Basketball:Geschichten von Helden

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Am Sonntag war Nick Johnson noch im Krankenhaus, am Mittwoch führt er das Team zum Sieg gegen Malaga. Nun hat der FC Bayern die Hoffnung, ein neues Spielmacher-Juwel verpflichtet zu haben

Von Ralf Tögel, München

Da stand er nun, der Held des Abends. Im schicken Kurzmäntelchen mit großen Kopfhörern um den Hals, er wirkte fast ein bisschen schüchtern. Nick Johnson nahm sich erst einmal Zeit für ein paar Fans, freundlich, höflich und stets lächelnd erfüllte er alle Wünsche, unterschrieb auf Schals, ließ sich mit seinen Bewunderern fürs digitale Poesiealbum ablichten. So müssen sich amerikanische Mütter den Schwiegersohn ausmalen, einen netten und bescheidenen College-Burschen mit besten Manieren. Außergewöhnlich war auch das, was der 23-Jährige auf dem Spielfeld gezeigt hatte, man kommt nicht umhin, dem neuen Spielgestalter aus den USA die Schlüsselrolle beim knappen 72:69-Heimsieg im Eurocup gegen Unicaja Malaga zu bescheinigen. Denn es war ein enges Spiel, ein hart umkämpftes, eines, bei dem die Abwehrreihen der Teams das stilprägende Element waren. Und eines, in dem der Münchner Point Guard jeweils in der Schlussphase der beiden Halbzeiten die entscheidenden Ideen hatte.

"In Nick haben wir einen Spieler dazugewonnen, der in engen Momenten Verantwortung übernimmt. Er ist einer, der Spiele entscheiden kann." Trainer Sasa Djordjevic sagte das über seinen Taktgeber, der in der Tat schon nach wenigen Wochen in München Erinnerungen an die prägenden Spielmacher der jüngeren Basketball-Geschichte des FC Bayern wie Tyrese Rice oder Malcolm Delaney aufkommen lässt. Vor allem Delaney, der die Bayern 2014 zum deutschen Titel geführt hatte und mittlerweile bei den Atlanta Hawks in der NBA spielt, pflegte ein ähnliches Spiel wie Johnson. "Er ist unglaublich athletisch", sagt Teamkollege Maxi Kleber über den neuen Kollegen, "er kommt an jedem vorbei. Er ist eine richtige Scoring-Maschine." Nicht die einzige Stärke von Johnson, der gegen Malaga vor allem mit seinen Dreiern die Wende herbeiführte. Kein Dreier wollte fallen, dann kam Johnson und versenkte deren zwei hintereinander zum wichtigen 35:37-Anschluss zur Pause. In der nervenaufreibenden Schlussphase erzielte der Point Guard acht der letzten zehn Punkte. Es war eine vollendete Heldengeschichte, denn wie in der griechischen Mythologie hatte auch Johnson erst leiden müssen.

Nach der Partie in Hagen war er sogar ins Krankenhaus geschickt worden, ein übler Infekt zwang Johnson mit hohem Fieber in die Knie. Erst am Dienstagabend, so geht die Legende, konnte er seinen Leib wieder in die Trainingshalle zwingen, um danach sofort ermattet auf sein Lager zu sinken. Und in strahlender Kraft am folgenden Tag zurückzukehren, um den Gegner aus dem fernen Andalusien mit 20 Punkten und gescheiten Pässen zu besiegen. Djordjevic hat das erzählt, freilich ohne Heldenpathos, dennoch fand es der Serbe bemerkenswert, was sein Spieler da geleistet hatte. Man darf den Rest der Mannschaft aber nicht vergessen, denn aus Hagen waren viele Akteure mit Blessuren heimgekehrt, Maxi Klebers Bein hatte ordentlich Schläge abbekommen, Devin Booker schmerzte das Knie, Vladimir Lucic hatte einen Cut an der Hand und Danilo Barthel kämpfte wie Johnson mit einem Virus.

In diesem Licht wird der Sieg weiter aufgewertet, denn die Eurocup-Zwischenrunde haben die Bayern längst erreicht, und sie bleiben Gruppenerster. Es war auch keine berauschende Leistung, "es war hart, eng, aufregend", so Djordjevic, und: "Es ist wichtig für uns, solche Spiele zu spielen, sie formen den Charakter einer Mannschaft." Und zu gewinnen, wie Kleber ergänzte, das sei "mental superwichtig". Und Johnson? Er lächelte, sagte nette Sachen über die Kollegen, die Stadt, den Verein: "Ich genieße die Atmosphäre hier, ich wurde super aufgenommen und habe mich sofort wie zu Hause gefühlt." Johnson hatte noch eine besondere Motivation: Kyle Fogg. Der war Malagas herausragender Akteur, Johnson habe "viel von ihm gelernt". Die beiden kennen sich vom College, ihre Wege hätten sich immer wieder gekreuzt, im Sommer habe er mit Fogg trainiert. "Ich wollte ihn unbedingt schlagen", erzählte Johnson lächelnd. Das war ihm gelungen.

Die FCB-Verantwortlichen nehmen Johnsons rasante Entwicklung freudig zur Kenntnis. Langsam ist zu erahnen, welches Juwel sich die Bayern da ins Team geholt haben. Wohl auch ein Grund, weshalb Alex Renfroe so schnell die Freigabe für Barcelona erhalten hat. Und so eine Chance wird der 30-Jährige wohl nicht mehr erhalten. Aber auch der FCB bekommt durch den Weggang eine Chance. Der freie Platz wird aufgefüllt, das ist klar, aber man will sich wie bei Johnson Zeit lassen. Denn Helden findet man nicht an jeder Ecke.

© SZ vom 02.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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