Basketball:Plan B

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In der Schule, sagt Joshua Obiesie, lief es nicht so. Nun strebt er eine Karriere als Profi an. In zwei Jahren soll er in der NBA spielen. Sein Idol LeBron James ist schon mal beeindruckt.

Von Niccolo Schmitter

Eigentlich sei sein Traum bereits in Erfüllung gegangen, sagt Joshua Obiesie und zückt grinsend sein Telefon aus der schwarzen Jogginghose. Er öffnet ein Bild, auf dem zu sehen ist, wie er in einem Spiel zu einem waghalsigen Dunking ansetzt, bei dem er den Ball windmühlenartig mit ausgestrecktem Arm in den Korb befördern möchte. Obiesies Zeigefinger deutet dann aber nicht auf sich selbst, sondern auf den Mann, der rechts hinten am Bildrand versteckt auf einem Stuhl sitzt und gebannt die Szene verfolgt: LeBron James, aktuell der beste Basketballer der Welt.

"Der Dunk ist mir leider misslungen", sagt Obiesie und lacht. Die Leute hätten ihm aber gesagt, dass James, sein großes Idol, nach dem Versuch aufgestanden sei und beeindruckt ausgesehen habe. Man könnte beim Zuhören meinen, Obiesie sei schon am Ziel. Immerhin hat der 18-Jährige bei einem Nachwuchsturnier in Berlin vor internationalem Publikum gespielt und dabei einen Ausnahmesportler beeindruckt. Mit James habe er nach dem Spiel sogar ein paar Worte wechseln können. Doch Obiesie steht am Anfang.

Joshua Obiesie (rechts) lernt an der Internationalen Basketball Akademie München (Foto: Herbert Würmseher/oh)

Der Münchner kann getrost als eines der größten Basketball-Talente Deutschlands bezeichnet werden. Damit sein wirklicher Traum in Erfüllung geht, reicht es jedoch nicht, sich in der selben Halle mit seinem Vorbild zu befinden. Damit sein wirklicher Traum in Erfüllung geht, müsste er auf dem gleichen Parkett stehen. "Der Junge soll in zwei Jahren irgendwo in der NBA unterkommen", sagt Robert Scheinberg.

Das Modell Nowitzki: Seit seinem elften Lebensjahr trainiert Obiesie individuell mit Scheinberg

Scheinberg, Trainer beim MTSV Schwabing, hat Obiesies Potenzial früh erkannt, seit dessen elftem Lebensjahr führen sie ein wöchentliches Einzeltraining durch - die Parallelen zu Deutschlands bestem Basketballer Dirk Nowitzki (Dallas Mavericks) und seinem Mentor Holger Geschwindner fallen auf. "Schulisch lief es bei mir nie so gut", gesteht Obiesie. "Da haben wir gesagt: 'Machen wir Basketball zu deinem Beruf!'." Ein riskanter Plan. Den seriösen Rahmen dafür bietet die Internationale Basketball Akademie München (IBAM), die junge Sportler individuell fördert und ihre Absolventen gezielt im Profisport platzieren will. Die Akademie ist ein Beispiel dafür, wie sich der deutsche Nachwuchsbasketball professionalisiert. Geschäftsführer der IBAM ist Scheinberg. Es sei "durchaus realistisch", dass der ein oder andere den Sprung in die nordamerikanische Profiliga NBA schaffen könne. Obiesie ist einer.

"Er bringt schon fast das komplette Paket mit", meint Scheinberg. "Größe, Athletik, Schnelligkeit, Wurf, das ist alles bei ihm schon sehr ausgeprägt." Angesichts des Trends zum schnellen Spiel, der sich in der NBA durchgesetzt hat, ist sein Profil sein großer Trumpf. Die Teams benötigen agile Spieler, die das Parkett rauf und runter rennen können und dabei die Physis und Athletik besitzen, um in Bewegung abzuschließen, solange der Gegner unsortiert ist. Je größer und beweglicher ein Spieler ist, desto besser. Qualitäten, die Obiesie mitbringt. Auch als Spielertyp eifert er seinem Vorbild nach. LeBron James war als athletischer Flügelspieler zu Beginn seiner Karriere vor allem als Mann für die Punkte gefragt, hat im letzten Jahrzehnt sein Spiel aber stetig weiterentwickelt. Heute hat wohl kaum ein Profi in der NBA ein besseres offensives wie defensives Spielverständnis, zu den besten Passgebern der Liga zählt er ebenfalls. "Er kann einfach alles", schwärmt Obiesie.

