Basketball:Kaum auszurechnen

Lesezeit: 3 min

Mehr Möglichkeiten: Vladimir Lucic kommt bei den Bayern immer besser in Fahrt. Gegen Jena war er mit 19 Punkten bester Münchner Werfer. (Foto: Oryk Haist/Imago)

Der FC Bayern präsentiert sich beim seriösen 98:54 gegen Aufsteiger Jena extrem variabel

Von Ralf Tögel, München

Aleksandar Djordjevic war als Erster auf Betriebstemperatur. Der serbische Basketball-Trainer des FC Bayern München versteht es wie kein Zweiter, allein mit weit aufgerissenen Augen und bösen Blicken Nachrichten zu versenden. Diese beiden gingen an Devin Booker und Nick Johnson: Booker hatte zwei schlampige Pässe gespielt, Johnson war der Ball aus den Händen geflutscht - drei Ballverluste in der Anfangsphase des Spiels, das mag kein Trainer dieser Welt. Aber die Spieler verstanden den Weckruf, kurz darauf stopfte Booker den Ball per Dunking, seine spektakuläre Spezialität, in den Korb, Johnson narrte mit einer blitzschnellen Körpertäuschung seinen Gegenspieler. Und eine knappe Stunde später war sowieso alles vergessen: Der FC Bayern München hatte beim Aufsteiger Science City Jena in sehr souveräner Manier 98:54 gewonnen.

Außer, dass die Münchner die 100-Punkte-Marke nicht geknackt haben, konnte man an diesem Auftritt schwerlich etwas Negatives entdecken. Die Leistung wurde sogar noch durch die Tatsache geadelt, dass in Johnson, Anton Gavel und Ondrej Balvin drei Akteure durch einen Virus geschwächt auf dem Parkett standen. Alex King hatte es so erwischt, dass er dick eingepackt hinter der Bank Platz nehmen musste, an einen Einsatz war nicht zu denken. Aber Djordjevic hat ja Möglichkeiten. Als er in den Anfangsminuten mit Booker nicht ganz einverstanden war, schickte er Danilo Barthel auf das Spielfeld. Der dankte ihm die Einsatzzeit mit einem feinen Auftritt und 14 Punkten. Damit war der Nationalspieler zweitbester Punktesammler der Gäste, nur Vladimir Lucic war mit 19 Zählern erfolgreicher. Auch so ein Beispiel für die Möglichkeiten der Münchner. Lucic kommt immer besser in Fahrt, zeigt spektakuläre Blocks, zieht energisch zum Korb, ist zielgenau aus der Distanz - ein kompletter Spieler.

Man darf von einer so stark besetzten Mannschaft auch einen Sieg gegen einen Aufsteiger erwarten. Aber Jena ist beileibe keine Laufkundschaft. Die Thüringer haben in Marcos Knight den besten Scorer der Liga in ihren Reihen, er erzielt im Schnitt knapp 20 Zähler pro Partie. Auch Routinier Julius Jenkins ist in dieser Disziplin weit vorne, er kommt im Schnitt auf nicht ganz 17 Punkte. Der beste Münchner? Kapitän Bryce Taylor, Rang 45, elf Punkte pro Spiel. Das ist mitnichten als Beleg für die Wurfschwäche im Kader zu deuten. Die Bayern haben vielmehr eine große Anzahl an Akteuren, die treffen. Das macht das Team variabel und schwer auszurechnen. Djordjevic favorisiert Spieler, die auf mehreren Positionen einsetzbar sind. Zur Philosophie des Serben gehört auch eine aggressive Deckungsarbeit. Mit der taucht man zwar in keiner Spielstatistik auf, gewinnt aber Titel. Und darum geht es bei den Bayern. Gegen die Münchner kam Liga-Topscorer Knight auf sechs Punkte, Jenkins nur auf zwei, die jeweils schlechtesten Marken beider Spieler.

Schon mit der ersten Aktion demonstrierten konzentrierte Bayern, wie schwer es werden würde, gegen sie zu punkten - als Maxi Kleber den ersten Korbleger von Wayne Bernard vom Brett wischte. Kleber ist dank seiner unaufgeregten Art sowie seiner brillanten Verfassung so etwas wie Everybody's Darling des deutschen Basketballs. 31 Defensivrebounds, dazu klauten die Gäste den verdutzten Jenaer Spielern noch zehn Mal die Bälle, das gefiel auch dem anspruchsvollen Serben in der Kommandozentrale: "Ich muss meinen Spielern wirklich gratulieren", sagte Djordjevic, und erinnerte daran, dass "wir vier Spieler im Krankenhaus hatten". Er schätze es sehr, dass sich seine Auswahl dennoch zu einem "großen physischen Einsatz" aufschwang. Sein Team habe diszipliniert die Vorgaben gegen Jenas starke Scorer wie Knight und Jenkins umgesetzt. Das war die einzige Sorge des Trainers, wie er zugab, doch er sah "einen sehr ernsthaften, seriösen Auftritt, und der Schlüssel war definitiv die Defense".

Die Münchner haben auch einen optischen Ertrag aus Thüringen nach Bayern importiert. Fortan rangieren sie auf dem dritten Tabellenplatz, das punktgleiche Überraschungsteam aus Bayreuth ist überholt. Ein weiterer Schritt in die gewünschte Richtung. Der nächste könnte schon in drei Tagen folgen, wenn der ungeschlagene Tabellenführer Ulm im Audi Dome gastiert (Montag, Beginn 19 Uhr). Die Schwaben haben natürlich den jüngsten Auftritt der Münchner zur Kenntnis genommen, zumal Ulm sich in Jena deutlich schwerer tat beim 84:74-Erfolg, die Partie war bis ins letzte Viertel offen. Djordjevic verriet kürzlich, dass er seiner Belegschaft keinen freien Tag gönnen kann, die Münchner absolvieren auch über Weihnachten ihr übliches Trainingspensum: "Wir haben am zweiten Feiertag das wichtige Spiel gegen Ulm, darauf werden wir uns nun voll fokussieren." Als er das sagte, war er schon wieder ganz ruhig.

© SZ vom 23.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: