Basketball:Frage des Glaubens

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Was sagt dieser Blick? Sicher nichts Gutes, wenn man Basketball-Profi beim FC Bayern München ist. (Foto: Bernd König/imago)

Der nachlässige Auftritt in Berlin hat dem FC Bayern nicht nur den 1:1-Ausgleich im Playoff-Achtelfinale beschert. Er hat Berlin auch die Zuversicht zurückgebracht.

Von Ralf Tögel, München

Die letzten Minuten der Partie verfolgte Aleksandar Djordjevic auffallend ruhig. Mit verschränkten Armen stand er neben dem Spielfeld in der Berliner Arena und beobachtete im Getöse der 11 666 Zuschauer, wie seine Mannschaft das zweite Playoff-Viertelfinale aus der Hand gab, wie jeder Fehler eines Münchner Spielers dem Gegner weitere Energie zuführte, wie die Basketballer des FC Bayern mit 76:83 Punkten verloren. Weshalb sie vor dem dritten Spiel an diesem Samstag im heimischen Audi Dome (20.30 Uhr) wieder stärker unter Druck steht.

Man hätte in jenem Moment gerne Einblick in die Gedankenwelt des Bayern-Trainers gehabt, als er mit leerem Blick das Treiben auf dem Feld zur Kenntnis nahm, seine funkelnden Augen verrieten aber auch so genug. Denn aus Sicht Djordjevics kam diese Niederlage reichlich unnötig zustande. Hatte er nicht eindrücklich vor der Reaktion der Berliner gewarnt, hatte er nicht an ihren Stolz erinnert? Und hatte er nicht gemahnt, sich nur nicht von der Überlegenheit im ersten Spiel (95:68) blenden zu lassen? Genau diesen Eindruck konnte man aber gewinnen, zumal die Münchner trotz aller Gegenwehr der verbissen kämpfenden Gastgeber die erste Halbzeit kontrollierten. Das erste Anlaufen der Berliner und den 2:7-Rückstand konterte der FCB noch unaufgeregt zu einem eigenen Vorsprung. Auch zu Beginn des zweiten Viertels, als Berlin wieder in Führung ging, antworteten die Gäste mit Ruhe und Übersicht - wenn nötig legten sie zu. Es fiel dem FCB auch nicht sonderlich schwer, den Vorsprung rechtzeitig zur Pause auf neun Punkte (50:41) zu hieven. Durch einen Dreier von Reggie Redding, der mit seiner Lässigkeit wie kein Zweiter Zuversicht versprühte. Es schien alles den erwarteten Gang zu gehen, wenn nötig, dann rafft sich schon irgendeiner aus dem edlen Münchner Ensemble auf und stellt die Verhältnisse klar. Immer wieder war diese Tiefe im Kader als Münchner Alleinstellungsmerkmal ausgemacht worden. Was sollte schon passieren?

Eine souveräne Halbzeit reicht nicht, am Samstag sind die Bayern wieder unter Druck

Selbst nach der Pause, als die Berliner noch giftiger aufs Parkett stürmten, war von Unsicherheit auf Münchner Seite wenig zu spüren. Erst als Alba Punkt um Punkt näher kam, als Berlin mit einem 10:0-Lauf die Führung zurückeroberte, schienen die Bayern zu realisieren, dass sie längst einen großen Fehler gemacht hatten: Sie hatten Alba den Glauben zurückgegeben. Den Glauben daran, dass sie gegen diesen Gegner bestehen können. Dass sie dieses Team, das ein paar Tage vorher noch so unantastbar wirkte, schlagen können. Und als ob den Münchnern dieses Versäumnis schlagartig bewusst wurde, reagierten sie alles andere als souverän. Vor allem Spielgestalter Nick Johnson wollte es in dieser Phase erzwingen. Keine gute Idee, vielleicht hatte er noch das Pokal-Halbfinale an gleicher Stelle vor Augen, als er dem Gegner mit seinen Dribblings und Korblegern maßgeblich zugesetzt hatte. Doch dieses Mal war Alba vorbereitet, ein ums andere Mal verhedderte sich der junge Amerikaner in den langen Armen der Berliner Abwehr, bis ihn Djordjevic vom Feld holte. Mit 21:8 ging das Viertel an Berlin, sie hatten die Wende erkämpft, vor allem in den Köpfen. Und sie hatten mit ihrem leidenschaftlichen Kampf die 11 666 Zuschauer reanimiert. Plötzlich gab es Playoff-Atmosphäre.

Das Spiel war keinesfalls von guter Qualität, aber es war hitzig, physisch, hektisch, spannend, eng, all das, was man von diesen finalen Serien erwarten darf. 62:58 führte Alba vor dem letzten Viertel, aus Münchner Sicht kein Grund zur Panik, vier Punkte sind im Basketball nichts. Doch das Momentum war längst auf Seiten der Gastgeber. Djordjevic präsentierte den statistischen Beweis: "Wir hatten 13 Ballverluste und haben sieben Freiwürfe vergeben in der zweiten Hälfte, was soll ich dazu sagen?" Dann nämlich verwirft plötzlich ein international gestählter Spieler wie Vladimir Lucic zwei wichtige Freiwürfe, dann unterläuft dem ansonsten so zuverlässigen Kapitän Bryce Taylor ein fataler Fehlpass. Und dann trifft Alba-Spielmacher Peyton Siva, der angeschlagen ins Spiel ging und wahrlich keine gute Saison spielt, ein schwieriger und vorentscheidender Dreier. So kämpften die Berliner den 1:1-Ausgleich in der Best-of-five-Serie nach Hause, was ihnen etwas viel Wichtigeres einbrachte: Die Gewissheit, dass sie diesen Gegner schlagen können - was ihnen in der Saison bislang nicht gelungen war.

Und die Bayern? Nichts passiert eigentlich, der Heimvorteil ist weiter in München. Aber die Mannschaft muss fortan mit der unangenehmen Neuigkeit leben, in der ersten kritischen Phase der Playoffs unsouverän reagiert zu haben. Was freilich kein Muster sein muss, Trainer Djordjevic hatte schon die letzte Niederlage in der Hauptrunde nach der Rekordsiegesserie als heilsamen Schock verbucht.

Er wird seine Spieler erneut daran erinnern, dass alles andere als 100 Prozent nicht reicht. Er wird sie wieder davor warnen, den Gegner zu unterschätzen. Die Frage ist, wie genau sie ihm zuhören.

© SZ vom 13.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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