Basketball:Großes Herz, keine Flausen

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"Wir müssen uns vor niemandem verstecken": Sebastian Schmitt spielt mit den FCB-Junioren um den DM-Titel. (Foto: Claus Schunk)

Sebastian Schmitt reist mit den U-19-Basketballern des FC Bayern zur DM-Endrunde

Von Matthias Schmid, München

Als Sebastian Schmitt in seiner Mittagspause die leere Rudi-Sedlmayer-Halle betritt, bleibt sein Blick an einem Trikot hängen, hoch oben unterm Hallendach. Seit Kurzem erst sind die badewannengroßen Banner dort angebracht, als Reminiszenz für zwei Profis mit bewegter Biografie, die den wundersamen Weg des FC Bayern von der zweiten Liga bis zum Meisterschaftsgewinn im vergangenen Jahr auf dem Parkett begleitet haben. Es gehört zur Folklore im internationalen Basketball, dass die Rückennummern hochdekorierter Spieler nicht mehr vergeben werden, Steffen Hamann (Nummer 6) und Demond Greene (Nummer 24) sind nun die ersten der Bayern-Basketballer, denen diese Ehre zuteil wird.

Ob jemals das Trikot von Sebastian Schmitt in der Halle schweben wird, kann niemand seriös voraussagen, er steht erst am Anfang, er ist zwar sehr begabt, einer der besten Aufbauspieler seines Alters in Deutschland, im Profi-Basketball ist er allerdings noch ein Azubi, ein Niemand. Der 19-Jährige selbst würde nie auf die Idee kommen, großspurige Ankündigungen in die Welt hinauszuposaunen, er ist dafür zu gut erzogen, zu intelligent, jeder Satz von ihm klingt wohldurchdacht wie bei einem Minister in der Regierungskrise. Doch am Wochenende könnte sich Schmitt wie Hamann und Greene als deutscher Meister feiern lassen, mit den U19-Junioren des Klubs hat er sich für die Endrunde qualifiziert. An diesem Samstag treffen die Münchner in Hagen zunächst im Halbfinale auf Titelverteidiger Alba Berlin, der Sieger bekommt es im Endspiel dann mit Frankfurt oder dem Gastgeber zu tun. "Wir haben eine starke Mannschaft und müssen uns vor niemandem verstecken", sagt Schmitt.

Vor fast fünf Jahren war er von der DJK SB Rosenheim zum FC Bayern gewechselt, die beiden Vereine kooperieren in der Jugendarbeit. "Anfangs bin ich mit fünf Rosenheimer Jungs zwei- bis dreimal die Woche mit dem Zug zum Training gefahren" erzählt Schmitt, der in Kolbermoor aufgewachsen ist. Sein wichtigstes Jahr, seit er in München spielt, liegt nun aber fast hinter ihm. Es war ein Selbstversuch, ein Experiment, auch ein Wagnis. Nach dem Abitur im vergangenen Jahr "habe ich geschaut, ob der Berufsbasketball für mich überhaupt taugt", sagt Schmitt. Er wollte ganz sicher gehen, ob er tatsächlich sein Hobby zu seiner Profession machen soll. Er war deswegen von zu Hause ausgezogen, hat das bequeme "Hotel Mama" verlassen, wie er es nennt, zum ersten Mal in seinem Leben hat er selbst waschen, einkaufen und kochen müssen. "Mittlerweile genieße ich das sogar", sagt Schmitt, der mit seinem Teamkollegen Marvin Ogunsipe in einer WG lebt. Aber noch viel wichtiger als die neue Freiheit war ihm der Erkenntnisgewinn, dass Basketball genau das ist, was er machen will. "Mir macht es großen Spaß, zweimal am Tag zu trainieren und mich voll dem Sport zu widmen", sagt Schmitt.

Seinen früheren Trainer Felix Czerny überrascht Schmitts Berufswahl nicht. "Basti liebt und lebt Basketball. Er ordnet dem Sport alles unter und verzichtet auf vieles, um seinen Profi-Traum wahr werden zu lassen." Auch Czernys Nachfolger beim U19- und Regionalligateam, Oliver Kostic, hebt vor allem Schmitts großes Herz und Leidenschaft hervor, seinen Spielwitz, mit dem er Mitspieler lenkt. "Mir imponiert, dass er jeden Tag besser werden will", sagt der Serbe.

Schmitt hat für sein Alter schon eine Reife, die Trainer bei Gleichaltrigen oft vermissen, er hat auch keine Flausen im Kopf. Sein Hang zum Perfektionismus steht ihm dabei nicht im Weg, im Gegenteil. Er hilft ihm, sich auch die nötigen Pausen zu gönnen. "Wir jungen Spieler neigen ja manchmal dazu, mit dem Training zu übertreiben." Das klingt ein wenig altklug, aber Schmitt orientiert sich eben an den Besten, er sieht fast täglich die Profis des FC Bayern in der Halle trainieren. Als Cheftrainer Svetislav Pesic Ende 2014 viele Absenzen beklagen musste, durfte der 1,84 Meter große und eher schmächtige Schmitt mit den Profis trainieren. "Da habe ich erst richtig begriffen, wie hart die alle trainieren und wie sehr ich vor allem noch meine Athletik verbessern muss." Immerhin tauscht er sich öfter mit Vasilije Micic aus, der nur zwei Jahre älter als er ist, aber bei den Profis als Spielmacher schon eine prägende Rolle hat. Manchmal kommen er oder Heiko Schaffartzik und Anton Gavel auch auf ihn zu, um ihm zu helfen. Zum Beispiel nach dem Viertelfinalsieg gegen Breitengüßbach, als die Profis den Junioren zugeschaut hatten.

Schmitt würde gerne bleiben. Sein Ausbildungsvertrag endet aber nach dieser Saison. Gespräche mit den Bayern stehen an. Ein Wechsel in die zweite Liga würde ihn reizen. "Aber einen besseren Trainer als Oliver Kostic gibt es dort auch nicht", sagt Schmitt. Er möchte sich erst einmal das Jersey der Profis in einem Pflichtspiel überstreifen, das Trikot unterm Hallendach im Blick.

© SZ vom 16.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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