Basketball:Die Emmy-Awards

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Die Basketballerin Emily Bessoir ragt schon mit 16 in der zweiten Liga heraus. Nun war sie als erste Deutsche in ein NBA-Camp eingeladen.

Von Andreas Liebmann, München

Kurz sah Emily Bessoir aus wie ein kleines Mädchen. Lächeln, klick, fertig. Hätte schlimmer kommen können. Es hätte auch der 2,29-Meter-Riese Shawn Bradley sein können, oder Shaquille O'Neal, 2,16 groß, geschätzte 1,80 Meter breit. Oder wer sonst noch so bei einem All-Star-Wochenende der amerikanischen Profi-Basketballliga NBA an aktuellen oder ehemaligen Größen auftauchen könnte. Da müsste man dann aufpassen, dass man überhaupt noch mit draufpasst aufs Selfie.

So stand sie also neben Tiago Splitter, bis 2017 Center der Philadelphia 76ers, 2,11 Meter, Brasilianer mit deutschen Wurzeln. Geburtsort: Blumenau. Dürfte witzig klingen für die Münchnerin Emily Bessoir, doch dieses Blumenau ist nicht der Münchner Stadtteil, sondern eine Stadt im brasilianischen Bundesstaat Santa Catarina.

Gary Payton hebt die Bedeutung von Bildung hervor. Der Star der Neunziger ist einer der Coaches

Es war keine völlig neue Welt, die sich für Emily Bessoir am vergangenen Wochenende auftat. Sie kennt sich aus in den USA. Ihr Vater Bill stammt von dort, oft verbringt sie ihre Ferien beim amerikanischen Teil der Familie. Ihr Vater war Basketball-Profi, soweit also alles nichts Neues. Dennoch war es natürlich sehr aufregend für die junge Zweitliga-Basketballerin der TS Jahn München in Los Angeles: Sie war zum ersten Mal an der Westküste, vor allem war sie eingeladen zum "Basketball Without Borders Global Camp", das einmal im Jahr für die größten Talente aus aller Welt stattfindet, organisiert von der NBA und dem Basketball-Weltverband Fiba. Als einzige Deutsche. Als erste Deutsche überhaupt. "Das ist eine mega Ehre", weiß sie, "ich bin extrem stolz darauf."

Shaquille O'Neal war nur indirekt dabei, sein Name und seine Trikotnummer prangten in weißer Schrift auf den schwarzen Wänden der Trainingshalle der Los Angeles Lakers, daneben Kobe Bryant, Wilt Chamberlain. Lakers-Legenden. Dikembe Mutombo war wirklich da und sprach zu den Talenten, er war einer der besten Center der Liga, berühmt für seine Blocks und den Spruch: "Not in my house!" Aug in Aug stand Bessoir Gary Payton gegenüber, einem der besten Spielmacher der Neunziger, einem von gut 20 Coaches, die die Organisatoren aufgeboten hatten. Aug in Aug kann man in diesem Fall sogar wörtlich nehmen, denn Emily Bessoir, gerade 16 geworden, ist ja in Wirklichkeit kein kleines Mädchen, im Gegenteil. Sie ist 1,92 Meter - und damit ähnlich groß wie Payton.

"Sie hat es einfach drauf": Emily Bessoir, 16, zeigt ihre Technik beim Nachwuchscamp in Los Angeles, wo sie Spielerinnen aus aller Welt kennen lernt. (Foto: privat)

Freitag bis Sonntag zwischen neun und 14 Uhr fanden Trainings statt, danach erlebten die Nachwuchsspieler alles rund um das Allstar-Wochenende der NBA, am Samstag etwa die Skills Challenge, ein Geschicklichkeitswettbewerb, und natürlich das Allstar-Game am Sonntagabend. Nicht nur davon war die junge Deutsche aus Daglfing begeistert. "Ich habe richtig viele Leute kennen gelernt, Spieler von anderen Kontinenten." Und Stars erlebt, auch aus der Frauen-Profiliga WNBA, und Jennifer Azzie, Olympiasiegerin von 1984.

Wie Bessoir zu all dem kam? Ihre Leistungen haben sich herumgesprochen. In der WNBL, der U-17-Bundesliga der Mädchen, war sie vor einem Jahr zur wertvollsten Spielerin der Liga und des Top-4-Final-turniers gewählt worden. Bei zwei Europameisterschaften mit dem U-16-Nationalteam fiel sie auf, 2016 holten die deutschen Mädchen Silber. In der zweiten Liga der Frauen steht sie bei einem Double-Double: Ihr gelingen 15 Punkte und zehn Rebounds im Schnitt. Sogar für das erste Allstar-Spiel der zweiten Frauen-Bundesliga vor einigen Wochen war der Teenager in die Starting Five gewählt worden. Zum Zeitpunkt des Votings war sie noch 15.

