Basketball:Reine Gewöhnungssache

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Der FC Bayern feiert den zweiten Sieg unter dem neuen Trainer Dejan Radonjic. Beim 107:83 gegen Gießen offenbart der Tabellenführer aber weiter Defizite in der Abwehr.

Von Matthias Schmid, München

Dejan Radonjic besitzt die Gabe, während eines Spiels die Körperhaltung in Sekundenschnelle zu verändern. Einmal versteckt der neue Trainer der Basketballer des FC Bayern die Hände in der Hosentasche, im nächsten Moment verschränkt er die Arme vor der Brust, um dann Zeigefinger und Daumen in die Hüften zu pressen. Er ändert seine Stellung ständig, auch die Denkerpose hat der Basketballlehrer aus Montenegro im Repertoire, er stützt dann sein gedankenschweres Haupt auf seiner rechten Hand.

Es ist faszinierend, mit welcher Geschwindigkeit Radonjic das zelebriert. In dieser Rasanz werden die Bayern-Spieler seine Vorstellungen nicht verinnerlichen. Das steht nach zwei Spielen unter seiner Leitung fest, auch wenn dem Heimsieg gegen Ulm am Mittwoch nun ein Erfolg gegen die Gießen 46ers im Audi Dome folgte. Der Tabellenführer aus München siegte am Ende deutlich 107:83 (54:36). Es war aber zu beobachten, dass die Spieler noch nicht alles von dem umsetzen konnten, was der 48-Jährige verlangt, vor allem in der Defense. "Wir haben zu Beginn des Spieles gut verteidigt", befand Radonjic, aber gut ist in seiner Wahrnehmung nicht gut genug. Der frühere Trainer von Roter Stern Belgrad hat viel höhere Ansprüche von der Verteidigungskunst: "Wir müssen das ganze Spiel über schlau und hart verteidigen, nicht nur phasenweise."

In der Tat konnten die Gießener um den früheren FCB-Meisterspieler John Bryant ein ums andere Mal so frei und unbedrängt zum Korb laufen wie ein Tourist bei Regen über den Marienplatz zum Rathaus. Für die Zuschauer seien die vielen Punkte schön anzusehen gewesen, fand Radonjic, um mit strengem Blick anzufügen: "Wir müssen noch vieles verbessern." Dass der Sieg dennoch so hoch ausfiel, lag vor allem daran, dass die Münchner in der Offensive vieles richtig machten, sie trafen aus allen Lagen, auch von jenseits der 6,75 Meter entfernten Dreierlinie; diese Distanzwürfe gehören ja nicht unbedingt zu den Stärken der Bayern. Aber gegen Gießen lag die Quote bei mehr als 50 Prozent, Danilo Barthel und Braydon Hobbs taten sich mit jeweils zwei verwandelten Dreiern hervor.

Spielmacher Hobbs beendete das Spiel sogar ohne Fehlwurf. "Ehrlich?", fragte der 28-Jährige erstaunt zurück. Seine zwölf Punkte interessierten ihn aber weniger, vielmehr gab er zu, dass man sich noch an den neuen Trainer gewöhnen müsse - vor allem an die neuen Einflüsse in der Defensive. "Wir müssen viel besser verteidigen, wenn wir die Meisterschaft gewinnen wollen", forderte Hobbs. Anders als Vorgänger Aleksandar Djordjevic will Radonjic von seinen Spielern sehen, dass sie in der Defensive häufiger "switchen", wie es im Fachjargon heißt. Sie sollen den zu verteidigenden Gegenspieler ein ums andere Mal bewusst wechseln. Oft ist das nötig, wenn man einen Block des Gegners nicht rechtzeitig umlaufen kann. Radonjic fordert das aber als Stilmittel, um den Gegner zu verwirren und ihn so zu Fehlern zu zwingen. "Das erfordert eine gute Kommunikation, um sich gegenseitig helfen zu können", hob Hobbs hervor. Denn es kann durchaus passieren, dass dabei so sogenannte "Mismatches" entstehen, dass also ein großer, behäbiger Akteur einen kleinen, schnellen Spieler verteidigen muss, oder umgekehrt.

Radonjic will nun die sieben Tage bis zum nächsten Spiel am Sonntag in Frankfurt nutzen, um an der Feinarbeit zu feilen. Er sei ein akribischer Arbeiter, der viel Wert auf Details legt, hat auch Barthel festgestellt, der gegen Gießen mit 18 Zählern bester Münchner war. So kann es im Training durchaus vorkommen, dass Radonjic die Spieler in der Verteidigung mal einen halben Meter weiter nach links oder nach rechts verschiebt, um seine Vorstellungen zu verdeutlichen. "Das wird sich auf längere Sicht auszahlen", ist Barthel überzeugt.

Doch in der Gegenwart geht es in den letzten sechs Spielen der Hauptrunde darum, den ersten Platz vor Berlin zu verteidigen. "Wir müssen Spiele gewinnen", sagt Radonjic. Dass er sich nun in Deutschland auf die Playoffs vorbereitet, kam auch für ihn überraschend. Er hatte andere Pläne. "Ich wollte nach Amerika", verriet er, in der NBA hospitieren, sich fortbilden: "Ich hatte das schon ein Jahr vorgeplant." Der Anruf aus München veränderte alles: Nun soll Dejan Radonjic halt den FCB zum Meister machen.

© SZ vom 09.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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