Basketball:Mehr als die Summe aller Einzelspieler

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Alle für einen: Die Wechselspieler helfen in dieser Szene dem gestürzten Jared Cunningham wieder auf die Beine. „Besonders in der zweiten Hälfte hat man gesehen, welch tiefe Bank wir haben“, sagte FC-Bayern-Profi Danilo Barthel, ein Vorteil, der in der späteren Saisonphase entscheidend werden kann. (Foto: Philippe Ruiz/imago)

Beim 81:68 gegen Vilnius beweisen die Basketballer des FC Bayern einmal mehr, dass sie über einen außergewöhnlichen Kader verfügen.

Von Matthias Schmid, München

Die Umarmung nach dem Spiel war innig und ungewöhnlich lange. Normalerweise beschränkt sich der körperliche Kontakt zwischen zwei Trainern auf einen flüchtigen Handschlag und ein kurzes "Glückwunsch" oder "well played", gutes Spiel. Aleksandar Djordjevic, Cheftrainer des FC Bayern, und sein Gegenüber von Rytas Vilnius, Rimas Kurtinaitis, waren sich nach dem 81:68-Sieg der Münchner Basketballer am Mittwoch im Eurocup aber besonders herzlich zugetan. Sie kennen und schätzen sich schon lange. Unter anderem waren sie sich, damals noch als Spieler, im Endspiel der Europameisterschaft 1995 begegnet, das Djordjevic mit Serbien gegen Litauen gewann. Was sie am Mittwochabend von ihren Spielern dargeboten bekamen, gefiel beiden. "Das war ein gutes Spiel", fand Kurtinaitis hinterher, "aber man hat gesehen, dass wir nicht auf dem Level der Bayern waren. Uns hat vor allem die nötige Energie gefehlt."

In der Tat waren die Münchner über die gesamte Spieldauer hinweg wuchtiger, frischer im Kopf und in den Beinen, weil Djordjevic die Einsatzzeiten seiner Spieler schön dosieren konnte. Nach einem ausgeglichenen und temporeichen ersten Viertel, das die Bayern knapp mit 23:22 für sich entschieden, vergrößerten sie anschließend ihren Vorsprung bis ins dritte Viertel hinein auf zwanzig Punkte (62:42). "Besonders in der zweiten Hälfte hat man gesehen, welch tiefe Bank wir haben", erklärte Danilo Barthel. Mit knapp 23 Minuten Spielzeit gehörte er zu den Bayern-Spielern an diesem Abend, die mit am längsten auf dem Parkett standen. Djordjevic wechselte früh, schon im ersten Viertel hatte der 50-Jährige neun Spieler eingesetzt. Bis auf Karim Jallow durften am Ende elf Profis auflaufen. Die personelle Ausgeglichenheit könnte am Ende der Saison, wenn die Titel vergeben werden, der entscheidende Vorteil für die Bayern sein.

"Die Mannschaft hat bis jetzt sehr gut gespielt und sie wird immer kompletter", sagt Uli Hoeneß

Das hohe Tempo und das laufintensive Spiel, das dadurch möglich wurde, gefielen auch Bayern-Präsident Uli Hoeneß, wie er in der Pause anmerkte. "Die Mannschaft hat bis jetzt eine sehr gute Saison gespielt und sie wird immer kompletter", sagte Hoeneß. Nachdem Spielmacher Stefan Jovic von einer Handverletzung genesen ist und wieder mitmachen kann, fehlt im hochwertig besetzten Kader nur noch Flügelspieler Vladimir Lucic (Fußbruch). An der Rückkehr von Jovic lässt sich sehr gut erklären, wie sich die Wechseloptionen von Djordjevic auf die Leistung der gesamten Mannschaft auswirken. Alle wollen spielen, alle sich empfehlen für die wirklich wichtigen Spiele. Für den Trainer ist das eine angenehme Situation, er kann ohne Leistungsverlust durchmischen und muss seine Profis nicht groß motivieren. "Alle sind heiß", wie Barthel bestätigte.

"Dass Jovic wieder dabei ist, hilft uns enorm", sagt Djordjevic. Sein Landsmann kann im Spielaufbau Anton Gavel und Braydon Hobbs nicht nur auf dem Energielevel entlasten, mit seinen außergewöhnlichen Fähigkeiten im Passspiel hebt er vor allem auch noch einmal das Niveau der Mannschaft an. Jovic kann mit einem einzigen Zuspiel die ganze Defensive des Gegners verwirren.

Noch ist der serbische Nationalspieler nach seiner Verletzung von seiner Bestform entfernt. Ihm wird deshalb das spielfreie Wochenende genauso guttun, wie den übrigen Spielern nach zuletzt fünf Auswärtspartien binnen 19 Tagen. Es ist vor allem der Reisestress, der den Profis zusetzt und die Energie aus ihren Körpern saugt. Das konnte man vor allem bei der Niederlage in der vergangenen Woche bei Fiat Turin erkennen, als alle Bayern ziemlich matt wirkten. Djordjevic gönnt seinen Spielern deshalb am Samstag einen freien Tag. Erst am Sonntagabend beginnt die Vorbereitung auf das nächste Heimspiel im Eurocup gegen St. Petersburg (Mittwoch, 19.30 Uhr). "Um unseren Fokus und unser Ziel nicht aus den Augen zu verlieren", sagt Djordjevic, "ist es wichtig, dass die Spieler mal abschalten können und nicht an Basketball und den Terminplan denken müssen."

Aleksandar Djordjevic kann dem Spiel gegen die bisher noch ungeschlagenen Russen entspannt entgegenblicken. Er kann mit seinen Spielern an allen Dingen arbeiten, die ihm wichtig sind. Zuletzt waren das die Eins-gegen-eins-Situationen. Gegen Vilnius tat sich dabei besonders Jared Cunningham hervor, der wie Devin Booker 18 Punkte sammelte. Der Amerikaner hatte sich einmal vor einem Korbleger in voller Geschwindigkeit um seinen Gegenspieler gedreht, als ob dieser kein Mensch, sondern nur eine unbewegliche Pappfigur wäre. Solche Aktionen gefallen dem Bayern-Trainer, es gehört zu seinem Selbstverständnis, dass seine Profis das Spiel lesen können, wie er sagt: "Mit ihren individuellen Stärken machen sie das ganze Team besser." Aleksandar Djordjevic will auch nach den Endspielen dieser Saison Glückwünsche seiner Kollegen annehmen.

© SZ vom 12.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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