Basketball:Mia-san-mia in Istanbul

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Vier Neue für das Bayern-Gefühl: Trainer Aleksandar Djordjevic hat sein Team gut verstärkt. (Foto: Jan Huebner/imago)

Der FC Bayern München gewinnt auch sein viertes Pflichtspiel, diesmal im Europacup bei Galatasaray. Und zeigt dabei große Fortschritte bei der Identitätssuche.

Von Ralf Tögel, München

Aleksandar Djordjevic war auf der Suche. Nach einem Wort. Der Trainer der Münchner Basketballer wollte vor dem Eurocup-Spiel in Istanbul beschreiben, wie er sich seine Mannschaft wünscht: selbstbewusst, sehr selbstbewusst, aber nicht arrogant. Mit der unabdingbaren Vorgabe, jeden Gegner zu respektieren. Sich gleichzeitig der eigenen Stärke bewusst zu sein, diese zu zeigen, also den Kontrahenten spüren zu lassen. Ist das alles in ein Wort zu pressen? Schwerlich. Aber in drei. Und auf die hat der FC Bayern München sozusagen das Patent: Mia san mia. Es ist diese spezielle Identität des Vereins, erfunden von den Fußballern, verinnerlicht in zahllosen großen Spielen, Siegen und Titeln, die nun auch die Basketballer für sich in Anspruch nehmen wollen. Und sie sind auf einem guten Weg, wie im Sinan Erdem Dome zu Istanbul beim 86:69-Sieg recht eindrücklich zu beobachten war.

Spiele in der Türkei sind immer gleichbedeutend mit frenetischen Fans, die den Gegner unaufhörlich niederbrüllen und dem eigenen Team ihre Energie schenken. Ob es aus dieser Sicht eine gescheite Idee von Galatasaray war, in die riesige 16 000 Zuschauer fassende EM-Arena zu wechseln, sei dahingestellt; die knapp 3800 Zuschauer waren dennoch in der Lage, einen Höllenlärm zu veranstalten - weil deren Großteil die typischen türkischen Hardcore-Antreiber waren. In solch einer Atmosphäre ist das Mia-san-mia-Gefühl, alternativ auch Bayern-Gen genannt, eine große Hilfe. Und ganz offenbar haben die Münchner Basketballer einen Kader beisammen, der sich dem annähert. Beispiel Braydon Hobbs: Der Spielmacher ist aus Ulm gekommen, von der Mannschaft, die in der Vorsaison die Vorrunde der Bundesliga sehr souverän dominierte. Keine schlechte Voraussetzung, jedenfalls zeigt sich der Amerikaner auch an seiner neuen Arbeitsstelle von großer Kaltschnäuzigkeit. Vor allem in einer Phase des Istanbul-Spiels, als den Bayern einige unnötige Fehler unterliefen. Der Gegner nutzte das, die Fans waren sofort zur Stelle, in so einer Situation kann ein Spiel schnell kippen. Doch da war ja noch Hobbs. Der kühlte die Stimmung in der Halle mit ein paar erfolgreichen Dreiern schnell wieder ab, das hatte eine sehenswerte Leichtigkeit. Dieser Hobbs ist aber nicht der einzige Akteur auf Seiten des FCB, der als Stimmungskiller fungieren kann. Auch Stefan Jovic ist dazu in der Lage. Der serbische Point Guard wurde zwar nicht als Punktesammler auffällig, aber er verhalf seinen Kollegen zu eben diesen. Elf Assists, also Vorlagen, die zu Punkten führen, sind bemerkenswert.

Wäre noch Milan Macvan, ebenfalls serbischer Internationaler, gesegnet mit großer Abgebrühtheit und enormer Professionalität, wie Trainer Djordjevic, der ihn als Übungsleiter aus der serbischen Nationalmannschaft gut kennt, verriet. Und natürlich Jared Cunningham, nominell nicht nur wegen seiner Vergangenheit in der nordamerikanischen Profiliga NBA mit dem grünsten Vorschusslorbeer gekommen, ebenfalls ein Akteur, der sich schnell mit dem Mia-san-mia-Virus infizieren könnte. Alle vier Zugänge sind Spieler mit Führungsqualitäten, genau dem also, was den Bayern in der vergangenen Saison in wichtigen Momenten zu oft fehlte.

Damit aber nicht genug, denn Akteure wie Vladimir Lucic, mit 16 Zählern bester in Istanbul, Devin Booker, Anton Gavel, Reggie Redding oder Maik Zirbes befinden sich allesamt in beachtlicher Form. Man darf mit Blick auf das Spiel in Istanbul aber keinen Akteur hervorheben, das Kollektiv war an diesem Abend der Star. Djordjevic konnte es sich gar leisten, angesichts des flüssigen Auftritts einen Spieler wie Nihad Djedovic auf der Bank zu lassen. Der war in den vergangenen Jahren verlässlichster Punktesammler und dürfte angesichts der zwei anstehenden Top-Spiele am Wochenende schon mit den Hufen scharren.

An diesem Freitag (19.30 Uhr) gastiert Würzburg mit dem ehemaligen FCB-Basketball-Projekt-Beschleuniger Dirk Bauermann als Cheftrainer und Ex-Bayer Robin Benzing als Kapitän im Audi Dome, schon am Sonntag kommt Oldenburg. Zwei Teams, die wie der FCB alle drei bisherigen Ligaspiele gewonnen haben, punktgleiche Verfolger des Primus also. Geradezu optimale Gegner für eine Verfestigung des Mia-san-mia-Gefühls.

© SZ vom 13.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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