Basketball:93:57!

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Flugshow unterm Hallenhimmel: Nihad Djedovic erzielt zwei seiner insgesamt 15 Punkte, ehrfürchtig verfolgt von den Spielern aus Litauen. (Foto: imago/kolbert-press)

Der FC Bayern erteilt dem litauischen Tabellenführer Lietkabelis Panevezys eine Lehrstunde und katapultiert sich in den Kreis der Favoriten auf den Eurocup. Trainer und Team dämpfen die Euphorie.

Von Ralf Tögel, München

Da saß er nun, Arturs Stalbergs, Cheftrainer des litauischen Basketballklubs Lietkabelis Panevezys, blickte grimmig und sprach von einem "turning point". Nach etwa sieben Spielminuten hatte er diesen ausgemacht. Bis dahin, bis zu diesem Wendepunkt also, habe seine Mannschaft vieles richtig gemacht in der Eurocup-Partie gegen den FC Bayern München: "Wir waren aggressiv in der Abwehr und haben physisch dagegengehalten." Was in der Tat nicht einmal so falsch war, Beleg war die 13:9-Führung für Panevezys. Doch dann waren diese sieben Minuten gespielt, und was nun über sein Team hereinbrach, beschrieb der Trainer der Gäste mehrmals als "lesson". Auch damit lag er richtig. Die Bayern gewannen ihr erstes Heimspiel im internationalen Wettbewerb 93:57 (49:22) und erteilten dem Gegner dabei eine bitterböse Lehrstunde.

Der auf diesem Niveau riesige Abstand von 36 Punkten war dabei keinesfalls zu hoch. Im letzten Viertel zeigten die Bayern ein paar Nachlässigkeiten und ließen an Intensität und Tempo nach. Man sollte nun vorsichtig sein mit Superlativen und keine Elogen zu dieser frühen Saisonphase auf die Bayern singen, auch wenn das zweite Viertel am Mittwochabend in dieser Hinsicht verführerisch war. Der Gegner war ja als große Nummer angekündigt, in der Basketball-Nation Litauen soll er die jahrelange Dominanz von Zalgiris Kaunas brechen. Dafür wurde das Team zusammengestellt, sieben Siege in sieben Spielen zeigen, dass man dabei so viel nicht falsch gemacht haben kann. Der Teamkern um die legendären Lavrinovic-Zwillinge Darjus und Ksistof wurde gehalten und punktuell verstärkt, etwa mit Nationalspieler Zanis Peiners, der seine Farben im Audi Dome lange im Alleingang im Wettkampf hielt.

Das Spiel der Bayern ist für die Balten einfach zu schnell: Das zweite Viertel endet 32:9

Nach ähnlichem Muster wurde auch der FCB gestaltet, bewährte Kräfte und vier Neue an der richtigen Stelle. Doch während auf litauischer Seite lange nur Peiners und Ksistof Lavrinovic auffielen, überzeugte der FCB als Kollektiv. Erst als die Bayern schon auf 42:16 enteilt waren, trug sich der dritte Litauer in die Punkteliste ein. Auf Seite der Bayern standen da schon zehn Namen. Der Gast war schlichtweg überfordert, hatte Probleme, gegen die gallige Münchner Defense überhaupt zu Abschlüssen zu kommen. Verlorene Bälle landeten postwendend im eigenen Korb, manchmal waren drei Münchner gegen einen Litauer unter dem Brett und passten sich den Ball noch hin und her. Das Spiel der Bayern war einfach zu schnell für Panevezys, was nicht nur an den in die Jahre gekommenen Lavrinovic-Zwillingen lag - die 37-jährigen Zwei-Meter-Riesen staksten allzu oft schwerfällig hinterher.

28:0 Punkte erzielten die Münchner in Serie, ein Wert, den man auf diesem Niveau eigentlich nicht zu Gesicht bekommen dürfte. Mit 32:9 Punkten ging das zweite Viertel an den FCB, das dritte mit 21:9. Natürlich hatte sich die Frage nach dem Sieger früh erübrigt, eine andere drängte sich dafür auf: Waren die Litauer nun so schlecht oder die Bayern so gut? Zumal Lietkabelis sein Eurocup-Debüt gegen Hapoel Jerusalem gewonnen hatte, gegen einen oft genannten Titelfavoriten. Jetzt haben sich die Bayern mit lautem Getöse in diesen Kreis katapultiert, sind folglich erst mal um leise Töne bemüht.

Milan Macvan, seit Wochen in bestechender Form, meinte, man habe sich halt gut vorbereitet und war fokussiert. Er traue Panevezys "noch eine gute Rolle" im Wettbewerb zu. Kapitän Anton Gavel flüchtete sich in Floskeln: "Nur ein Spiel, wir müssen fokussiert bleiben, am Sonntag geht es nach Bremerhaven." Er denke von Spiel zu Spiel, soll nur sonst niemand denken, "dass wir jedes Spiel mit 30 Punkten gewinnen". Trainer Aleksandar Djordjevic forderte gar Erinnerungslücken ein, das Geschehene muss am nächsten Tag vergessen sein. Was sollen sie auch sagen, in so einer Situation? Aber ganz nebenbei erwähnte der Trainer noch, dass Spielmacher Stefan Jovic längst nicht in der Form sei, "die ich von ihm erwarte".

21 Assists hatten die Bayern zu verzeichnen, in der Sparte also, die Indikator für gelungenes Teamspiel ist. Deshalb fällt es dem Beobachter schwer, einzelne Akteure hervorzuheben. Nihad Djedovic war Topscorer, er war schon immer verlässlichster Punktesammler. Vladimir Lucic hat seine starke EM-Form vom serbischen Nationalteam lückenlos in das der Münchner transferiert. Bei Nationalspieler Danilo Barthel ist ein stetiger Entwicklungsprozess zu beobachten. Alex King, der erst spät in die Partie kam, war sofort zur Stelle. Braydon Hobbs war einmal mehr Bremsklotz für den Gegner, immer wenn Lietkabelis ein bisschen in Schwung kam, spielte er einen Zauberpass oder versenkte einen Dreier. Man könnte so weitermachen und den gesamten Kader durchgehen, viel Fehlerhaftes würde man nicht finden.

Also saß auch Djordjevic da, blickte ein bisschen finster und sagte: "Wir müssen versuchen, die Energie ins nächste Spiel mitzunehmen." Am Sonntag also, nach Bremerhaven, zum Drittletzten der Bundesliga. Das könnte wirklich schwer werden.

© SZ vom 20.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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