Aerobic:Omas Heldin

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Bundeskader, EM, WM: Die Karriere von Celin Milde ist immer steil nach oben verlaufen, vielleicht folgen demnächst die World Games. (Foto: privat/oh)

Celin Milde vertritt Deutschland bei der Sportaerobic-WM und träumt von Olympia. Das Problem: Aerobic ist nicht olympisch

Von Fabian Swidrak, Pastetten

Es sieht mitunter etwas eigenartig aus, wenn Celin Milde allein vor dem großen Spiegel herumspringt, die Beine schwingt und dann abrupt stehen bleibt. Immer dann, wenn die Choreografie ein Element vorsieht, das sie nur in ihrem Team turnen kann, der Sportaerobic-Gruppe der TG Nieder-Ingelheim (Rheinland-Pfalz). Einmal pro Woche fährt Milde, deren Heimatverein die TSG Pastetten (Kreis Erding) ist, mit dem Zug von München nach Ingelheim bei Mainz zum Training, an vier bis fünf weiteren Tagen übt sie alleine, in letzter Zeit mehr denn je. Am Samstag und Sonntag vertritt sie Deutschland mit ihrer Fünfer-Gruppe bei der Sportaerobic-Weltmeisterschaft in Südkorea.

"Wer weiß, ob ich da je noch mal hinkomme", sagt Milde, die erstmals bei einem großen Turnier zu den Erwachsenen zählt. Im November nahm die 18-Jährige noch in der Age Group 2 (15 bis 17 Jahre) an der Europameisterschaft in Portugal teil. "Ich liebe es, auf Wettkämpfen zu zeigen, was ich kann", erklärt sie. "Ich freue mich daher riesig auf die WM. Das ist wirklich etwas ganz Besonderes für mich."

Seit Milde 2014 in den Bundeskader berufen wurde, ist sie viel unterwegs: Wettkämpfe in Frankreich, Ungarn, Kalifornien, nach der WM folgt ein Weltcup in Las Vegas. Die Reisekosten, auch die wöchentlichen Bahnfahrten zum Training nach Ingelheim, bezahlen ihre Eltern. "Aerobic ist keine olympische Disziplin", sagt Milde, daher werde der Sport kaum finanziell gefördert. Seit ihrem sechsten Lebensjahr macht Milde Aerobic. Damals, erzählt sie, gab es Bestrebungen, die Sportart zu den Sommerspielen 2016 ins olympische Programm aufzunehmen. Dabei sein werden in Rio de Janeiro jedoch wieder nur die Athleten der mit der Aerobic verwandten Rhythmischen Sportgymnastik.

In den Wettkämpfen der Sportaerobic gibt es vier Leistungsklassen. Anfänger starten in Level vier, die besten Sportler kämpfen in Level eins um die deutsche Meisterschaft. "Früher war mein Ziel immer, das höchste Level zu erreichen", erzählt Milde. "Als ich das geschafft hatte, wollte ich in den Bundeskader, dann zur EM und zur WM. Jetzt hoffe ich, dass Aerobic irgendwann olympisch wird. Das ist mein Traum." Die Chancen stehen allerdings nicht allzu gut: "Wir sind der Sportgymnastik zu ähnlich", meint Milde. Zudem sei der Bekanntheitsgrad der Aerobic zu gering, gerade hierzulande. "Meine Oma sagt immer, ich wäre eine Heldin und fragt, warum Aerobic nicht im Fernsehen kommt. Sie versteht nicht, dass mein Sport nicht so viele Menschen interessiert." In Deutschland, sagt Milde, gebe es nicht genug Trainer und zu wenige Vereine, in denen Sportaerobic angeboten werde.

Milde ist inzwischen so gut, dass sie sich während der Woche selbst trainiert. Wie die einzelnen Elemente einer Choreografie aussehen müssen, weiß sie genau. Weil sie im Spiegel nicht alles sehen kann, filmt sie ihr Training manchmal und sieht sich später die Aufnahmen an. Als Trainerin leistet sie Aufbauarbeit, betreut bei der TSG Pastetten zwei Mädchen, die Aerobic weit weniger intensiv betreiben. Parallel absolviert Milde eine schulische Ausbildung zur staatlich anerkannten Gymnastiklehrerin, macht dabei ebenfalls viel Sport- kein Aerobic, aber Ballett. "Das ist gut für meine Körperhaltung und generell für meine Fitness", sagt Milde.

Auch in Südkorea will sie davon profitieren. Die Chancen ihres Teams könne sie kaum seriös einschätzen. Für Deutschland sei es bereits ein Erfolg, überhaupt bei der WM dabei zu sein, erklärt Milde. 16 Gruppen aus 16 Nationen nehmen an der Qualifikation am Samstag teil, die besten acht kommen ins Finale am Sonntag. Dort wiederum werden sechs Tickets für die World Games vergeben, die 2017 in Breslau (Polen) stattfinden - der wohl größte internationale Wettkampf all jener Sportarten, die zwar olympische Anerkennung genießen, jedoch nicht zum Programm der Olympischen Spiele gehören. Es dorthin zu schaffen, "wäre echt der Hammer", sagt Milde, die sich ihren Traum damit irgendwie doch noch erfüllen könnte.

© SZ vom 17.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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