Basketball:"Da wäre ich lieber Friseur"

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Nihad Djedovic ist der neue Kapitän der Basketballer des FC Bayern. Mit der SZ spricht er über die verkorkste vergangene Saison, den neuen Trainer, seine Ziele, den Respekt der Gegner - und über seine Haare.

Interview von Ralf Tögel

SZ: Es hat sich einiges geändert, eine Neuerung springt ins Auge: die Haare sind ab.

Nihad Djedovic: Ja, ich bin eines Tages aufgewacht und dachte, jetzt ist es zu viel. Lange Haare sind aufwendig, gerade für einen Sportler, dann kam der Sommer und der Entschluss.

Brauchen sie jetzt einen neuen Spitznamen, der ist ja Zlatan, wegen ihrer Ähnlichkeit zum Fußballer Ibrahimovic?

Nein, Zlatan bleibt für immer, glaube ich.

Es gibt noch eine Neuerung, sie sind Teamkapitän, macht sie das stolz?

Natürlich. Ich bin in München aufgewachsen, war Bayern-Fan und als ich bei den Basketballern anfing, war ich der glücklichste Mensch der Welt. Ich bin sehr stolz.

Sind Sie nicht eher ein Typ, der nicht ins Rampenlicht drängt?

Ehrlich gesagt ja, ich bin nicht der klassische Kapitän, der laute Ansagen vor einem Spiel macht. Ich habe das auch gesagt, als sie mich gefragt haben. Aber ich werde Leader auf dem Feld sein. Ich bin jetzt 30 Jahre alt und lange hier, meine Stimme hat Gewicht im Team.

Wurden Sie gewählt oder bestimmt?

Beides. Andrea Trinchieri ( Trainer, d. Red.) hat sich mit Marko Pesic ( Geschäftsführer) und Daniele Baiesi ( Sportdirektor) besprochen und mich dann angerufen. Auch das Team war einverstanden.

Blicken wir auf die vergangene Saison: Pokal-Aus in Runde eins, Aus im Viertelfinale des Meister-Finalturniers, Euroleague-Vorletzter, gibt es eine Erklärung?

Die Erwartungen waren nach zwei Titeln sehr hoch. Es lief von Anfang an nicht gut: das schnelle Pokal-Aus, hohe Niederlagen in der Euroleague, viele Verletzte, der Trainerwechsel, das hat sich hochgeschaukelt. Dann war das Selbstvertrauen irgendwie weg und wir kamen in eine Abwärtsspirale, zumindest in der Euroleague.

Speziell Sie hatten eine Seuchensaison, Sie waren fast ein halbes Jahr verletzt.

Eigentlich hat es für mich gut begonnen, doch dann kamen immer wieder kleinere Verletzungen. Ich bin mal umgeknickt, habe einen Schlag auf den Oberschenkel bekommen, dann die Nase gebrochen. Vielleicht bin ich das eine oder andere Mal zu früh zurückgekommen, aber der Kalender war sehr eng, jedes Spiel wichtig. Irgendwann war ich in einem Zustand, in dem ich meine Bestleistung nicht mehr bringen konnte. Dann kam Corona und ich war nicht mehr fit genug für das Finalturnier. Diese Spielzeit will ich schnell vergessen.

Und es gab in der Saison den Trainerwechsel, für die Stabilität auch nicht förderlich.

Die Leistungen waren schlecht, der Klub hat reagiert. Es gibt immer zwei Wege: Entweder den Trainer entlassen oder ein paar Spieler, um ein Zeichen zu setzen. Der Verein hat sich für den Trainer entschieden.

Was lief falsch mit Dejan Radonjic?

Dass er ein guter Trainer ist, zeigen die zwei Titel, die wir mit ihm gewonnen haben. Alles auf ihn zu schieben, wäre nicht richtig. Es kam viel zusammen, Verletzungsprobleme, der enge Spielplan, Pech.

Es hieß, sein Englisch ist zu schlecht und er kommuniziere zu wenig.

Perfekt war es nicht, aber wir haben ihn verstanden. Aber es stimmt, Dejan ist ein Coach, der nicht allzu viel sagt. Die erfahrenen Spieler haben damit kein Problem, sie wissen was zu tun ist. Es mag sein, dass junge Spieler mehr Probleme damit haben.

Interimscoach Oliver Kostic konnte das Ruder auch nicht mehr herumreißen.

Auch wir, die Spieler, hatten Schuld an den Misserfolgen. Im Finalturnier ist das besonders zu Tage getreten. Wir haben schlecht gespielt, ohne Enthusiasmus, ohne Killerinstinkt, der uns in den beiden Jahren vorher ausgezeichnet hat. Da haben wir Spiele umgebogen, in denen wir 15 Punkte hinten lagen, das hat gefehlt.

