Basketball:Chamäleon aus Whitmire

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„Devin hat heute sein bestes Spiel im Münchner Trikot gezeigt“, sagt FCB-Trainer Djordjevic. Um später einzuschränken: „Sein bestes Offensiv-Spiel.“ (Foto: Philippe Ruiz/Imago)

Auf dem Feld ein Showman, abseits des Parketts das Gegenteil: Devin Booker ist ein Schlüssel für den Bayern-Sieg gegen St. Petersburg. Am Sonntag erwartet er Bamberg im Pokal.

Von Matthias Schmid, München

Seine Wasserflasche hat Devin Booker auf dem Weg aus der Umkleidekabine in den VIP-Raum der Münchner Arena sorgfältig in eine Tüte des Bayern-Fanshops verstaut. Ob sich der Basketballer des FC Bayern selber für seine außergewöhnliche Darbietung belohnte oder vielleicht etwas für seine drei Kinder kaufte, bleibt sein Geheimnis. Booker, 26, war mit seinen 27 Punkten mal wieder der auffälligste Spieler am Mittwochabend beim ansehnlichen 95:78-Sieg gegen Zenit St. Petersburg. Mit dem Sieg wahrten die Münchner die Chance, als eine von zwei Mannschaften ins Viertelfinale des zweitwichtigsten europäischen Klubwettbewerbs vorzurücken. Im Moment liegen die Bayern in der Tabelle der Zwischenrunde der Top 16 auf Rang drei, punktgleich mit Tabellenführer St. Petersburg und Fiat Turin, die alle 2:1-Siege aufweisen.

Vom ersten Sieg nach zuletzt drei Niederlagen gegen St. Petersburg euphorisiert, ließ sich der ansonsten mit Einzellob zurückhaltende Bayern-Cheftrainer Aleksandar Djordjevic zu einem Superlativ hinreißen. "Devin Booker", sagte der Serbe, "hat heute sein bestes Spiel im Münchner Trikot gezeigt." Es ist jetzt nicht so, dass der Mann aus Whitmire, South Carolina, zuletzt in einem Formtief gesteckt hätte, er bewegt sich schon die gesamte Spielzeit hinweg nahe am Leistungsoptimum. In der Eurocup-Zwischenrunde hat der 2,05 Meter große Center bisher im Schnitt fast 21 Punkte gesammelt, in der Bundesliga kommt er auf 13. Am Mittwoch wurde er zum wertvollsten Akteur des Eurocup-Spieltags gewählt, weil ihm nebenbei noch fünf Assists gelangen. Booker ist einer der größten Profiteure des selbstlosen Teambasketballs, den der FC Bayern in dieser Saison darbietet und der ihm unterm Korb zu einfachen Punkten verhilft. "Das ist unser Markenzeichen", lobt Djordjevic. Die Zugänge Stefan Jovic und Braydon Hobbs haben mit ihren Zuspielen die anderen besser gemacht und Anton Gavel vitalisiert, die Pässe der drei Guards sind raffiniert, elegant und überraschend. Auch gegen die spielstarken Russen ließen die Münchner den Ball zirkulieren, als wäre für jeden Pass eine Extraprämie ausgelobt worden.

"Wir spielen als Mannschaft", stellte Booker nüchtern fest. Er ist keiner, der sich über die Mitspieler stellt. "Ich kann nur das machen, was mir meine Teamkollegen ermöglichen", fügte er hinzu: "Ein Spieler allein kann nichts ausrichten." Booker spricht so leise, dass man näher an ihn heranrücken muss, um alles zu verstehen. Er ist einer dieser Profis, die sich auf dem Parkett in einen anderen Menschen verwandeln. Dort ist er extrovertiert, voller Emotionen, ein Showman, der gern nach einem wuchtigen Dunk am Ring hängen bleibt, um sich feiern zu lassen. Gegen St. Petersburg klatschte er mitten im Spiel sogar einen Fan in der zweiten Reihe ab, nachdem er bei einem erfolgreichen Korb gefoult worden war. Diese Leistung belohnt das Reglement mit einem Bonus-Freiwurf. Als ihm dieses seltene Kunststück noch ein zweites Mal gelang, posierte er wie Popeye und führte dem Publikum seine muskelbepackten Oberarme vor.

"Wir hatten in der ersten Hälfte überhaupt keine Defensive", kritisiert Booker auch sich selbst

Abseits des Parketts ist Booker sehr viel ruhiger, leiser, reflektierter. "Wir hatten in der ersten Hälfte überhaupt keine Defensive", sagte er. 52 Punkte ließen die Bayern zu. "Das ist viel zu viel", fand Booker und lokalisierte die Gründe in den vielen Details, die ihnen Trainer Djordjevic vor dem Spiel aufgetragen hatte. Der Serbe war selbstkritisch genug, um diese Flut an Informationen hinterher in Frage zu stellen. "Du verlangsamst dadurch den Instinkt der Spieler." Deshalb war seine wichtigste Botschaft zur Pause das Wort: Klarheit. "Hört auf zu denken und spielt Basketball", gab der 50-Jährige seinen Spielern auf den Weg. Dass sie es gleich so gut beherzigten, hätte er auch nicht geglaubt. Aber die Münchner spielten fortan wuchtiger, aggressiver und energiegeladener. "Wir haben nicht mehr so viel nachgedacht, sondern es einfach laufen lassen", bestätigte Booker und mahnte sogleich im nächsten Satz: "Wir können noch viele Dinge verbessern, schon in der nächsten Partie."

Die steht an diesem Sonntag (19 Uhr, Audi-Dome) gegen Meister Bamberg an, Pokal-Viertelfinale, das erste K.-o.-Spiel dieser Saison. Was war, zählt nicht mehr. Wie Djordjevic wies auch Booker darauf hin, dass nur das Hier und Jetzt gelte. Die Bayern haben in dieser Saison viel vor, sie wollen nach drei titellosen Jahren endlich wieder einen Pokal gen Hallendach recken. Das gehe nur über eine ordentliche Vereidigung, "das ist die Stärke der Mannschaft", hob Djordjevic hervor. Deshalb präzisierte er seinen Superlativ über Booker noch mal, weil dessen Wurfkunst am Mittwochabend einige Fehler in der Defensive übertünchte. Djordjevic sagte: "Es war sein bestes Offensiv-Spiel im Münchner Trikot." Devin Booker vernahm es mit einem Lächeln. Er ging trotz der kleinen Einschränkung noch immer gut gelaunt nach Hause.

© SZ vom 19.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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