Basketball:Mehr als Touristen

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Der FC Bayern ist bei Efes Istanbul klarer Außenseiter. Auch wegen Vasilije Micic, der sich einst in München nicht durchsetzen konnte.

Von Joachim Mölter, München

Bei den FC-Bayern-Basketballern haben sie nicht viel anfangen können mit Vasilije Micic, nachdem dieser im Sommer 2014 zu ihnen gekommen war. Der damals gerade 20 Jahre alte Serbe galt als ungeschliffenes Juwel für die Position des Spielmachers, Trainer Svetislav Pesic sollte ihn formen, wie es ihm bei vielen Edeltalenten zuvor schon gelungen war. Aber obwohl ihn damals auch seine erfahrenen Landsleute Vladimir Stimac und Dusko Savanovic in ihre Obhut nahmen, wurde Micic in München nicht heimisch. Er bekam kaum Spielzeit, war oft verletzt, meist frustriert. In seinem zweiten Jahr verlieh ihn der FCB erst an Roter Stern Belgrad und gab ihn dann ganz ab.

Nun können die Münchner mal sehen, was aus Micic geworden ist: Am Freitagabend (18.30 Uhr) treten sie in der Euroleague beim türkischen Meister Anadolu Efes Istanbul an, dem Vorjahresfinalisten und aktuellen Tabellenzweiten, gleichauf mit dem führenden FC Barcelona (je 8:2 Siege).

"Efes war die größte Überraschung in der vergangenen Saison", sagt Münchens Flügelspieler Vladimir Lucic, "aber das sind sie nicht mehr. Sie sind gut genug, alles zu gewinnen." Und das hat viel mit Micic zu tun, dem 1,96 Meter großen Point Guard.

Nach weiteren Zwischenstationen beim türkischen Klub Tofas Bursa und beim litauischen Topverein Zalgiris Kaunas ist Micic in seiner nun zweiten Saison bei Efes zu einem der besten Spielgestalter Europas gereift. In seiner Mannschaft steht er durchschnittlich am längsten auf dem Parkett (31:43 Minuten), er gibt die meisten Vorlagen (6,7), luchst den Gegnern am häufigsten den Ball ab (1,8) und erzielt die zweitmeisten Punkte (16,9). Nur sein Kollege Shane Larkin sammelt mehr (19,0).

Mit dem Amerikaner bildet Micic das derzeit womöglich stärkste Duo in der Euroleague auf den Guard-Positionen. "Larkin und Micic zu verteidigen, ist schwierig. Sie spielen gerade großartig", sagt Lucic, der seinen Landsmann ja erst bei der WM im September aus nächster Nähe erlebt hat, wo sie mit der Auswahl Serbiens den fünften Platz belegten. "Sie sind der Motor ihres Teams", fügt Lucic hinzu, "aber Efes hat noch viel mehr Qualität als nur Micic und Larkin. Das macht es so schwer."

Die mit einer Bilanz von 4:6 Siegen aktuell auf Platz zwölf der 18er-Liga liegenden Münchner machen sich jedenfalls wenig Hoffnung auf einen Erfolg in Istanbul, zumindest nach außen hin. "Es ist klar, dass dieses Spiel bei einem Favoriten eine große Herausforderung ist", sagt Trainer Dejan Radonjic: "Aber wir freuen uns drauf." Vladimir Lucic sieht das ähnlich: "Wir werden versuchen, das Spiel zu genießen und alles zu geben, was wir haben. Dann schauen wir mal, was dabei rauskommt."

In der vergangenen Saison kam wenig raus bei den beiden Vergleichen, da waren die Münchner chancenlos. Beim Saisonauftakt unterlagen sie Efes in eigener Halle 71:90, das Rückspiel verloren sie ähnlich deutlich, 77:92. Schon da demonstrierte Micic als bester Scorer der Partie mit 20 Punkten, welche Fortschritte er seit seinem Weggang aus München gemacht hat.

Auch wenn es nicht sehr wahrscheinlich ist, dass den FC-Bayern-Basketballern ausgerechnet im Sinan Erdem Dome von Istanbul der erste Auswärtssieg in dieser Euroleague-Spielzeit gelingt, so ist das auch nicht ausgeschlossen. Denn zu Saisonbeginn schwächelte Anadolu Efes gerade zu Hause: Am ersten Spieltag verlor die Mannschaft 64:74 gegen Barcelona, am zweiten bezwang sie Alba Berlin erst nach Verlängerung (106:105). Und auch Vasilije Micic ist nicht vollkommen makellos. Weil er den Ball die meiste Zeit von seinen Mitspielern bekommt und in seinen Händen hält, verliert er ihn auch am häufigsten - im Durchschnitt 3,8 Mal pro Partie. Wenn man Micic ordentlich unter Druck setzt und zu Fehlern zwingt, dann könnte was gehen. Aber auch nur vielleicht.

© SZ vom 29.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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