Abstiegskampf in der Dritten Liga:Bälle durch die Weltgeschichte

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Vereint im Trübsinn: Das 1:0 gegen Unterhaching vermag die Stimmung beim FC Bayern II kaum zu heben.

Benedikt Warmbrunn

Es waren zwei erfahrene Männer, die sich da zueinander beugten, die Gesichter gezeichnet von den Jahren und den jüngsten Enttäuschungen. Leise schilderten sie sich ihr Leid: ganz schlimm, wird nicht besser, wenn es so weitergeht, du weißt schon. Dann wollte der eine, Klaus Augenthaler, sich abwenden, raus aus diesem Raum, weg von dieser noch frischen lästigen Erinnerung, da erhob der andere, Hermann Gerland, noch einmal seine Stimme. "Noch mehr davon", sagte Gerland über dieses Fußballspiel, "und ich falle von der Bank." Augenthaler nickte verständnisvoll, dann huschte er durch die Tür.

Ein Derby-Abend im Grünwalder Stadion, und danach findet sich keiner, der richtig gute Laune hat. 1:0 hatte der FC Bayern München II von Hermann Gerland das Nachholspiel gegen die SpVgg Unterhaching von Klaus Augenthaler gewonnen. Für den Gastgeber war es der erste Sieg nach nur einem Punkt aus fünf Spielen, darunter zuletzt vier Niederlagen in Serie. Ein Sieg, der vorsichtige Zuversicht gibt in einem fast schon aussichtslos erschienenen Abstiegskampf, auch wenn die Mannschaft weiterhin Tabellenletzter der Dritten Liga bleibt. Für die Gäste aus Unterhaching war es eine weitere Ernüchterung, eine Bestätigung des Abwärtstrends: Von den vergangenen 13 Spielen hat das Team nur zwei gewonnen. Da Saarbrücken gleichzeitig Offenbach besiegt hat, ist Unterhaching wieder näher an die Abstiegsplätze herangerutscht, wenngleich der Vorsprung noch sechs Punkte beträgt. Noch.

Es war ein Derby-Abend, der zwar einen Sieger gefunden hatte, aber es war zugleich ein Derby-Abend, an dem sich niemand wie ein Sieger fühlen wollte. Klaus Augenthaler sowieso nicht, er hatte ja verloren. "Wir haben die Bayern-Mannschaft vor keine große Aufgabe gestellt", sagte er niedergeschlagen, vertan war die Chance, sich ins sichere Mittelfeld abzusetzen. Natürlich wurde er auch auf die jüngste Kritik von Sportdirektor Francisco Copado an ihm angesprochen, aber so leicht lässt sich Augenthaler nicht locken. Er werde sich auf seine Aufgabe konzentrieren, und die sei, zum Heimspiel am Samstag gegen Rostock wieder eine gute Mannschaft präsentieren zu können, sagte er: "Alles andere ist hausgemacht."

Zugleich war das Spiel derart niveauarm, dass selbst Gerland sich nicht lange bei den positiven Seiten ("Wir haben drei Punkte mehr. Drei Punkte sind gut, oder?") aufhalten wollte. Für den FC Bayern II war es das zweite Heimspiel innerhalb von fünf Tagen, und bis vor diesen beiden Heimspielen hatte Gerland noch von einem Aufwärtstrend gesprochen, den er trotz der Niederlagen erkannt habe. Dann kam erst das Spiel gegen Jena, dann das gegen Unterhaching, und Gerland schüttelte den Kopf, wenn er an diese Auftritte denken sollte. "Wir haben nicht Fußball gespielt", sagte er betrübt.

Fußball spielen, das gilt eigentlich als Stärke seiner Mannschaft, im Gegensatz zu den von Gerland eigentlich geliebten Eigenschaften wie rennen und kämpfenkämpfenkämpfen. "Aber die", sagte Gerland, er meinte seine Spieler, die sich seinen fußballerischen Lehren verweigerten, "die knallen jetzt plötzlich die Bälle durch die Weltgeschichte." Dem Team fehlte Mut, ihm fehlte Kreativität, ihm fehlte Sicherheit im Passspiel. Das Tor war ein abgefälschter Schuss von Boy Deul, Sekunden vor dem Pausenpfiff. Worauf er nach einem solchen Spiel im Abstiegskampf hoffen könne, wurde Gerland gefragt. "Meine Hoffnung?", fragte er, ein Lachen, "meine Hoffnung ist, dass die anderen auch nicht besser sind. Und das hoffe ich jetzt nicht, das weiß ich."

Bei diesen trüben Aussichten an diesem nebligen Abend wurde wenigstens ein sonniger Satz gesprochen, ein Satz, fast zu schön für einen solchen Anlass. Boy Deul, der Siegtorschütze, stand im Kabinengang, alle kamen sie vorbei und gratulierten ihm. Sportdirektor Christian Nerlinger klopfte ihm auf die Schulter, Profi-Torwart Hans-Jörg Butt schlug schallend mit ihm die Hände zusammen, Profi-Assistenztrainer Andries Jonker plauderte kurz mit ihm auf Holländisch, obendrein gab es ein Zwinkern. Deul war die ganze Aufmerksamkeit sichtlich unangenehm, er zuckte immerzu mit der Schulter, ein verlegenes Grinsen. Dann sagte er: "Wir müssen jetzt an unsere Herzen glauben."

© SZ vom 17.02.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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