Basketball:Blick aus dem Krater

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Lange liefen die Bayern-Basketballer einem Rückstand hinterher. Dann drehten Deon Thompson (re., gegen Larry Gordon) und seine Teamkollegen das Spiel. (Foto: Imago)

Der FC Bayern beendet mit dem 86:80-Sieg nach Verlängerung in Bremerhaven die Serie von fünf Pflichtspielniederlagen. Doch die Leistung des Meisterschaftsmitfavoriten verdeutlicht erneut, wie weit die Münchner von ihrer Bestform entfernt sind

Von Ralf Tögel, München

Die Basketballer des FC Bayern haben ihre fünf Pflichtspiele andauernde Niederlagen-Serie beendet. Das ist die gute Nachricht aus Münchner Sicht. Der 86:80 (72:72, 38:46)-Sieg bei den Eisbären Bremerhaven bringt zwar zwei Punkte, hinterlässt aber gleichzeitig weitere Fragezeichen. Denn der Meisterschaftsmitfavorit benötigte gegen einen Gegner, der bisher mit nur einem Sieg Drittletzter ist und um den Klassenverbleib kämpft, einen unglaublichen Dreier von K.C. Rivers und die Verlängerung, um eine weitere verstörende Pleite in letzter Sekunde abzuwenden. Noch kurz vor dem Spielbeginn in Bremerhaven wollte FC-Bayern-Sportdirektor Marko Pesic nicht von einer Krise sprechen, die Ergebnisse hätten nicht gestimmt, das gab er zu, aber ein, zwei Erfolgserlebnisse würden die Abwärtsspirale so schnell beenden können, wie sie in Fahrt gekommen war. Doch speziell was die Münchner im ersten Viertel boten, war der überdeutliche Beleg, dass sich die Mannschaft sehr wohl in einem Loch befindet - vielmehr in einem Krater. Zunächst sah es zwar danach aus, als würde die so stark besetzte Auswahl sich ihrer Fähigkeiten besinnen, schnell lagen die Münchner 5:0 vorne. Um danach völlig den Faden zu verlieren und Bremerhaven einen 10:0-Lauf zu ermöglichen. Technische Fehler, schwache Würfe, Abstimmungsprobleme, Pässe ins Nirgendwo: Bremerhaven gelangen gegen den Meisterschaftsmitfavoriten 25 Punkte in den ersten zehn Minuten, Erinnerungen an die Euroleague-Demontage vom Donnerstag gegen Istanbul wurden wach. Doch Bremerhaven ist kein sündteures Ensemble von europäischen Spitzenspielern, der Klub hat in eigener Halle noch kein Bundesligaspiel gewonnen und ob der verheerenden Zwischenbilanz vor Wochenfrist Trainer Muli Katzurin gefeuert. Nun steht Co-Trainer Chris Harris an der Linie, seine Aufgabe ist das Überleben in der ersten Liga. Dennoch war sein Team stark genug, die schwer angeknockten Gäste an den Rand einer weiteren Pleite zu bringen. Freilich spielte Bremerhaven für seine Verhältnisse groß auf, kämpfte stark und traf in der ersten Halbzeit fast jeden Versuch aus der Distanz - doch auch, weil die Bayern ihren Lauf nicht stoppen konnten. Hochkaräter wie Anton Gavel oder Center John Bryant sind seit Wochen von der Rolle, zu allem Überfluss musste auch noch Nationalspieler Paul Zipser, der einen recht ordentlichen Eindruck hinterließ, kurz vor Ende der ersten Halbzeit mit einem dicken Sprunggelenk passen, Zipser war umgeknickt. Doch dieses Missgeschick, wie auch das neuerliche Fehlen von Dusko Savanovic, kann den unterirdischen Auftritt weder erklären, noch entschuldigen. Dabei genügten den Bayern wenige Minuten in der Nähe ihrer eigentlichen Fähigkeiten, um den Abstand zu verringern. Bremerhaven führte zur Pause dennoch 46:38, es war zweifelhaft, ob das verschreckte Münchner Team sich im zweiten Abschnitt würde steigern können. Konnte es nicht, vielmehr war es erneut Bremerhaven, das die Akzente setzte und den Abstand im zweistelligen Bereich hielt. Vor dem finalen Durchgang lag der Rückstand der Gäste bei 51:62, zudem griff die Verunsicherung wie ein schrecklicher Virus im Team der Münchner um sich. Auch Spieler, die eigentlich resistent sein sollten, wurden befallen: Spielmacher Alex Renfroe und der ansonsten so stabile Punktesammler Nihad Djedovic produzierten Ballverluste, die schon fast Slapstick-Charakter hatten. Immerhin wussten sich die Münchner über die Defense ins Spiel zu kämpfen. Sobald die Würfe der Gegner besser verteidigt wurden, sobald die Abwehr aggressiv zupackte, holte der Favorit auf. Deon Thompson (19 Punkte), Renfroe (14) sowie Kapitän Bryce Taylor (14) hielten ihr Team im Spiel, dann zeigte K.C. Rivers, wen sich der FC Bayern da vom Euroleague-Champion Madrid geholt hat. Rivers riss das Spiel an sich, erzielte das Gros seiner 19 Zähler in der Schlussphase und versenkte den entscheidenden Dreier 2,8 Sekunden vor der Sirene stark bedrängt zum 72:72-Ausgleich. In der Nachspielzeit hatte Bremerhaven nichts mehr entgegenzusetzen, der FC Bayern zog mit sieben Punkten nacheinander davon. Immerhin: Die Münchner haben gewonnen, der Fall ist abgebremst, sie haben aus dem Krater geblickt. Trainer Svetislav Pesic erinnerte an die vielen Verletzten und zollte dem Gegner Respekt: "Wir sind leider nicht in einer guten physischen Verfassung und können nicht, wie manche immer meinen, mit links in Bremerhaven gewinnen." Pesic war in der zweiten Halbzeit für seine Verhältnisse sehr ruhig geblieben, er weiß, dass harte Kritik in dieser Phase wenig bringt: Am Donnerstag muss sein Team bei Khimki Moskau spielen. Das Ziel der Russen ist das Final Four - in der Euroleague.

© SZ vom 23.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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