Basketball:Im Schoß der Familie

Lesezeit: 3 min

Nationalspieler Jan Jagla ist nach einem Jahr zurück in München, wo sein Schwiegervater Trainer und sein Schwager Geschäftsführer ist. Im ersten Pflichtspiel mit Meister Bayern trifft er im Champions Cup auf seinen alten Klub Berlin - nicht nur für ihn ein emotionaler Moment

Von Ralf Tögel, München

Der Basketball-Profi Jan Jagla, und diese Information darf als gesichert gelten, wird im November etwas erleben, das alles, was ihm bisher Schönes in seinem Leben widerfahren ist, locker in den Schatten stellt: Jagla wird in einem Monat erstmals Vater. Und schon wäre man wieder bei seinem Beruf, denn Jagla ist mit Ivana Pesic verheiratet, der Tochter von Svetislav Pesic, dem Trainer der Basketballer des FC Bayern München - und damit dem sportlichen Vorgesetzten Jaglas. Bekanntlich ist sein Schwager Marko Pesic Geschäftsführer der Bayern und damit ebenfalls sein Chef, da bekommt die Plattitüde, dass der 33-Jährige in den Schoß der Familie zurückkehrt, eine ganz andere Dimension. Jagla ist nach einem Jahr bei Alba Berlin wieder nach München gewechselt, wo er vorher zwei Spielzeiten engagiert war. Und nun wird er im ersten Pflichtspiel der Saison, dem Champions Cup zwischen Pokalsieger Berlin und Meister München (Samstag, 20.30 Uhr) in der Hauptstadt gegen seinen alten Klub spielen.

Die Vertragsverhandlungen mit den Berlinern waren nach der abgelaufenen Saison etwas in Stocken geraten, erinnert sich Jagla, die Offerte seines vorherigen Klubs kam gerade recht. Die Bayern hatten plötzlich eine Vakanz auf den großen Positionen, denn Deon Thompson entschied sich gegen ein weiteres Jahr an der Isar und folgte dem Lockruf des Yuan nach China. Jagla indes hat nach eigener Aussage die Finanzen als nicht ausschlaggebend für seine Entscheidung erachtet, er habe genau abgewogen, zumal er eine lukrative Offerte aus Istanbul vorliegen hatte. Vieles habe eine Rolle gespielt, Jagla nennt etwa "familiäre Aspekte, Kommunikation und die sportliche Perspektive". Und er habe noch viele Freunde in München: "Natürlich ist es schön, wieder hier zu sein", sagt Jagla nun. Einer seiner alten Kumpel indes ist nicht mehr hier: Steffen Hamann hat den Klub verlassen, ihm wurde kein neuer Vertrag angeboten.

Auch Jagla wird nichts geschenkt werden beim neuen deutschen Meister, auch seine Familienbande werden ihm in dieser Hinsicht nicht helfen. Das hat er vor einem Jahr schon erfahren müssen, als sein Vertrag beim FC Bayern nicht verlängert worden war. Coach Pesic hatte sich mit ihm seinerzeit unterhalten, über die Ziele, die Neuausrichtung des Teams, über eine Back-up-Rolle. Vor einem Jahr war das zu wenig für den Power Forward, nun ist er mit der Vorstellung, von der Bank zu kommen, offenbar einverstanden. Denn die Konkurrenz im Kader ist auf seiner Position mindestens so groß wie vor seinem Wechsel nach Berlin. Was wiederum auch nichts heißen muss, denn Jagla hat bei Alba eine famose Saison gespielt. Nicht zuletzt beim großen Triumph der Berliner in der vergangenen Saison, dem Pokalsieg in Ulm, war Jagla einer der Erfolgsgaranten.

Die Fähigkeiten des 2,13-Meter-Schlakses sind angesichts seiner sportlichen Vita unbestritten, so hat er sich beispielsweise vier Jahre in der spanischen ABC behauptet, der stärksten Liga Europas, und Pokal und Uleb-Cup gewonnen. Jagla wurde mit Gdingen polnischer Meister und erreichte das Viertelfinale der Euroleague. Nach einem Jahr in Ankara wechselte er 2011 nach München. Doch der Start verlief holprig.

Jagla gilt als sensibler Spieler, sein Verhältnis zum damaligen Bayern-Trainer Dirk Bauermann galt schon in der Nationalmannschaft als belastet. So richtig kam Jagla auch in der Saison unter Pesic nicht mehr auf die Beine. Das soll nun anders werden. Jagla ist ein Spieler, der von seinem Selbstvertrauen lebt. Ausgerechnet der Rivale Berlin hat in dieser Hinsicht wertvolle Entwicklungsarbeit für den ungeliebten Kontrahenten geleistet.

Der Champions Cup ist nun der letzte Test vor dem Saisonstart am kommenden Donnerstag gegen den Mitteldeutschen BC (20.30 Uhr, Audi Dome). Die Münchner müssen allerdings auf ihren neuen Kapitän Bryce Taylor (Adduktoren), sowie Zugang Anton Gavel (Schulter) und Paul Zipser (Innenband) verzichten. Wobei die Partie gegen Berlin kein ganz normaler Test sein wird. Im Vorjahr waren diese Duelle äußerst aufgeladen, nicht zuletzt wegen der Scharmützel zwischen den Verantwortlichen. Erste Giftpfeile sind bereits wieder unterwegs, Alba-Geschäftsführer Marco Baldi hatte einmal mehr den vermeintlichen finanziellen Vorsprung der Bayern bemüht: Deren Etat sei doppelt so hoch wie der seiner Mannschaft. Er freue sich, "wenn die Bayern in 25 Jahren unsere Titelbilanz haben". Auch Albas Aufsichtsratsvorsitzender Axel Schweitzer konnte sich einen Rat an den vorbeigezogenen Rivalen nicht verkneifen und mahnte, dass die Bayern die Entwicklung vorantreiben sollten statt mit Geld um sich zu werfen. In München registriert man derlei Störgeräusche noch sehr gelassen. Marko Pesic meinte nur, dass ihm die Grundlage fehle, "um das zu kommentieren".

Jan Jagla gab indes zu, dass dieses Spiel, auch wenn es um nichts gehe, "schon etwas sehr Emotionales" sei. Nicht nur in München hat er viele Freunde, sondern auch in Berlin. Aber als Basketball-Profi "spielt man sowieso oft gegen alte Teams", das sei "nichts Ungewöhnliches", findet Jagla. Er habe ja schon einiges erlebt.

© SZ vom 27.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: