Basketball:Der Anti-Gockel

Lesezeit: 3 min

So sehen es die Bayern gern: Anton Gavel zieht unaufhaltsam zum Korb und legt den Ball hinein, hier im Ligaspiel gegen Bonn. (Foto: Chai v.d. Laage/Imago)

Guard Anton Gavel findet zusehends zu seiner Bestform - vor dem Spiel gegen Tübingen und im Titelkampf eine gute Nachricht für den FC Bayern

Von Ralf Tögel, München

Die Spieler waren längst in der Kabine verschwunden, eine anstrengende Trainingseinheit lag hinter ihnen. Duschen, Luft holen, entspannen. Einer nicht: Anton Gavel. Der Basketballer des FC Bayern München genießt den Ruf eines Vorzeigeprofis, für ihn ist der Beruf auch harte Arbeit. Sein Distanzwurf zum Beispiel. Die Flugkurve ist eigentlich zu flach, Gavel sagt: "Eine schlechte Angewohnheit. Aber jetzt mit 31 Jahren wäre es sinnlos, das umzustellen." Dafür steht er jetzt auf dem Feld und schiebt eine Extraschicht. Ein Wurf nach dem anderen ploppt durch den Korb, Gavel ist ein ausgezeichneter Dreier-Schütze, trotz seines flachen Ballwurfs. Dann ist sein Trikot völlig durchgeschwitzt. Jetzt macht auch Gavel Feierabend. Ein paar Worte noch, bevor er in die Kabine geht? Natürlich, auch das noch. Gavel, der Muster-Profi.

In Zeiten, in denen selbstverliebte, stets aufpolierte und gegelte Fußball-Gockel in jedes Mikrofon berichten müssen, wie einzigartig sie selbst und wie austauschbar die Kollegen sind, ist es eine Freude, mit einem wie Gavel zu sprechen. Wie gut er Fußball spielt, ist an dieser Stelle nicht von Belang, im Basketball aber gehört er hierzulande zu den Besten, auch international ist der 31-Jährige in der Szene ein Begriff. Und es ist ihm zuwider, sich selbst zu loben. Lieber stellt er die Kameraden in den Vordergrund. Das klingt dann so: "Ja, gut, ich habe ein paar Punkte gemacht, aber die Jungs haben mich immer gut in Position gebracht." Oder so: "Ich habe ein paar richtige Entscheidungen getroffen, schon, aber die Hauptsache ist das Ergebnis."

Zurzeit trifft Gavel fast nur richtige Entscheidungen. Zu Beginn der Saison lief es für den Shooting Guard noch nicht besonders rund, nach einem wenig erbaulichen Ausflug zur Nationalmannschaft im Herbst suchte Gavel lange nach seiner Bestform. Der gebürtige Slowake war dem Ruf seines langjährigen Bamberger Trainers Chris Fleming gefolgt, der bei der Europameisterschaft im vergangenen September als neuer Nationalcoach auf die Dienste des ihm vertrauten Routiniers nicht verzichten wollte. Nach vielen Jahren im Trikot seines Heimatlands gab Gavel schließlich im August bei zwei Testspielen gegen Kroatien sein Debüt für die deutsche Nationalmannschaft. Die folgende EM nahm bekanntlich trotz des Mitwirkens von Dirk Nowitzki keinen guten Ausgang. Und Gavel schleppte die Belastungen dieses Turniers lange wie einen Rucksack mit sich über das Parkett.

Die Saisonpause ist für Basketballer ohnehin sehr kurz und gewinnt mit zunehmendem Alter an Bedeutung. Gavel hatte kaum Zeit zur Regeneration, zu Saisonbeginn fand man ihn nach Spielen oft ausgepumpt in der Kabine, die Füße in Eimern mit Eiswasser, um die geschundenen Sprunggelenke zu kühlen.

Der Deutsch-Slowake ist bekannt als einer der besten Verteidiger der Liga, er wird meist mit der Bewachung gegnerischer Spielgestalter betraut, um diese aus dem Spiel zu nehmen. In der Defense kann man Selbstvertrauen aufbauen, das man für Würfe benötigt. Zu Beginn der Saison hatte Gavel nach Fehlversuchen oft gezögert, den Ball lieber weitergespielt. Doch seine Sicherheit ist zurück, jetzt bringt den Guard so leicht nichts mehr aus der Ruhe. In der Eurocup-Partie gegen Berlin etwa, ein so genanntes Do-or-die-Spiel, es ging ums Weiterkommen, hatte er zu Beginn zwei Dreier geworfen, beide Male tanzte der Ball auf dem Ring, um wieder herauszuspringen. Gavel forderte den Ball ein drittes Mal - und versenkte ihn sicher.

Nun ist er wieder fit und nähert sich zusehends der Form, die ihm insgesamt fünf deutsche Meisterschaften eingebracht hat. Das kann man auch für die von Verletzungen durchgeschüttelte Bayern-Mannschaft sagen: Maxi Kleber schöpft zunehmend seine Fähigkeiten aus, Center John Bryant zeigt Konstanz auf hohem Niveau, Spielmacher Alex Renfroe und Topscorer Nihad Djedovic sind von ihren Verletzungen weitgehend genesen. Das ist auch nötig, denn international war im Viertelfinale gegen Galatasaray Istanbul Schluss, das Pokalendspiel in eigener Halle gegen Berlin ging verloren. "Enttäuschend", findet Gavel das bisherige Abschneiden. Es bleibt die Meisterschaft. Dafür sollte der zweite Platz gesichert werden, der in den Playoffs bis zum Finale Heimrecht bringt. "Schwer genug", findet Gavel, gilt es vor allem, die punktgleichen Oldenburger auf Distanz zu halten. Das Restprogramm hat es in sich, vor allem die zwei Doppelspieltage zum Vorrundenende mit den Spielen gegen Bamberg und in Oldenburg.

Dazwischen muss man "die Hausaufgaben erledigen", wie Gavel es ausdrückt, etwa am Sonntag (17 Uhr) in heimischer Halle gegen die abstiegsgefährdeten Tübinger. Bloß keinen Gegner unterschätzen. Einem wie ihm wird das nicht passieren. "Das wird ein sehr schweres Spiel, wir müssen aufpassen und dürfen uns keine Ausrutscher mehr erlauben", sagt Anton Gavel. Nicht aus Höflichkeit. Sondern weil es seine Einstellung ist.

© SZ vom 09.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: