Basketball:Er spricht

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Der Denker und sein Lenker: FCB-Trainer Dejan Radonjic berät sich mit Point Guard Stefan Jovic. (Foto: Jan Huebner/imago)

Stefan Jovic ist kein Mann großer Worte. Viel lieber lässt er seine Mitspieler glänzen. Doch er hat auch dazugelernt beim FC Bayern - nicht nur auf dem Feld.

Von Matthias Schmid, München

Als sich Stefan Jovic nach einer Trainingseinheit am Dienstagmittag im Audi Dome auf einen Klappstuhl neben dem Parkett setzt, wird schnell klar, dass er sich nicht besonders wohlfühlt in diesem Moment. Er rutscht hin und her, vor, zurück, er sucht nach so etwas wie Halt. Seine Augen schweifen immer wieder ab aufs Spielfeld vor ihm, wo seine Teamkollegen vom FC Bayern, Maodo Lo und Nemanja Dangubic, mit Cheftrainer Dejan Radonjic noch ein paar Würfe aus dem Dribbling heraus üben. Jovic ist freundlich, offen, aber man spürt, dass er jetzt lieber woanders wäre. Es ist das erste Mal, dass sich der Basketballer des deutschen Meisters Zeit nimmt für ein längeres Gespräch auf Englisch. "Ich rede jetzt häufiger in der Sprache mit meiner Frau", erzählt der Serbe, der im Sommer vergangenen Jahres aus seiner Heimat nach München übergesiedelt ist. Auch Deutsch spreche er mittlerweile ein bisschen, erwähnt er. Jeden Morgen begrüße er seine Frau mit "kleiner Schatz".

Jovic lacht. Mit jedem Satz wird er lockerer, er redet flüssig, manchmal sucht er nach einem passenden Wort, überlegt, sagt etwas auf Serbisch, bis ihm das richtige einfällt. "Als Point Guard muss ich viel kommunizieren", hebt er hervor. Vor allem mit seinem Trainer. Mit Radonjic kann er sich in seiner Muttersprache austauschen, mit dem Montenegriner arbeitet er mittlerweile im fünften Jahr zusammen, mit Pausen. Bevor Radonjic im Frühjahr dieses Jahres einen Vertrag beim FC Bayern unterschrieb, hatten die beiden schon bei Roter Stern Belgrad erfolgreich gewirkt und einige Titel mit dem serbischen Spitzenklub gewonnen. Sie vertrauen sich und wissen, was sie voneinander haben. Das tut vor allem Jovic gut. Der 28-Jährige ist in dieser Spielzeit einer der auffälligsten Spieler im Dress des FC Bayern. Er ist der Dirigent eines hochbegabten Ensembles, das hier und da noch ein paar Dissonanzen im Zusammenspiel aufweist, aber schon angedeutet hat, dass es gut genug ist, um die besten europäischen Mannschaften in der Euroleague in große Verlegenheit zu bringen. "Wir sind stärker als im vergangenen Jahr", sagt Jovic vor dem nächsten Heimspiel in der Euroleague an diesem Donnerstag (20 Uhr, Audi Dome) gegen Darussafaka Istanbul. "Aber wir benötigen noch ein paar Trainingseinheiten, um auch die neuen Spieler noch besser zu integrieren."

Als Spielmacher hat er da natürlich großen, identitätsstiftenden Einfluss, er ist der Vertrauensmann des Trainers, der Spieler, der den Rhythmus vorgibt, er muss das Spiel mit seinen Pässen so strukturieren, dass die unterschiedlichen Spieler möglichst perfekt miteinander harmonieren. "Ich muss schauen, was das Beste für die Mannschaft ist und all das umsetzen, was wir im Training einstudiert haben", sagt Jovic. Er ist ein Artist am Ball, ein Profi mit fast hellseherischen Fähigkeiten, weil er Spielzüge früher als andere vorausahnt. In einem Interview hat er sich mal als Spielmacher alter Prägung bezeichnet, "ich werfe nicht so viel", beschrieb er seinen Stil, viel mehr mag er es, mit visionären Pässen die Mitspieler besser aussehen zu lassen.

Bis heute hält er in der Euroleague, dem höchsten europäischen Klubwettbewerb, mit 19 Assists den Rekord für die meisten Korbvorlagen in einem Spiel. Aufgestellt hat er die Bestmarke vor drei Jahren beim Sieg mit Roter Stern in München. Zwei Jahre später schloss er sich dem FC Bayern an, es war sein erster Job außerhalb Serbiens. Seine Eingewöhnungszeit dauerte länger, als alle erwartet hatten. Jovic war den gesamten Sommer über für die Nationalmannschaft aufgelaufen, er kam ermattet und überspielt in Bayern an und verletzte sich auch noch. Am Rücken, am Fuß und an der Hand. Es war nichts Dramatisches, aber schmerzhaft genug, um nicht richtig trainieren und spielen zu können. Erst in der Meisterrunde war er körperlich wieder so hergestellt, dass er mithelfen konnte, die deutsche Meisterschaft zu gewinnen. Danach erholte er sich ausgiebig, zwei Monate gönnte er sich am Stück. "Ich bin nun vollkommen gesund", versichert Jovic.

Er freut sich auf das Spiel gegen Darussafaka, weil die Bayern-Profis etwas gutmachen wollen. In der vergangenen Saison waren die beiden Teams im Halbfinale des zweitklassigen Eurocups aufeinander getroffen, im ersten Spiel führten die Münchner in Istanbul mit 23 Punkten, ehe sie das Spiel auf fast groteske Weise noch verloren, weil sie Scottie Wilbekin nicht mehr verteidigen konnten, der plötzlich aus allen Lagen traf. Der Amerikaner war auch im Rückspiel Münchens Albtraum. "Er hat uns zerstört", sagt Jovic, "jetzt ist er nicht mehr dabei." Wilbekin ist zu Maccabi Tel Aviv weitergezogen. "Wir haben eine gute Chance, das Spiel zu gewinnen", glaubt der Serbe. Das hat auch mit ihm zu tun. Er hat sich weiterentwickelt, er hat seinem Spiel ein paar bemerkenswerte neue Features moderner Prägung hinzugefügt, er ist kein reiner Ballverteiler mehr, sondern vermag nun auch selber häufiger zu punkten, sein Distanzwurf ist stabiler geworden und er zieht nun häufiger zum Korb, als kenne er da eine Abkürzung. Aber über seine neuen Stärken mag er nicht groß sprechen. "Basketball ist ein Teamsport", sagt er dann, "es geht nicht um einen einzelnen Spieler, wenn wir unsere Ziele erreichen wollen." Dann erhebt sich Stefan Jovic von seinem Stuhl, er hat nun wirklich genug gesprochen. Irgendwie wirkt er erleichtert.

© SZ vom 08.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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