Basketball:Einfacher Plan

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Mit einem Heimsieg gegen Vechta können die Basketballer des FC Bayern ins Playoff-Finale um die deutsche Meisterschaft einziehen - sie müssen nur ihre Qualität aufs Parkett bringen

Von Ralf Tögel, München

Um zu sehen, dass Derrick Williams Spaß an seinem Beruf hat, muss man ihn nur einmal im Training beobachten. Wenn er durch die Halle schreitet, springt oder rennt, hat er fast immer ein Lachen im Gesicht. 428 Partien hat der Basketball-Profi in der besten Liga der Welt gespielt, Millionen an Dollar verdient, Williams hat gegen die Besten in der NBA gespielt, war Teamkollege von LeBron James - nun geht er voll in der Rolle auf, Rasta Vechta aus dem Playoff-Halbfinale um die deutsche Meisterschaft zu kegeln. FCB-Geschäftsführer Marko Pesic sagte kürzlich, er habe noch nie einen Basketball-Profi von diesem Kaliber gesehen, der mit "so viel Enthusiasmus" für seinen Verein zu Werke geht, wie dieser Derrick Williams.

"Ich will immer spielen", sagt Williams grinsend, der auch kein Problem hat, sich in den Dienst der Mannschaft zu stellen. Wie am Dienstag beim Auswärtssieg in Vechta, als er nicht mit spektakulären Offensivaktionen glänzte, sondern schnöde Defensivarbeit verrichtete. Im dritten Vergleich an diesem Samstag (20.30 Uhr) vor eigenem Publikum wird sich das wahrscheinlich wieder ändern, zumal Williams im ersten Spiel der Best-of-five-Serie sogar ganz gefehlt hatte, die Wade zwickte, doch die Verletzung sei weitgehend auskuriert: "Es geht von Tag zu Tag besser, jetzt bin ich nahe an 100 Prozent", sagt der 28-Jährige zu seiner momentanen körperlichen Verfassung, gerade rechtzeitig findet er, denn "es stehen die wichtigen Spiele bevor." Vieles spricht nach dem souveränen 89:71-Sieg in Vechta für den Meister, zumal der Aufsteiger wirkte gerade in den letzte Minuten der Partie arg ausgepumpt. Spielmacher T. J. Bray schleppte sich gar mit Krämpfen auf die Bank, auch die ungewöhnlich hohe Fehlerquote im Spiel der Gastgeber deutete doch auf den immensen Substanzverlust im Verlauf der bisherigen Saison hin.

Vor allem das Viertelfinale, das Rasta mit 3:1 gegen den ehemaligen Serienmeister Bamberg beendet hatte, dürfte mehr Substanz gekostet haben, als das problemlose Viertelfinal-3:0 der Bayern gegen Braunschweig. Vechta musste auch noch ohne zwei seiner Besten auskommen, für Center Clint Chapman (Innenbandriss) und Seth Hinrichs (Handbruch) schien die Saison vorzeitig beendet. Doch so rechtzeitig wie überraschend standen beide für die Serie gegen den Titelverteidiger wieder auf dem Parkett, bisher umsonst.

"Ich glaube schon, dass es ein Vorteil ist, dass unsere tiefe Bank ein Vorteil ist", sagt Maodo Lo. Es ist das Alleinstellungsmerkmal des Meisters, keine Konkurrent hat so viel Qualität im Kader. Während bei Vechta die Last auf die Schultern von fünf, sechs Spielern verteilt ist, hat der Meister zwölf Akteure im Aufgebot, von denen keiner einen signifikanten Niveauverlust bedeutet. Bestes Beispiel für derlei wichtige Entlastung ist Alex King, der Routinier verteidigt giftig und trifft nahezu fehlerfrei, hat Stärken im Rebound und im Distanzwurf - und wenn er aufs Feld kommt, kann er dies immer sofort abrufen. Oder Braydon Hobbs, der den Ruf des exzellenten Distanzschützen genießt, wegen der Ausländerregel aber bisher nur ein einziges Playoffspiel absolvierte. Über einen wie Hobbs wäre Gegner Vechta sicher hoch erfreut, in München zahlt er den Preis dafür, in einem europäischen Topteam zu spielen.

Bayern-Trainer Dejan Radonjic hat eine angenehme Erkenntnis: "Wir sind besser."

Während die Schlüsselspieler bei den Niedersachsen also kaum Pausen bekommen, kann Bayern-Coach Dejan Radonjic die Spielanteile in verträglichem Maß auf die Spieler dosieren. In vier der fünf Playoff-Spiele bisher wechselte der Topscorer, lediglich Williams war zweimal bester Punktesammler. "es spricht für unser Team, dass wir Spieler wie Lucic oder King haben, die im rechten Moment zur Stelle sind", sagt auch Williams, sein fehlen vor Wochenfrist fiel daher nicht sonderlich ins Gewicht. Williams hätte auch die Namen Maodo Lo, Nihad Djedovic, Petteri Koponen, Danilo Barthel, Devin Booker oder Stefan Jovic nennen können, dieser geballten Klasse an Euroleague-erfahrenen Akteuren kann Vechta vornehmlich das Kämpferherz des eigentlich Chancenlosen entgegensetzen. "Die kämpfen schon krass", sagt Lo, "es ist ganz schön unangenehm, gegen die zu spielen." Vechta spiele zwar "mit einer kleinen Rotation", doch die Aggressivität, der Einsatz, der unermüdliche Kampfgeist habe ihn schon beeindruckt. Vor allem im ersten Spiel, so Lo, "das war schon schwierig", gibt der Spielmacher zu, doch mittlerweile sei der Gegner dechiffriert: "Wir wissen jetzt, was kommt, kennen ihren Plan besser."

Alles andere als ein weiterer Heimsieg der Bayern wäre eine Überraschung, gleichwohl werde man sehr fokussiert an die Aufgabe herangehen, sagt Williams. Nur dieses nächste Spiel sei von Interesse, alle weiterführenden Gedanken seien vertagt. "Ich bin hier und will den Titel gewinnen", sagt Williams, danach werde er sich Gedanken über die Zukunft machen.

Den Fokus hochhalten und die eigene Qualität auf das Parkett bringen, so lautet der einfache Plan des Trainers. "Wir sind auf alles vorbereitet", sagt Radonjic, in den Playoffs hat sich die Mannschaft stetig zu steigern gewusst, was ihn zu einer äußerst angenehmen Erkenntnis bringt: "Wir sind besser."

© SZ vom 07.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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