Basketball:Acht menschliche Minuten

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„Ich bin nie zufrieden“, sagt Danilo Barthel (li. gegen Yogev Ohayon). In der zweiten Halbzeit der Partie gegen Jerusalem gab es indes wenig auszusetzen am Münchner Flügelspieler: 21 Punkte, Topscorer der Partie und von der Eurocup-Jury zum besten Akteur des Spieltages gewählt. (Foto: imago/Christian Kolbert)

Der FC Bayern schlägt Jerusalem deutlich 111:85 und ist vorzeitig Eurocup-Gruppensieger. Eine Schwächephase im dritten Viertel erleichtert es Coach Sasa Djordjevic, die Euphorie zu dämpfen.

Von Ralf Tögel, München

Hatte er überhaupt Luft geholt? Mody Maor überschüttete die Zuhörer mit einem Schwall an Worten, die er in einer derartigen Geschwindigkeit aneinanderreihte, dass man beim Versuch, seinen Ausführungen zu folgen, irgendwann scheitern musste. Hängen blieben Satzfetzen und einzelne Worte, das Adjektiv "hart" kam besonders oft vor. Moar sprach von einem harten Spiel für ihn und sein Team, einer harten Niederlage, zugefügt von einem harten Gegner. Fragen? Nein? Weg war er, wie eine flüchtige Erscheinung aus dem fernen Jerusalem. Moar ist der Trainer des israelischen Meisters, er hatte gerade eine deftige 85:111-Niederlage einstecken müssen, keine schöne Sache. Eine harte Erfahrung, um im Bild zu bleiben.

Man muss Verständnis haben mit dem jungen Coach, der erst seit Anfang November beim israelischen Meister in der Verantwortung steht und wenig Übung mit Pressekonferenzen hat. Der 32-Jährige hat seinen Chef Fotis Katsikaris beerbt, der wegen andauernder Misserfolge gehen musste. Jerusalem war als einer der Favoriten in den Eurocup gestartet, seit Mittwochabend sind die Chancen auf ein Weiterkommen nur noch theoretischer Natur.

Auch in der heimischen Meisterschaft läuft es nicht rund, der Titelverteidiger ist nur Dritter, scheint sich aber nach dem desaströsen Saisonbeginn langsam zu stabilisieren. Das Parkett im Audi Dome ist aber ein denkbar schlechtes Pflaster, um weiter in die Spur zu kommen. Die Münchner zeigten zu Beginn der Partie nicht den Hauch von Mitleid: 28:11 lag der Favorit vorn, es bahnte sich ein Debakel für Jerusalem an. Vor allem mit dem blitzschnellen Jared Cunningham, der mit seinen Hochgeschwindigkeits-Dribblings die Gegner reihenweise ins Leere laufen ließ, hatte Hapoel Probleme, sieben Minuten benötigte der Bayern-Guard für zwölf seiner insgesamt 19 Punkte. Er bewies, dass er zu einer Attraktion in der Liga werden kann. Zog er nicht selbst zum Korb oder versuchte einen Dreier, dann bediente er eben Center Maik Zirbes (18 Punkte), der mit seiner mächtigen Statur die Herrschaft unter dem Brett übernahm. Der 53:38-Vorsprung zur Pause hatte immer noch beruhigende Dimensionen, doch angesichts der mit Leichtigkeit herausgespielten Führung fiel es dem FCB zunehmend schwer, die Spannung auf dem höchsten Level zu halten. Auch nahmen die Aktionen für die Galerie, wie Pässe hinter dem Rücken, sprunghaft zu. Was nach dem Wechsel dazu führte, dass die Partie kippte.

Bei den Bayern schlichen sich Fehler und Unkonzentriertheiten in der Abwehr ein, die Israelis bewiesen, was sie leisten können, wenn man sie lässt. Die amerikanische Riege um den ehemaligen NBA-Champion Austin Daye und die Euroleague-erfahrenen Tarence Kinsey und Jerome Dyson traf plötzlich hochprozentig, der Grieche Stratos Perperoglou, der wie Kinsey mit 19 Punkten Topscorer für Jerusalem war, erwischte einen Glanztag. Auch der Rest des Kaders, der in der Hauptsache aus israelischen Nationalspielern besteht, weiß mit dem Ball umzugehen.

"Wir haben alles gewonnen", sagt FCB-Coach Djordjevic, "trotzdem sind wir am Anfang"

Knapp drei Minuten vor dem Ende des dritten Viertels hatte Hapoel auf 66:70 verkürzt, was Bayern-Trainer Aleksandar Djordjevic nicht so recht erklären konnte. Seinen Spielern aber teilte er noch in der Kabine mit, wie sehr ihm das missfiel: "Einstellung und Defense waren weg, das darf nicht passieren." Seiner finsteren Miene war zu entnehmen, dass er sich unmissverständlich ausgedrückt hatte. Zu streng wollte der Trainer angesichts des hohen Sieges, der den vorzeitigen Gruppensieg bedeutete, aber nicht sein. Es sei "auch menschlich" mal etwas zu schwächeln. Kapitän Gavel betonte, dass die Spieler schon wüssten, welch böse Folgen solche Phasen haben können: "Unsere einzige Niederlage gegen Würzburg kam so zustande, da haben wir auch mit 20 Punkten geführt."

Allerdings hat das Team dazugelernt, der Kader ist zudem mit einer ganzen Reihe von Akteuren gespickt, die solche Momente schnell beenden können. Braydon Hobbs (11) tat das mit zwei Dreiern - und Danilo Barthel, der in der zweiten Halbzeit 19 seiner 21 Punkte machte. Trotz seiner Wucht und Größe ist der Flügelspieler beweglich und flink, er war von Jerusalem nicht mehr in den Griff zu bekommen. Mit 21 Punkten war der 26-Jährige nicht nur bester Punktesammler auf dem Feld, er wurde von der Liga auch zum besten Spieler des gesamten Spieltages gekürt. Sicher, sagte Barthel hinterher, man habe sich im dritten Viertel "zu sehr auf Einzelaktionen fokussiert". Aber Barthel weiß, dass "wir Spieler auf der Bank haben, die jederzeit Impulse setzen können, wenn sie ins Spiel kommen". So wie er an diesem Abend. Vor dem Wechsel war der Vorsprung auf 82:68 angewachsen, der letzte Durchgang geriet zum finalen Beweis der Bayern-Klasse.

Also letztlich ein versöhnlicher Schluss, allseits Zufriedenheit? "Auf keinen Fall", sagte Barthel, "ich bin nie zufrieden." Worte, die Trainer Djordjevic gerne hören dürfte, er sagte: "Wir sind Gruppenerster, sicher, haben alle acht Spiele bisher gewonnen. Aber trotzdem sind wir am Anfang."

© SZ vom 15.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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