Basketball:Kaum Zeit für Trübsal

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Duell der großen Kerle: Bayern-Center Devin Booker (li.) ist hinter Darussafaka-Center Michael Eric her. Beide zählten in Istanbul zu den jeweils besten Akteuren ihrer Teams, das dürfte auch in München so sein. (Foto: imago)

Der FC Bayern München empfängt an diesem Freitag Darussafaka Istanbul. In der zweiten Partie des Eurocup-Halbfinales will er zeigen, dass er aus der verstörenden Auftaktniederlage gelernt hat.

Von Ralf Tögel, München

Aleksandar Djordjevic hatte kürzlich das Programm seiner Mannschaft als brutal bezeichnet. Spiele im Dreitagesrhythmus, fordernde Reisen im internationalen Wettbewerb, kaum Zeit zum Relaxen. Dem Eurocup-Halbfinale vom Dienstagabend bei Darussafaka Istanbul folgt schon an diesem Freitag im Audi Dome (20 Uhr) die zweite Partie der Best-of-three-Serie, am Sonntag ist das wohl entscheidende Bundesligaduell um den ersten Platz nach der Hauptrunde, der ja bis ins Playoff-Finale Heimrecht garantiert. Und am kommenden Mittwoch könnte das entscheidende dritte Eurocup-Halbfinale folgen. Aber dieser Tage dürfte der Trainer der Basketballer des FC Bayern sogar froh sein über diese Terminhatz. Denn weil immer die nächste Aufgabe ansteht, der nächste Gegner, die nächste Besprechung, bleibt auch kaum Zeit für die Protagonisten, um trüben Gedanken nachzuhängen.

Etwa jenen an diese schrecklichen 0,7 Sekunden von Istanbul, die zum ersten Sieg in einem Eurocup-Halbfinale fehlten, ehe die Bayern in Form eines wilden Dreiers noch das 74:76 kassierten. Am Mittwochnachmittag, als der FCB-Tross in der Landeshauptstadt eintraf, drückte die traumatische Niederlage noch spürbar auf die Gemüter der Beteiligten, die Spieler suchten schnell das Weite, ein bisschen Ausruhen, bloß nicht mehr über das Erlebte grübeln. Denn das war noch brutaler als der Terminstress: Nach einer nahezu fehlerfreien Vorstellung in der ersten Halbzeit und einem überdeutlichen Vorsprung von zwischenzeitlich 23 Punkten hatten die Bayern das Spiel noch vergeigt. Irgendwie kam an diesem Abend alles zusammen, der Ballverlust elf Sekunden vor dem Ende, der Wurf von Stanton Kidd, der an diesem Abend schlecht gespielt hatte und wahrlich nicht als Dreierspezialist gilt. Denn eigentlich suchten die Türken ihren überragenden Regisseur Scottie Wilbekin, den aber verteidigten die Bayern so gut, dass er den Ball in höchster Not zu Kidd spielte. Auch der bekam keinen freien Wurf, aber der Ball fand irgendwie den Weg in den Korb und vollendete die Münchner Bauchlandung. Nun gilt es, irgendwie etwas Positives daraus zu ziehen.

"Wir werden hierher zurückkommen", versicherte Trainer Djordjevic in Istanbul

Es ist eine oft bemühte Trainerweisheit, dass es genau diese Spiele auf höchstem internationalen Niveau sind, die eine Mannschaft in ihrer Entwicklung voranbringen. Djordjevic betont das immer wieder, Marko Pesic hatte diese These nach dem entscheidenden dritten Viertelfinalsieg gegen Kasan bestätigt. In der Eurocup-Vorrunde, so sagte der FC-Bayern-Geschäftsführer, "lernt man nicht viel". Allzu oft waren die Bayern den Gegnern weit voraus, die Ergebnisse deutlich. Bisher haben sie in der Eurocup-Saison nur drei Spiele verloren. Die Vorrundenniederlage im letzten Spiel bei Reggio Emilia war bedeutungslos, die Münchner standen als Gruppensieger bereits fest. Und aus der Pleite in Turin zum Start in die Runde der Top 16, wie auch aus dem 73:80 in Kasan, wusste die Mannschaft die richtigen Lehren zu ziehen. Allein deshalb darf man gespannt sein, was dieser verstörende Abend am Bosporus verursachen wird. Ob das Erlebte in den Köpfen der Spieler Schaden angerichtet hat, oder eine Trotzreaktion hervorrufen wird.

Der Trainer hat keine Zweifel: "Wir werden hierher zurückkommen", sagte Djordjevic sichtlich gezeichnet kurz nach dem bitteren Ende. Er sprach vom dritten Spiel. Dass man diesem Gegner gewachsen ist, hatten die Bayern eine Halbzeit lang bewiesen. Das dritte Viertel war vom Coach schnell als Ursache für die Niederlage ausgemacht, der Vorsprung war viel zu schnell verspielt, die Mannschaft agierte eigenartig verschüchtert. "Wir müssen ruhiger bleiben, auch wenn sie mal einen Lauf haben und ein paar schwierige Würfe treffen", sagte Danilo Barthel nach der Rückkehr, auch seine Prognose ist klar: "Wir sind alle heiß, denn jeder, der so ein Spiel verloren hat, weiß, dass es einem auch viel Positives geben kann und dass wir daraus lernen werden." Barthel wird wieder mit Gesichtsmaske spielen. Er hatte in der Bundesligapartie in Braunschweig einen Nasenbeinbruch erlitten. "Die Maske wird mir wohl noch etwas erhalten bleiben", sagte der Nationalspieler, der sich in Istanbul nicht sonderlich davon beeindrucken ließ.

Djordjevic hat also alle Spieler an Bord, der Heimvorteil spricht zudem für die Seinen: "Dieses Mal spielen wir nicht für unsere Fans, sondern wieder mit ihnen." In eigener Halle ist der FCB im internationalen Geschäft unbesiegt, das soll so bleiben. Weiter will niemand denken, denn vor dem möglichen Entscheidungsspiel am Bosporus steht bekanntlich Berlin auf dem Terminplan. Dann werden die 0,7 Sekunden von Istanbul längst Vergangenheit sein.

© SZ vom 23.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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