"Sie hat es einfach drauf", sagt Armin Sperber, der Sportliche Leiter der TS Jahn München. In der WNBL, die inzwischen eine U-18-Liga ist, sei sie sportlich "so unangefochten", dass der Verein sie vor den Playoffs kaum eingesetzt habe. Dazu sei sie "so vernünftig, so schlau, so sozialkompetent", schwärmt er. Nun müsse man nur schauen, dass sie gesund bleibt. Sperber sagt das nicht ohne Grund. Er weiß, dass er leicht ins Schwärmen gerät bei solchen Talenten, er zählt sie selbst auf: "Magy Krajinovic war super", erinnert er sich, "Leo Fiebich noch superer. Emmy ist die Beste, die wir vielleicht je haben werden." Fiebich aber kehrt gerade von einem Kreuzbandriss zurück, Krajinovic hatte wegen mehrerer Knieverletzungen sogar aufgeben müssen. Die Einladung zum Camp in L.A. sei nun jedenfalls "wirklich einzigartig". Sperber fühlt sich gar an die Anfänge der deutschen NBA-Stars Dirk Nowitzki und Dennis Schröder erinnert und sieht schon Bessoirs Karriere im College-Basketball vor sich. "Die Erstligisten stehen Schlange bei ihr, aber sie haben wohl Pech", erzählt Sperber. Die Zehntklässlerin will in München ihr Abitur machen. Am Dienstagmittag kehrte sie zurück, seitdem hat sie Stress. Es stehen mehrere Schulaufgaben an.

In Amerika trifft Bessoir auch NBA-Größen wie Tiago Splitter. (Foto: privat)

Gary Paytons mahnende Ansprache hätte Emily Bessoir vermutlich nicht nötig gehabt. "Er hat betont, wie wichtig es ist, einen Abschluss zu machen, wie wichtig Bildung ist", erzählt Bessoir. Er habe das Beispiel Michael Jordan genannt, der immer einen Plan B gehabt habe, der auch deshalb heute anders dastehe als manche Wegbegleiter, die nicht gewusst hätten, was sie mit ihrem Leben danach anfangen sollten und pleite gingen. Ihre Aufregung, erzählt Emily Bessoir, habe sich erst so richtig gelegt, als die Coaches die Talente aus aller Welt förmlich dazu aufforderten, Fehler zu machen, weil man aus ihnen lernen könne.

Es ist wahrscheinlich, dass Emily Bessoir nach dem Abitur in die USA geht. "Das wäre eine sehr gute Möglichkeit für mich", sagt sie. "Die Kombination aus Basketball und akademischer Ausbildung ist dort sehr gut geregelt." Sie ist zweisprachig aufgewachsen, und über College-Basketball muss ihr vermutlich niemand etwas erzählen. Ihr Großvater Bob ist eine Legende an der University of Scranton, Pennsylvania. Als Spieler erzielte er mehr als 1000 Punkte, er war Baseball- und Tennis-Coach, vor allem war er dann 29 Jahre lang für das Basketball-Team zuständig, mit dem er zwei nationale Titel in der NCAA (National Collegiate Athletic Association) gewann und 14 in der Middle Atlantic Conference, in deren Hall of Fame er deshalb aufgenommen wurde. Beim NCAA-Titel von 1983 war, wie auch in den seinen beiden folgenden College-Jahren, ein junger Flügelspieler der Topscorer: Bill Bessoir, Emilys Vater, der später für Nördlingen und den FC Bayern spielte. Für Scranton erzielte er 1630 Punkte. Im Finalturnier 1983 wurde er als Most Outstanding Player ausgezeichnet, als herausragenden Spieler also, und vor fast exakt einem Jahr wählten ihn die Fans in Scrantons All-Time-Team. Die Familiengeschichte setzt sich nun also fort.

Erst reisen die Jahn-Frauen zu Spitzenreiter Freiburg. Dann starten die WNBL-Playoffs

Emily Bessoir hat sich, wo sie schon mal dort war, in den Tagen vor dem Camp auch gleich die University of California angesehen. Doch jetzt ist sie erst mal zurück in ihrem Alltag. Schwer fällt ihr das nicht, im Gegenteil: "Die Spielerinnen im Camp kannten sich vorher ja nicht, da gab es wenig Spielfluss", erzählt sie. Deshalb sei sie nun "heiß darauf", in ihren Münchner Teams all das umzusetzen, was sie in Los Angeles gelernt habe. Der Zeitpunkt ist günstig: Am Samstag tritt die TS Jahn als Dritter beim Zweitliga-Tabellenführer Eisvögel Freiburg an. "Da werden wir es schwer haben", ahnt Sperber. Der Absteiger habe mit seinem Erstliga-Etat weitergemacht, nach München sei er in der Hinrunde im Reisebus samt Fans und Trainerstab gereist. "Bei uns schälen sich der Coach und sieben Spielerinnen aus einem Achtsitzer", vergleicht Sperber. Nach der Heimkehr in der Nacht auf Sonntag bleiben Bessoir wenige Stunden, bis sie mit dem WNBL-Team zum Playoff-Achtelfinal-Hinspiel die Rhein-Main Baskets empfängt (14.45 Uhr, Weltenburger Straße).

Ach ja: Auf die Frage, welche Stars sie getroffen habe, zählt Emily Bessoir mit einem Lachen auch ihren Onkel Bob auf. Der hatte sie einige Tage durch L.A. geführt, wo er oft arbeitet. Bob Bessoir ist Beleuchter beim Film und hat schon zwei Emmy-Awards bekommen. Das dürfte auch ziemlich witzig klingen für eine junge Münchnerin, die seit jeher auf den Spitznamen Emmy hört.

© SZ vom 24.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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