Baseball:Liebhaber aus Venezuela

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Gelungenes Comeback: Bei Saisonstart gehörte Ruben Manriquez nicht mehr zum Erstligakader, nun ist er aus dem Team nicht mehr wegzudenken. (Foto: Claus Schunk)

Bundesligist Haar Disciples bleibt nach zwei Siegen gegen Stuttgart im Geschäft um die Meister-Playoffs - auch dank Ruben Manriquez.

Von Christoph Leischwitz, Haar

Ruben Manriquez wartete auf den Ball, die Situation konnte kaum spannender sein. Verfehlt der Spieler der Haar Disciples den Wurf, geht es ins nächste Inning, es wäre schon das elfte gewesen. Schlägt er aber den Ball ins Feld, würde das den Sieg im zweiten Spiel gegen die Stuttgart Reds bedeuten. Manriquez sah den gegnerischen Werfer an, vier Mal schwang er den Schläger wartend hin und her, dann zog er ihn hoch an die Schulter. Und dann ein niedriger Wurf, Manriquez schwang trotzdem, klock. Der Ball setzte hart auf dem Boden auf, sprang wieder in die Höhe - und flog wenige Zentimeter über den Handschuh des verzweifelt springenden Stuttgarters hinweg ins Mittelfeld. Ausgelassener Jubel auf der Tribüne, Manriquez riss die Arme hoch, Christoph Ziegler lief zur Home Plate, drehte um, und lief wie alle anderen Disciples Manriquez hinterher. Wenig später lag der dritte Baseman unter einem Menschenhaufen.

Sie hatten es wieder mal unnötig spannend gemacht gegen den Vorletzten der Baseball-Bundesliga, dafür war freilich die Freude umso größer. Der Doppelsieg am Samstag war wichtig, weil man so den Anschluss hält auf die Spitzenteams und den Abstand auf die Verfolger wahrt. Für die Disciples sieht es derzeit recht gut aus mit dem angestrebten Playoff-Platz am Ende der Punkterunde. Und das dank eines 47-jährigen Venezolaners, der in wichtigen Momenten genau das Richtige tut.

Manriquez stand zu Saisonbeginn gar nicht mehr im Kader. "Die Disciples hatten mich gebeten, die zweite Mannschaft zu trainieren", erzählt er. Nach ein paar Spieltagen merkten die Verantwortlichen, dass seine Erfahrung vonnöten ist. Seit den beiden Auswärtspartien in Stuttgart drei Wochen zuvor steht er wieder an der dritten Base. "Es ist seine Erfahrung, er macht das Team auch defensiv besser", sagt Sportdirektor Christopher Howard. An der dritten Base habe es mit dem Amerikaner Austin Diemer "nicht so funktioniert".

Das Pitching sei nun endlich "top", sagt Howard, auch wenn der späte Zugang Michael Click am Samstagnachmittag denkbar schlecht in Spiel zwei startete. Er gab schnell drei Punkte ab, obwohl er zwei Stuttgarter gleich am Schlag ausmachen konnte. Er ließ später dann noch souveräne zehn Strikeouts folgen. In Spiel eins hatte der stets zuverlässige Werfer Jan Tomek auch schon elf Strikeouts verzeichnet, der 3:1-Erfolg war auf dem Papier knapp, auf dem Feld aber nie gefährdet. Wohl endgültig keine Rolle mehr spielt der US-Amerikaner Darren Fischer, der nicht einmal eingewechselt wurde, als Click nach acht Durchgängen den Werferhügel verließ. Und auch nicht, als Kevin Trisl nach 5:3-Führung im neunten Durchgang den 5:5-Ausgleich hinnehmen musste, Lukas Steinlein brachte das Spiel zu Ende. Nach dem späten Sieg verließ der 25-jährige Fischer recht schnell das Stadion.

Auch wenn Trisl in der spannenden Phase der Partie keinen Rhythmus fand, der Bullpen, der Pitcher-Kader also, wird in Haar nun nicht mehr als Problem angesehen. Vielmehr die fehlende Kaltblütigkeit und die Erfahrung, in entscheidenden Momenten fehlerfrei zu bleiben. Und da gilt Manriquez als genau der richtige Mann. "Er ist eiskalt. Und das" - Howard spielt auf das spektakuläre Spielende an - "sind die Situationen, für die er lebt". Schon davor hatte Manriquez in vielen Situationen den Unterschied gemacht, sportlich wie emotional. In Spiel eins hatte er einen der drei Punkte erlaufen, in Spiel zwei hatte er im achten Inning einen harten Schlag mit einem Sprung direkt aus der Luft gefangen und war so breitbeinig gelandet, dass er kurz aussah wie Cristiano Ronaldo, wenn dieser zu seiner typischen Jubelpose ansetzt. Er erntete dafür lauten Applaus. Später stand er am Zaun und forderte die rund 200 Zuschauer auf, Stimmung zu machen. Manriquez ist ein Spieler, der auch mal einem kleinen Jungen einen Ball über den Zaun reicht. Normalerweise muss der Nachwuchs schon einem aus dem Stadion fliegenden Ball hinterherlaufen und ihn aus dem Gebüsch holen, um dafür am Kiosk einen Lolly zu bekommen.

"Ich liebe dieses Spiel", sagt Manriquez noch, "und ich möchte mit allem, was ich tue, die Saat legen, dass andere es auch lieben."

© SZ vom 29.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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