Basketball:6,7 entscheidende Sekunden

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Die Messlatte liegt höher: Die Tigers Tübingen waren für Maximilian Kleber (links) und den FC Bayern kein Maßstab. (Foto: Johannes Simon)

Beim mühelosen 95:70 gegen Abstiegskandidat Tübingen nimmt sich Bayern-Trainer Pesic Zeit für Experimente. Vor den Playoffs sollen seine Profis noch rasch den spielerischen Abstand zu Meister Bamberg verringern

Von Matthias Schmid, München

Als Maximilian Kleber aus der Kabine trottete und gemächlichen Schrittes den kürzesten Weg quer über das Spielfeld zum VIP-Raum nahm, passierte der 2,07 Meter große Basketballer des FC Bayern auch einen Korb, der ihm nur bis zum Bauchnabel reichte. Normalerweise sind Ringe und Netze in 3,05 Meter Höhe befestigt. Aber am Sonntagabend, nach dem mühelosen 95:70-Sieg in der Bundesliga gegen die Tigers Tübingen, waren sie abgesenkt worden. Die niedrig hängenden Körbe gehörten allerdings nicht zum übergeordneten Plan von Cheftrainer Svetislav Pesic, der das Spiel gegen Tübingen zum Anlass nahm, ein bisschen zu experimentieren. Vielmehr dienten sie nach dem Pflichtsieg gegen einen abstiegsbedrohten Kontrahenten als Spielwiese für die Kinder der Bayern-Profis und Verantwortlichen, die Bälle jeglicher Größe, Art und Beschaffenheit in die Reusen kickten oder warfen.

Körbe in dieser Höhe wären im Männerbasketball dann doch zu subversiv und auch nicht regelkonform. Aber auch ohne radikale Versuchsreihe fand Pesic hinterher seine Experimente gelungen. "Es war ein perfektes Spiel von uns", resümierte der 66-Jährige und fügte nach einer Kunstpause hinzu: "Zwanzig Minuten lang." In der ersten Hälfte hatte er von seinen Spielern gesehen, was er von ihnen sehen wollte. Dynamik, Eifer und viele Punkte. Nach dem Seitenwechsel ließ die totale Fokussierung in dem einseitigen Spiel verständlicherweise etwas nach, es erinnerte eher an ein Freundschafts- als an ein richtiges Punktspiel. Eines aber, das trotzdem lohnenswert für den FC Bayern war. "Wir haben einige Sachen ausprobiert und auch neue Systeme gespielt", sagte Kleber. Der Schwerpunkt fünf Spiele vor dem Start der Meisterrunde lag dabei auf Pesics Lieblingsdisziplin, der Defensive. "Wir müssen vor allem unsere Transition Defense steigern", betonte der Serbe. Darin würden sich nämlich Spitzenmannschaften und gute Mannschaften unterscheiden.

Es geht dabei um teamtaktische Verteidigung nach einem erfolgreich abgeschlossenen Spielzug oder nach einem Ballverlust, wenn die Spieler noch nicht wieder um den eigenen Korb formiert sind, wie es der Trainer verlangt. "Die ersten 6,7 Sekunden sind da entscheidend, damit wir keine leichten Punkte des Gegners zulassen", erklärte Pesic. In den wenigen Wochen, die ihm noch bis zum Beginn der Playoffs bleiben, will er alles versuchen, den spielerischen Abstand zum momentan famosen Tabellenführer Bamberg zu verringern. Genauso schnell wie seine Spieler nach hinten rennen und absichern sollen, will er sehen, dass sie bei Ballgewinn in Höchstgeschwindigkeit den Spielzug abschließen. "Der Basketball ist sehr viel athletischer geworden", hob Pesic hervor, "wenn wir auf diese Weise Überzahl kreieren und schnell punkten können, haben wir einen Vorteil."

Tübingen war da der geeignete Gegner, weil der Klub eine Mannschaft stellt, die es versteht, je nach Situation schnell und schnörkellos anzugreifen oder gemächlich die 24-Sekunden-Uhr im Positionsspiel herunterlaufen zu lassen. "Wir haben daher heute gut erkennen können, wo wir stehen", sagte Pesic. Vieles läuft schon gut, einiges muss noch besser werden. Vor allem die Reboundarbeit unter den Brettern auf beiden Seiten, findet Maximilian Kleber: "Da müssen wir uns noch verbessern, weil wir auch die Spieler dazu haben." Negativ auffällig war gegen Tübingen tatsächlich, dass die beiden größten Spieler Mahir Agva und der ehemalige Münchner, Bogdan Radosavljevic, die meisten Punkte sammelten. "Wir müssen uns hier auch in den Eins-gegen-eins-Duellen steigern", fügte Kleber hinzu, "und besser rotieren, wenn wir uns gegenseitig helfen, damit es keine offenen Würfe für den Gegner gibt."

Hilfreich in dieser Hinsicht ist, dass inzwischen alle Spieler des Bayern-Kaders von ihren großen und kleinen Wehwehchen genesen sind. Erstmals in dieser Saison konnte Pesic gegen Tübingen die komplette Mannschaft aufbieten. Mit einer kleinen Ausnahme: Kapitän Bryce Taylor saß krank auf der Bank und spielte nur knapp drei Minuten. "Wir müssen jetzt weiter hart arbeiten und gesund bleiben, damit wir die Mannschaft vor den Playoffs entwickeln können", sagt der Trainer.

Dass genesen nämlich nicht vollständig gesund, also beschwerdefrei bedeuten muss, weiß niemand besser als der wegen einer komplizierten Fußverletzung mehrere Monate absente Kleber. "Ich habe noch Schmerzen, aber ich muss in diesen Wochen darüber hinweggehen", sagt der 24-jährige Flügelspieler. "Wir wollen ja schließlich die Meisterschaft gewinnen."

© SZ vom 12.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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