Basketball:Drachen ohne Kopf

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Der FC Bayern setzen mit dem 77:63-Sieg bei den Artland Dragons ein weiteres Achtungszeichen. Auch weil sich langsam das Münchner Lazarett lichtet, dürfte die Konkurrenz gewarnt sein

Von Ralf Tögel, München

Nach getaner Arbeit setzt sich Svetislav Pesic gerne erst einmal hin und wirft in aller Ruhe einen Blick auf die Zahlen. Eindrücke verfestigen, das gerade Erlebte überprüfen, zusätzliche Erkenntnisse gewinnen. Also nahm er nach dem Spiel seiner Basketballer bei den Artland Dragons im Presseraum Platz und sah sich die Statistiken der Partie an. Es dürfte ihm gefallen haben, denn neben dem 77:63-Endergebnis für seine Mannschaft, dem im Nachgang einzig bedeutsamen Wert, fand er ein paar beeindruckendere Zahlen.

In der Spalte seines Centers John Bryant etwa, der im Team der Bayern zu einem immer wichtigeren Faktor wird und mittlerweile ein beachtlich hohes Niveau in seinem Spiel bietet. Bryant ist bekanntlich aus Ulm an die Säbener Straße gewechselt, war plötzlich nicht mehr der Spieler zu dem alle aufblickten sondern einer von vielen. Ein kleiner Kulturschock, er musste erst einmal ordentlich abspecken, sich eine professionellere Einstellung zu seinem Beruf aneignen. Dieser Prozess scheint abgeschlossen, der 2,11 Meter große Amerikaner kommt zwar nicht mehr so wuchtig daher, dafür bringt er andere Stärken ins Spiel ein. Bryant ist nicht nur unter dem Brett eine Macht, er hat auch ein besonders feines Händchen.

Das durften auch die 3000 Zuschauer in der ausverkauften Artland Arena bewundern, in Zahlen: 17 Punkte, 15 Rebounds, drei von vier Dreiern, 75 Prozent Wurfquote. Zusammen mit Vladimir Stimac, immerhin WM-Silbermedaillengewinner mit der serbischen Auswahl, bildete er ein rotes Duo, mit dem die Dragons überfordert waren. Das Spiel unter dem Korb war an diesem Abend Münchner Domäne. Lässt sich für Bryant feststellen, dass seine Möglichkeiten noch nicht ausgeschöpft sind, so muss man für Stimac sagen, dass er sich erst in der Ausbildung befindet. Beim Lehrer seiner Wahl, Svetislav Pesic ist nicht nur ein bekennender Fan von willigen Hochtalentierten, er hat das Niveau seines wissbegierigen Landsmanns schon im ersten halben Jahr sichtbar hochgeschraubt.

Doch nicht nur in der Zone waren die Bayern dem Tabellensiebten deutlich überlegen, der tiefe Kader der Gäste beeindruckte auf allen Positionen. Vor dem Spiel war die Frage aufgetaucht, wer denn nun der bessere Spielmacher sei: Quakenbrücks David Holston, der sich ob seiner für einen Basketballer geringen Körpergröße von 1,68 Metern mit dem dümmlichen Spitznamen "Zauberzwerg" herumärgern muss, oder Münchens Zugang Anton Gavel. Die Antwort war schnell gegeben, Gavel ist einer der besten Abwehrspieler der Liga, er nahm Holsten sofort aus dem Spiel und damit den Drachen den Kopf. Dieser Wert ist zwar nicht auf dem Statistikbogen abzulesen, Pesic weiß aber um den Wert seines Spielgestalters. Es war eine Demonstration des deutschen Meisters, der sein Tief wohl durchschritten hat. Die schlimme Verletzungsserie nimmt zusehends ein Ende, auch Vasilije Micic und Robin Benzing sind seit Mitte vergangener Woche wieder im Mannschaftstraining. Fünfmal hat der Meister nun in Serie gewonnen, der für Bamberg ehrabschneidende 90:52-Auswärtssieg des Meisters in Freak City war das dringend benötigte Schlüsselerlebnis. Zumal dies in einer Phase gelang, als sich das Verletzungspech des deutschen Meisters mit dem Unglück von Bo McCalebb ein letztes Mal aufzubäumen suchte.

Seither bieten die Münchner Konstanz auf hohem Niveau, drei Siege im Eurocup - zwei davon auswärts - haben das Erreichen des Achtelfinales als Gruppenerster mehr als wahrscheinlich gemacht. In der Liga hinkt der Meister mit sechs Punkten Abstand auf Berlin zwar noch deutlich hinterher, doch den Abstand zum Zweiten Bamberg können die Münchner bald selbst korrigieren. Zuletzt waren giftige Fragen aufgetaucht, etwa ob man sich bei der Kaderzusammenstellung vergriffen hat. Dem ist ganz offenbar nicht so, vielmehr muss die Konkurrenz befürchten, dass der FCB noch nicht am Top-Level angelangt ist.

Eine Frage aber bleibt offen: Was geschieht mit McCalebb. Der wird nicht mehr ins Team zurückkehren, sein Vertrag läuft bis Ende Februar und die Daumen-Operation setzt ihn darüber hinaus außer Gefecht. Die Frage ist, ob er seinen Kontrakt nochmals verlängert, bis zum Saisonende, etwas anderes kommt für Sportdirektor Marko Pesic nach eigenem Bekunden nicht in Frage. Allein die Verletzung macht das wahrscheinlich, denn welcher europäische Spitzenklub will einen Spielgestalter für so kurze Zeit noch integrieren.

Indes haben die Bayern den Umschwung ohne den amerikanischen Ausnahmekönner geschafft, zwingend notwendig scheint dessen Hilfe plötzlich nicht mehr. Eine Option von allererster Güte wäre McCalebb allemal, das kann nicht nur Trainer Svetislav Pesic auf den Statistikbögen nachlesen. Wenn McCalebb spielte, hatte er immer Spitzenwerte.

© SZ vom 26.01.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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