Basketball:Bitterböser Jahresabschluss

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Ist es zu fassen: Vladimir Lucic scheint nicht zu verstehen, was da gerade im letzten Euroleague-Spiel des Jahres gegen Kaunas passiert ist. (Foto: Oryk Haist/imago)

Die überfordert wirkenden Basketballer des FC Bayern München kassieren im letzten Euroleague-Spiel 2019 eine 73:98-Heimpleite gegen Schlusslicht Zalgiris Kaunas.

Von Ralf Tögel, München

Sarunas Jasikevicius setzte sein breitestes Zahnpastalächeln auf, dann sagte er: "Unsere Partys wurden auch oft genug gecrasht." Keine Spur also von einem schlechten Gewissen beim Trainer des litauischen Serienmeisters Zalgiris Kaunas, dabei hatte der dem FC Bayern die geplante Fete am Freitagabend gerade gründlich versaut. Mit 98:73 gewannen die Gäste in der Euroleague im proppenvollen Audi Dome, wo die beiden deutschen Rapper Max Herre und Afrob den letzten internationalen Abend des Jahres in gedämpfter Stimmung ausklingen ließen. Denn der scheinbar ideale Gegner - Kaunas war als Euroleague-Schlusslicht angereist - erwies sich als völlig ungeeignet und an diesem Abend eine Nummer zu groß für die völlig indisponiert auftretenden Bayern.

Während der litauische Serienmeister sich auf den vorletzten Rang verbesserte und somit den Anschluss an das untere Tabellendrittel schaffte, bleiben die Bayern auf Platz 14 mit 6:10 Siegen deren zwei vom angepeilten achten Rang entfernt. Der wäre mindestens notwendig, um die K.-o.-Runde der europäischen Königsklasse zu erreichen. Nach der gebotenen Vorstellung allerdings muss man dieses Ziel als reichlich ambitioniert einstufen. Natürlich zeigten die Gäste eine starke Leistung, verteidigten äußerst bissig, sie trafen auch ihre Würfe mit einer für sie außergewöhnlich guten Quote. Vor allem immer dann, wenn die Münchner im Begriff waren, Schwung aufzunehmen. Der wurde dann umgehend zuvorderst vom litauische Nationalspieler Arturas Milkanis oder dem US-Flügelspieler K.C. Rivers, der einst ein halbes Jahr für die Bayern spielte, per Dreier gebremst. Und ja, die Niederlagen der Gäste im bisherigen Saisonverlauf waren oft knapp und unglücklich, aber es waren zuletzt neun in Serie - und beileibe nicht nur gegen Spitzenteams. Es hat also schon einen Grund, warum Kaunas dem Rest der europäischen Elite hinterherhinkt.

FCB-Trainer Dejan Radonjic wirkte entsprechend ratlos, auch er sah einen starken Gegner mit ungewöhnlich guter Wurfquote. Der Montenegriner erinnerte aber auch an 20 Ballverluste der Seinen, die er nicht so recht erklären konnte. Paul Zipser, neben Kapitän und Topscorer Danilo Barthel (20 Punkte) der einzige im Team, der zweistellig traf (13), fürchtet aber keinen nachhaltigen Schaden. Zum einen "haben wir so viele Spiele", da könne sich schwerlich etwas in den Köpfen festsetzen. Zudem wisse er, "wer neben mir in der Kabine sitzt", womit der ehemalige NBA-Akteuer meint, dass er sich angesichts der Qualität der Kollegen keine Zukunftssorgen mache. Abhaken, weitermachen. Unübersehbar ist aber, dass der FCB nur im Versemmeln guter Möglichkeiten, sich in der Nähe der K.-o.-Rundenplätze festzusetzen, Konstanz zeigt. Siegen gegen Topklubs wie Mailand und Madrid stehen üble Pleiten gegen schlechter platzierte Kontrahenten gegenüber - wie Kaunas. Bedenklich war, wie hilflos das Team phasenweise agierte, außer Einzelaktionen gelang wenig.

Die Bayern holen Spielmacher Sisko. Der wird noch nicht helfen können, er ist ein Zukunftsprojekt

Kaunas verstand es gut, Anspiele auf die unter dem Korb platzierten Center zu verhindern. Und was durchkam, wurde verlässlich verlegt. Greg Monroe, mit dem Prädikat NBA-tauglich in den Dome importiert, gelangen kurz vor Ende des dritten Viertels seine ersten beiden Punkte - es blieben die einzigen. Zur Pause schafften es die Bayern trotz aller Fehler, sich auf 35:43 Punkte und damit in aussichtsreiche Nähe heranzukämpfen - um nach der Pause völlig einzubrechen. Die Kaunas-Guards durften ungestört zum Korb spazieren, weil die Defensive der Bayern zerbröselte. Lediglich Barthel stemmte sich mit Verve gegen die längst nicht mehr zu verhindernde Niederlage, assistiert allein von Zipser, dem im letzten Viertel acht Punkte in Serie gelangen. Das Spiel der Bayern war planlos, selten wurde ein Werfer freigespielt, schnelle Ballstafetten waren die Ausnahme. Worunter vor allem Distanzschütze Petteri Koponen leidet, der zwar mit hoher Präzision aus der Distanz (drei von drei Dreierversuchen) traf, sich seine Würfe wie so oft aber selbst kreieren musste.

Spielmacher Maodo Lo bewies als einziger bislang die Fähigkeit, das Spiel auf diesem hohen Niveau zu organisieren, er war aber vor der Pause bereits mit drei Fouls belastet. Seine Vertreter DeMarcus Nelson und Diego Flaccadori wirkten einmal mehr mit der Aufgabe überfordert. So schlitterte der FC Bayern kopflos in diese bitterböse Heimpleite und blickt mit steigenden Erwartungen der Rückkehr von T.J. Bray entgegen. Der Spielmacher war in der Vorsaison bester Akteur der Basketball-Bundesliga, konnte wegen einer Fuß-OP in der Vorbereitung noch nicht mitwirken. Bray wird aber demnächst ins Training einsteigen.

Nun muss das Team zusehen, bis dahin nicht zu viel Boden zu verlieren. Zwar wurde nun der slowenischen Point Guard Zan Mark Sisko verpflichtet, der 22-Jährige ist aber kein Spieler, der sofort helfen kann. Er sei zwar der beste Passgeber der starken Adria-Liga, erklärt Sportdirektor Daniele Baiesi, aber zunächst "ein Projekt für die Zukunft, ein junger Spieler mit hohem Entwicklungspotenzial." Man werde sehen, "wann er erstmals für uns spielt". Sicher nicht am Montag in Bamberg, wo der Meister in der BBL seine blütenreine Weste wahren will. Brose hat am Freitag gegen Ludwigsburg gewonnen - und dürfte die Leistung der Bayern mit einem Grinsen zur Kenntnis genommen haben.

© SZ vom 30.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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