Badminton:Jo-Jo zwischen den Welten

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Freundlich, bescheiden, schmächtig: Man neigt dazu, Misha Zilbermann zu unterschätzen – bis der Israeli seine Schnelligkeit zeigt. (Foto: Anke Lütticke/oh)

Der israelische Nationalspieler Misha Zilberman hilft dem TSV Neuhausen auf dem Weg zum Aufstieg. Dabei ist der Profi viel zu gut für Liga zwei.

Von Sebastian Hepp, München

Springt er noch oder schwebt er schon? Beim israelischen Nationalspieler Misha Zilberman weiß man das nicht so genau. Bei ihm sieht Badminton aus wie ein Gesamtkunstwerk aus einer einzigen, fließenden Bewegung. So dynamisch der 29-Jährige nach vorne in Richtung Netz zu schnellen pflegt, so flink ist er auch beim Rückwärtslaufen zur Mitte des Feldes, seinem ständigen Fix- und Orientierungspunkt. Wirbelt er nach links und rechts von einem Spielfeldrand zum anderen, um auch platzierteste Bälle noch zurückzuspielen, zieht es ihn immer wieder wie ein Jo-Jo zum Ausgangspunkt zurück.

Für die Gegner des neuen Spitzenspielers von Badminton-Zweitligist TSV Neuhausen-Nymphenburg muss sich das anfühlen wie der Wettkampf zwischen Hase und Igel: Wo immer sie den Ball hinspielen, Zilberman hat eine Antwort parat, und die lautet: "Bin schon da!" Im Spitzeneinzel der Partie gegen Geretsried vor etwas mehr als einer Woche musste das auch der Ire Mark Brady erfahren. Brady, 23, als Nationalspieler seines Landes wahrlich auch kein Schlechter seines Fachs, sah gegen den auf der Weltrangliste mit Position 44 weit vor ihm rangierenden Zilberman zeitweise ziemlich alt aus. Manchmal verzögerte der Israeli seinen Schlag aufreizend lange, um dann einen unerreichbaren Crossball kurz hinter das Netz zu setzen oder im letzten Moment eine Rückhand die Linie entlang zu peitschen und Brady ins Leere laufen zu lassen. Das Resultat: ein ungefährdeter 11:9, 11:4 und 11:2-Erfolg. Dabei wirkte Zilbermann sehr locker und sehr souverän.

Jede Menge Spaß strahlte er an diesem Tag auch an der Seite seines Doppelpartners Tobias Wadenka aus, die Neuhauser gewannen gegen die Paarung Brady und Noah Gnalian klar mit 11:5, 11:7, 11:9.

Die Überlegenheit Zilbermans in der zweiten Liga ist allerdings kein Wunder. Geretsrieds Trainer Johann Niesner ist sich sogar sicher: "Er würde auch in der ersten Liga keines seiner Einzel verlieren." Bei seinen bisher fünf Einsätzen in dieser Disziplin hat der hochkarätige Zugang jedenfalls noch keinen einzigen Satz abgegeben. Nur im Mixed an der Seite von Nachwuchsspielerin Monika Weigert kam er in der Begegnung gegen Dortelweil einmal an den Rand einer Niederlage (11:9-Erfolg im fünften Satz). Und zuletzt am vergangenen Sonntag gab er im Doppel, Achtung: tatsächlich einen Satz im Doppel an der Seite von Fabian Holzer ab. Im Einzel siegte er auf dem Weg zum 6:1-Auswärtserfolg seiner neuen Mannschaft in Marktheidenfeld aber wieder ohne Mühe.

Geretsrieds Trainer glaubt: "Er würde auch in der ersten Liga kein Einzel verlieren."

Dabei sieht man dem vergleichsweise kleinen, eher schmächtigen Spieler seine Explosivität auf dem Court nicht an - außer vielleicht beim Blick auf seine ausgeprägte Wadenmuskulatur. Gegner, die ihn noch nicht kennen, neigen vermutlich dazu, ihn erst einmal zu unterschätzen, nach dem Motto: "Geh mal trainieren und spiele noch ein paar Turniere, dann wächst du sicher zu einem tüchtigen Regionalligaspieler heran." Bis sie merken, dass der freundliche, bescheiden auftretende Mann ein Profi ist, der ihnen dank seiner immensen Schnelligkeit schon nach den ersten Ballwechseln den Schneid abkauft.

Die Maxime von Zilbermann ist es, "die Kontrolle auf dem Court zu gewinnen und mich speziell bei den langen Rallyes noch zu verbessern". Wenn er nicht gerade weltweit auf Turnieren unterwegs ist, zieht sich Zilberman nach Ness-Ziona, seinen kleinen Wohnort und Lebensmittelpunkt bei Tel Aviv, zurück. "In Israel habe ich auch meinen Trainingsschwerpunkt", fügt er hinzu. Der derzeit beste israelische Spieler nahm 2016 an den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro teil, er möchte sich im Lauf des nächsten Jahres "unbedingt auch für die Olympischen Spiele in Tokio 2020 qualifizieren". Sein größtes Ziel weist aber über dieses Ereignis hinaus. "Ich will im Einzel unter die Top 25 der Welt kommen", sagt er - wohl wissend, dass ihn von der absoluten Spitze immer noch Welten trennen.

Aber wie lässt sich dies miteinander vereinbaren: Sich möglichst oft mit internationalen Spitzenspielern zu messen und in der zweiten Bundesliga immer wieder auf deutlich schlechtere Gegner zu treffen? "Es ist eine willkommene Abwechslung zum harten Profidasein", sagt Zilberman. Und Neuhausens Teammanager Philipp Blonck findet, er passe "sehr gut in unser Team und fühlt sich von uns sehr gut aufgenommen". Misha Zilberman, der dieses Jahr vom Schweizer Verein Union Fribourg zum TSV Neuhausen-Nymphenburg wechselte, war hier übrigens kein Unbekannter: Vor 15 Jahren war er schon einmal für den TSV als Spieler aktiv. "Damals in einer der unteren Ligen", erinnert er sich. Und hofft nun, dass sein neuer Verein (der derzeit klarer Tabellenführer ist) in der nächsten Saison wieder erstklassig sein wird. Bis zum nächsten Heimspiel an diesem Samstag (15 Uhr) gegen den SV Fischbach hat er noch genügend Zeit, um sein Dasein als Badminton-Globetrotter fortzusetzen.

© SZ vom 31.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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