Robert Scheinberg, Trainer beim MTSV Schwabing und Geschäftsführer der Internationalen Basketball Akademie München. (Foto: Claus Schunk)

Trotz seiner 1,98 Meter bekleidet er bei der IBAM nominell die kleinen Positionen und treibt als Ballführender das Spiel an. Für sein Team in der deutschen Nachwuchs-Bundesliga (NBBL) ist er der absolute Leistungsträger, "eigentlich schon der Superstar", wie Scheinberg sagt. Auch sein ehemaliger Vereinskollege und Trainingspartner Oscar da Silva, der nun in Stanford College-Basketball spielt, geht davon aus, dass Obiesie in der kommenden Saison "einer der besten Spieler in der NBBL" sein wird. Konkrete Anfragen von allen deutschen Spitzenklubs gebe es laut Scheinberg schon, doch Obiesie soll erst mal die Akademie abschließen und die NBBL-Saison, die Anfang Oktober beginnt, zu Ende bringen. "Das ist immer unser Grundprinzip", erklärt Scheinberg. Danach werde geschaut, was die beste Option ist. Für Obiesie ist klar: "Ich will spielen." Ob in Deutschland oder im Ausland: Er brauche einen Verein, der ihm Spielzeit gibt und weiß, dass er nach ein oder zwei Jahren sein Glück in den USA versuchen wird.

Im Top 100 Camp der NBPA war Obiesie einer von nur vier Nicht-Amerikanern

In den 1990er Jahren war die NBA für die meisten Ausländer noch ein utopisches Ziel. Europäer besaßen den Ruf als Weicheier, ihr Teambasketball galt als nicht kompatibel mit der physischen Spielweise in den USA. Das hat sich geändert - nicht zuletzt dank Dirk Nowitzki. "Die NBA hat erkannt, dass die europäischen Spieler die taktischen und technischen Aspekte meist schon mitbringen", erklärt Scheinberg. Die Teams würden die Jungen nun früher als zuvor auf ihre Seite des Atlantiks ziehen, um zusätzlich einen amerikanischen Schulungsprozess durchzuführen. Dafür hätten sie Scouts, "die kennen jedes Talent auf diesem Planeten", auch 18-Jährige aus München-Schwabing. Scheinberg ist selbst gut vernetzt und pflegt zahlreiche Kontakte in die USA. Seine Schützlinge sollen die bestmöglichen Optionen für ihre Karriere erhalten. So kämen nun Scouts der Boston Celtics und Philadelphia 76ers nach München, um Obiesie zu beobachten.

Der 18-Jährige wurde erst im Juni dieses Jahres in das NBPA Top 100 Camp eingeladen, organisiert von der Spielergewerkschaft der NBA. In Charlottesville, Virginia, spielten fünf Tage lang die größten High-School-Talente unter Beobachtung aller Manager und Scouts der NBA gegeneinander. Aus dem Ausland kamen nur vier Spieler - einer davon war Obiesie. "Das ist schon eine andere Hausnummer als das normale Tagesprogramm", sagt Scheinberg. "Es war gar nicht so schwer, wie ich gedacht habe", sagt dagegen Obiesie. Körperlich sei er danach zwar am Ende gewesen, er habe aber gemerkt, dass er spielerisch mithalten könne.

Beim Camp waren auch aktive NBA-Profis. "Plötzlich stehen Spieler vor dir, die du nur von Instagram kennst", sagt Obiesie. Sie schärften den Talenten ein, dass die NBA ein Multi-Millionen-Dollar-Zirkus ist. Dass Geld und Ruhm aber auch vergänglich sind. Eine lehrreiche Lektion. Ans große Geld denkt der Münchner aber ohnehin nicht. Joshua Obiesie blickt an sich herunter, auf das weiße T-Shirt, die schwarze Jogginghose, die hochgezogenen Sportsocken, die Turnschuhe: "In zehn Jahren möchte ich so dahocken, wie ich jetzt hier hocke." Ganz wie LeBron James also, der in Berlin ein weißes T-Shirt und schwarze Sporthosen trug. Ganz bescheiden.

© SZ vom 21.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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