Basketball:E.T. fremdelt noch

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Ich habe eine Überraschungsmannschaft: Heftige Aufs und Abs innerhalb eines Spiels begleiten Bayern-Chefcoach Sasa Djordjevic so zuverlässig wie plötzliche Regenschauer die Menschen in England. (Foto: Oryk Haist/Imago)

Beim Eurocup-Erfolg in Murcia zeigt der FC Bayern starke Leistungsschwankungen. Bis Nick Johnson aufdreht und die Partie entscheidet

Von Matthias Schmid, München

Auch in Murcia schaute Nick Johnson mit weit aufgerissenen Augen einmal den Schiedsrichter an, als stünde nicht ein Mensch vor ihm, sondern ein Außerirdischer. In diesen Momenten fühlt sich der neue Spielmacher des FC Bayern tatsächlich selbst wie E.T., gestrandet auf einem fremden Planeten. Denn der Basketball in den USA, wo Johnson bisher spielte, unterscheidet sich doch mehr vom europäischen, als es den Anschein macht. Zum Beispiel beim Dribbling. Daheim in den Staaten darf er loslaufen, ohne den Ball vorher prellen zu müssen, in Europa muss er erst prellen, bevor er losläuft. Es sind diese kleinen, aber feinen Unterschiede, die Johnson noch lernen muss, seit er vor ein paar Wochen nach München übergesiedelt ist, um in der Basketball-Bundesliga anzuheuern. Der 23-Jährige ist noch immer auf der Suche nach sich selbst, nach seinem Spiel, die Pfiffe der Schiedsrichter verkomplizieren den ganzen Prozess.

Im Eurocup-Spiel am Mittwochabend in Murcia hat der frühere NBA-Spieler der Houston Rockets (28 Einsätze) aber erahnen lassen, wie er das Spiel der Münchner prägen und auf ein neues Niveau hieven könnte. 16 Punkte sammelte er am Ende beim 90:79-Sieg, alle Körbe gelangen ihm nach anfänglichen Problemen im Schlussviertel. "Bei mir hat lange nichts geklappt", gab der Amerikaner zu, "das Wichtigste ist, dass du trotzdem weiter fightest und dranbleibst." Dieses Arbeitsethos hat auch Marko Pesic imponiert, der zufrieden feststellte: "Nick hat uns zum richtigen Zeitpunkt viel gegeben und hat gezeigt, was er kann."

Der Bayern-Geschäftsführer hofft, dass Johnson diese Leistung helfen werde, sein Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zu steigern. Die Partie in Murcia deutete an, dass Johnson ein Spieler ist, der gerne vorangeht, für den Verantwortung keine Bürde, sondern ein Antrieb ist. "Nick hat das Spiel entschieden", lobte auch Bayern-Cheftrainer Sasa Djordjevic. Neben Johnson war Maximilian Kleber mit 20 Punkten und zehn Rebounds auffälligster Bayern-Profi. Der Nationalspieler hatte mit einem Distanzwurf die Bayern kurz vor der Pause wieder auf fünf Punkte herangebracht (43:48). Nach einem guten Start der Münchner (18:13) hatte Murcia Punkt für Punkt aufgeholt und sogar die Führung übernommen, "weil wir uns durch die Schiedsrichterentscheidungen aus dem Rhythmus hatten bringen lassen", wie es Pesic ausdrückte.

Sogar sehr schmerzhaft endete ein unterlassener Pfiff der Unparteiischen für Münchens Flügelspieler Vladimir Lucic, der den Ellbogen seines Gegenspielers so schlimm an den Kopf bekam, dass er zunächst benommen in der Kabine bleiben musste. Hinzu kamen die unerklärlichen 14 Ballverluste, die auch Djordjevic in der Pause moniert hatte, weshalb er seinen Spielern ins Gewissen redete, um sie dann beckenbaueresk aufzufordern, rauszugehen und "endlich Basketball zu spielen".

Derartige Leistungsschwankungen innerhalb eines Spiels begleiten die Bayern in dieser Spielzeit bisher so zuverlässig wie Regenschauer die Menschen in England. Doch Geschäftsführer Pesic will die extremen Ausschläge überhaupt nicht dramatisieren, im Gegenteil. Der ehemalige Nationalspieler hat dafür eine simple Erklärung parat. "Wir haben auch gegen Murcia mit einer großen Rotation gespielt, und da ist es ganz normal, dass noch nicht alles im Fluss sein kann", erklärte Pesic und fügte hinzu: "Im Hinblick auf die lange Saison ist es aber wichtig, dass jeder Spieler seinen Teil beitragen kann, und wir sind schon viel stabiler, als ich das selbst zu diesem frühen Zeitpunkt in der Saison geglaubt hätte."

Der 39-Jährige verschwendet deshalb auch überhaupt keinen Gedanken daran, noch einen Spieler abgeben zu wollen. Spanischen Medienberichten zufolge hat der FC Barcelona Interesse an einer zeitnahen Verpflichtung von Spielmacher Alex Renfroe. "Ich weiß davon nichts", versicherte Pesic, "mit mir hat darüber weder Alex noch Barcelona gesprochen." Nach der Verpflichtung von Johnson muss Trainer Djordjevic in der Bundesliga stets einen ausländischen Spieler pausieren lassen, weil das Reglement nur sechs Profis mit fremdem Pass vorsieht und die Bayern mittlerweile auf sieben ausländische Fachkräfte kommen.

Am Samstag beim Tabellenletzten Hagen wird höchstwahrscheinlich Lucic aussetzen müssen, dem es nach Auskunft von Pesic aber schon wieder besser geht. Lucics Genesung kommt es entgegen, dass der Bayern-Tross ohnehin geplant hat, seinen Spanien-Aufenthalt bis Freitag zu verlängern, sogar direkt am Meer. In Alicante bereitet Djordjevic seine Spieler auf die Partie in Hagen vor, ehe die Bayern nach Düsseldorf aufbrechen. "Wir haben gute Trainingsbedingungen hier und sparen uns einen Flug", sagt Marko Pesic. Am Mittwoch geht es dann im Eurocup mit dem Heimspiel gegen Malaga weiter. Mit einem weiteren Sieg käme München seinem Ziel näher, als Gruppenerster die Vorrunde zu beenden. Nick Johnson bekommt also weitere Spiele, um sich dem Basketball auf dem fremden Kontinent anzunähern.

© SZ vom 25.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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