütze tief ins Gesicht gezogen, als er Donnerstagnacht aus der Kabine schlurfte; so tief, dass eigentlich nur noch sein zotteliger Bart zu sehen war. Sein Auftritt, seine ganze Mimik und Gestik, seine Worte waren weit davon entfernt, euphorisch zu sein, das Gegenteil war der Fall. Er sprach nüchtern wie ein Notar bei der Testamentseröffnung. Wer nicht wusste, dass Barthel die Basketballer des FC Bayern als Kapitän anführt und diese soeben den aktuellen Eurocup-Sieger Darussafaka Istanbul in einem mitreißenden Euroleague-Spiel mit 116:70 vorgeführt hatten, man hätte glauben können, dass dieser so sachlich argumentierende Spieler das Trikot der Türken getragen hatte. "Wir müssen das Spiel, auch wenn es schön war, bis morgen wieder vergessen", brummte es zwischen Mütze und Bart heraus.

Barthels Trainer, Dejan Radonjic, steht ebenso wenig im Verdacht, Siege allzu überschwänglich einzuordnen und in der Minute des Triumphs die Kontrolle zu verlieren. Es muss also tatsächlich ein ganz passabler Auftritt seiner Spieler gewesen sein, wenn der sonst so trockene Montenegriner in seiner Analyse einen Anflug von Euphorie erkennen ließ: "Es war eine spezielle Nacht", sagte er also, "etwas ganz Besonderes" - und wirkte dabei so erstaunt wie jemand, der mit eigenen Augen ein seltenes Naturphänomen erleben durfte. "Außergewöhnlich", nannte er die Leistung seiner Mannschaft in der Offensive, er bezog das nicht ausschließlich auf die bemerkenswerte Trefferquote aus der Distanz (69 Prozent) und die vielen Korbvorlagen (28), sondern auf das gesamte Spiel.

"Wir finden in den Trainingseinheiten immer besser heraus, wo die einzelnen Spieler ihre Stärken haben."

Aber richtig aus seiner Haut konnte der 48-Jährige dann noch nicht, er wollte das Resultat gegen einen überforderten Gegner nicht zu sehr feiern. Er wusste ja, dass vieles an diesem Abend zusammengekommen war. Als sich seine Spieler im zweiten Viertel mit ihren erfolgreichen Dreipunktewürfen in einen rauschhaften Zustand spielten, ließen die Istanbuler dies nahezu wehrlos über sich ergehen. "So eine Leistung kann man nicht jeden Abend erwarten", befand Radonjic und wollte sich dann nicht mehr groß mit dem Spiel beschäftigen: "Wir müssen jetzt beginnen, über den nächsten Gegner nachzudenken." Der heißt EWE Baskets Oldenburg und schaut am Sonntag (18 Uhr) im Münchner Audi Dome vorbei, dann steht das nächste Heimspiel in der Bundesliga an.

Und in der Tat ist das ein Gegner, der die Münchner in Kalamitäten bringen könnte, eine eingespielte Mannschaft, die über famose Solisten wie Rickey Paulding und den amerikanischen Spielmacher Will Cummings verfügt, der in der vergangenen Spielzeit noch für Darussafaka aufgelaufen war und nun mit 19,4 Punkten im Schnitt der beste Werfer in der Basketball-Bundesliga ist. Ein Blick zurück auf das Spiel gegen Istanbul ist aber zweifellos lohnenswert, denn die Überlegenheit des deutschen Meisters nahm schon fast groteske Züge an und ist natürlich nicht allein damit zu erklären, dass die Bayern eine gute Tagesform hatten und Istanbul eine ziemlich verheerende. Das hob auch der Istanbuler Trainer Ahmet Caki hervor, der drauf hinwies, "dass die Münchner sehr gut gepasst und immer den besser postierten Mitspieler gefunden haben".

Die schnelle, selbstlose Ballbewegung gehört genauso zu den Vorzügen dieses Bayern-Kaders wie die individuelle Qualität jedes einzelnen Spielers, die diese jeden Moment gewinnbringend einzusetzen vermögen. Ein Beispiel: Radonjic schickte Derrick Williams gegen Ende des ersten Viertels als zehnten Spieler aufs Parkett, einen Profi, der in der besten Liga des Planeten schon im Finale stand und auf fast 500 Spiele in der NBA zurückblicken kann. Mit dem 27-jährigen Amerikaner, der mit einer enormen Beweglichkeit und Athletik gesegnet ist, haben sich in der Offensive neue Optionen ergeben, neue Angriffssysteme, "die uns vielseitiger und schwerer auszurechnen machen", wie Barthel bestätigt. "Wir finden in den Trainingseinheiten immer besser heraus, wo die einzelnen Spieler ihre Stärken haben, und können das im Spiel auch immer besser umsetzen."

Groß feiern wollten diese Fortschritte am Donnerstagabend weder Kapitän Barthel noch Coach Radonjic. "Der Trainer wird uns daran gleich in der Kabine erinnern", ahnte Petteri Koponen schon, als er unmittelbar nach dem Spiel ein Interview gab. Der Finne, der gegen Darussafaka Istanbul alle seine sechs Würfe verwandelte, fügte grinsend hinzu: "Genießen dürfen wir den Sieg aber schon." Einen kleinen Rüffel dürfte er sich trotzdem einholen, er hatte als nächsten Gegner ZSKA Moskau ausgemacht. Das trifft zwar auf die Euroleague zu, aber am Sonntag gastiert erst noch eine Abordnung aus Niedersachsen.

© SZ vom 10.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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