Was bei den Fußballern mit Hansi Flick klappt, ging im Basketball mit Kostic in die Hose. War er zu nah an den Spielern?

Nein, er hat ja mit der zweiten Mannschaft bewiesen, dass er ein Team führen kann. Ich glaube, der extreme Druck war auch für ihn manchmal zu viel.

War die Mannschaft zu satt?

Nein, das nicht, und wenn ich von mir ausgehe, kann man nie zu satt sein. Aber ich glaube, einige Spieler sind unter diesem Druck abgetaucht.

Also war das Team zu brav?

Vielleicht. Man muss manchmal auch ein Bad Boy sein, um Titel zu gewinnen. Dieser Punch hat uns zum Beispiel im Viertelfinale gegen Ludwigsburg gefehlt.

Ein oft gehörter Vorwurf war, es gab keine Leader-Typen.

Kann sein. Einige haben nach ihrer Form gesucht, andere waren durch die ganze Situation verunsichert. Ich war verletzt.

Ein Vorsatz des neuen Kapitäns, wenn nötig auch mal dazwischen zu hauen?

Ich habe kein Problem mit unangenehmen Diskussionen. Ich werde der Mannschaft erklären, dass es das Wichtigste ist, nach Euroleague-Spielen die richtige Motivation für die Bundesliga zu finden. Das wird schwer, aber ich werde sie motivieren.

Auch weil die Konkurrenz gesehen hat, dass der FCB nicht übermächtig ist?

Deshalb müssen wir uns schnell wieder den nötigen Respekt erarbeiten. Beim 86:55-Sieg im Testspiel gegen Bamberg hat das schon ganz gut geklappt.

Ein Kritikpunkt war, dass das Spiel des FCB leicht zu lesen war, zu sehr auf NBA-Center Greg Monroe zugeschnitten.

Aber wenn man einen Big Man hat wie ihn, der in jedem Spiel 15, 20 Punkte bringt, dann muss man das nutzen. Alles andere wäre ein Fehler gewesen.

Pesic, Djordjevic, Radonjic und Kostic, Sie hatten in München immer Trainer, die für die jugoslawische Schule stehen. Nun ein Italiener, wie kommen sie mit Andrea Trinchieri klar?

Mich kann nichts mehr überraschen. Trinchieri ist eine Art Mischung aus allem. Er war zuletzt zwei Jahre bei Partizan, ist sozusagen jugoslawisch formatiert. Er ist Pesic nicht unähnlich, verlangt immer 100 Prozent und ist ein sehr guter Motivator.

Er sagt ja von sich, er sei Perfektionist.

Oh ja, nach jedem Training schmerzt mein Kopf (lacht). Zeit zum Ausruhen bekommt man jedenfalls nicht.

Wie hat sich das Training verändert?

Wir arbeiten viel mehr im individuellen Bereich, das Training ist viel intensiver, die Einheiten sind länger und sehr detailliert.

Wie verändert sich das Spiel?

Ich glaube sehr. Man kann bereits sehen, dass die Mannschaft mit sehr viel Energie spielt. Wir sind ein junges Team mit vielen Spielern, die sich beweisen wollen. Und keiner ist gesetzt.

Sie als dienstältester Spieler sind prädestiniert, das Team einzuschätzen. Im vergangenen Jahr hieß es, das sei der beste Bayern-Kader aller Zeiten - und heuer?

Das heißt es immer ( lacht). Klar, er ist jetzt anders, denn wir haben viele Spieler, die keine Euroleague-Erfahrung haben, die aber den nächsten Schritt machen wollen. Wie Nick Weiler-Babb, Wade Baldwin oder JaJuan Johnson. Ich sehe extrem motivierte Spieler in einem hungrigen Kader.

Im Finalturnier war zu sehen, wie die Mannschaft unter der Geisterkulisse gelitten hat. Jetzt geht es vielleicht mit 1400 Zuschauern los, ein wichtiger Schritt?

Das wäre enorm wichtig. Im Test gegen Bamberg war der Hallensprecher wieder da und Musik, das allein hat uns schon motiviert. Egal wie müde du bist: Wenn Fans da sind, pusht dich das.

Sind die Saisonziele auch mit neuer Mannschaft Bayern-like?

Wir wollen den Titel holen, klar. Ich persönlich hoffe auf eine Saison ohne Verletzungen.

Sie sind jetzt 30 und gehen in die achte Saison beim FCB. Wäre es keine schöne Idee, hier die Karriere zu beenden?

Das ist mein Plan, das wünsche ich mir über alles. Wir sind hier eine Familie, das würde passen.

Und dann ins Trainerteam?

Ganz ehrlich, wenn sie mich jetzt fragen, ob ich meine Zukunft im Basketball sehe, der so intensiv ist? Da wäre ich lieber Friseur.

© SZ vom 28.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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