3. Liga:Eine Frage der Qualität

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"Manchmal habe ich das Gefühl gehabt, dass eine Schülermannschaft gegen eine Erwachsenenmannschaft spielt": Hachings Flügelspieler Luca Marseiler steht die Verzweiflung ins Gesicht geschrieben. (Foto: Claus Schunk)

Die SpVgg Unterhaching taumelt nach der 2:3-Niederlage gegen Uerdingen erstaunlich emotionslos dem Drittliga-Abstieg entgegen - auch weil Trainer van Lent fragwürdige Personalentscheidungen trifft.

Von Christoph Leischwitz, Unterhaching

Es ist fast schon bewundernswert, wie gefasst Arie van Lent das alles hinnahm. Die SpVgg Unterhaching stand schon vor dem Anpfiff auf dem letzten Tabellenplatz der dritten Liga. Und dann erspielt sich seine Mannschaft am Samstag gegen den KFC Uerdingen in den ersten 45 Minuten keine einzige Torchance. Sie liegt 0:2 zurück. Das dritte Tor für Uerdingen in der 46. Spielminute wird nachträglich aberkannt. Dann trifft der eingewechselte Paul Grauschopf zum 1:2 (60.). Kein Jubel. Stephan Hain, der so lange verletzt war, köpfelt zwei Minuten später den Ausgleich (62.). Lächeln, abklatschen, aber kein Jubel. Wiederum zwei Minuten später fällt das 3:2 für die Gäste.

Doch das Spiel ist deswegen nicht entschieden, denn Uerdingens Assani Lukimya setzt in der 80. Spielminute einen Foulelfmeter an den Pfosten. Wie schafft man es bloß als Trainer, eine dermaßen kuriose Berg- und Talfahrt, bei der es um die Zukunft des Vereins und letztlich auch um Arbeitsplätze geht, ohne erkennbare Gefühlsregungen hinzunehmen? Die auffälligste Geste war noch, dass sich van Lent nach dem 0:2 seine Jacke über den Pullover zog, so, als ob ihm jetzt kalt werden würde.

Die SpVgg Unterhaching war zunächst zaghaft, dann tauchten gleich mehrere Hoffnungsschimmer auf. Doch fast schien es, als wolle man die Geschenke des Schicksals gar nicht annehmen. Nach der 2:3 (0:2)-Niederlage, die einen großen Schritt in Richtung Amateurfußball bedeutet, die Frage an den Trainer: Wenn sich eine Mannschaft in so einer Situation eine Halbzeit lang keine Chancen erspielt - fehlt es dann nicht einfach an Qualität? "Die Frage wird dann sicherlich auch kommen, die müssen wir uns dann auch stellen", antwortete van Lent, erneut ziemlich emotionslos. Womit er natürlich falsch lag: Die Frage wird nicht, sie ist bereits gestellt, sinngemäß auch von den Fans in einschlägigen Internetforen. Der Tabellenplatz schreit geradezu danach: Wo sind eigentlich die Routiniers, die es im Kader ja durchaus gibt? Warum versucht man nicht mit ein bisschen Erfahrung, mit allem was man hat, sich gegen den drohenden Abstieg zu stemmen?

Schromm habe "schon länger mit dem Gedanken gespielt", erklärt SpVgg-Präsident Schwabl bezüglich der Entscheidung des Sportdirektors, bis Sommer zu pausieren

Einerseits hatte die SpVgg Unterhaching großes Verletzungspech. "Endres, Welzmüller, Stahl, Hain - dass so eine Mannschaft diese Ausfälle schwer verkraften kann, ist klar", erklärt Hachings Präsident Manfred Schwabl. Allesamt Spieler, die in der laufenden Saison nur kurz oder gar nicht zur Verfügung standen. Noch dazu waren im Sommer Sascha Bigalke und Jim-Patrick Müller freigestellt worden.

In der Halbzeit des Spiels sagte Schwabl bei Magentasport: "Manchmal habe ich das Gefühl gehabt, dass eine Schülermannschaft gegen eine Erwachsenenmannschaft spielt." Aber es gäbe sie ja schon noch, die Routiniers.

Auch wenn Jannis Turtschan, 19, auf der Linksverteidiger-Position ordentlich spielt - was ist eigentlich mit Routinier Max Dombrowka? "Formtief", sagt Schwabl. Und was ist mit Jannik Bandowski, 26, der immerhin 26 Zweitliga-Einsätze aufweist? Darauf angesprochen sagte van Lent, es habe "bestimmte Gründe", dass dieser nicht im Kader stehe. Bandowski kommt auf vier Kurzeinsätze zu Beginn der Spielzeit.

Bandowski selbst sagt zu dieser Aussage: "Ich war selbst ganz überrascht." Denn "bestimmte Gründe", das klinge "irgendwie kryptisch, so als wäre irgendwas vorgefallen. Nichts dergleichen ist passiert. Der Trainer stellt mich einfach nicht auf. Mehr gibt's dazu nicht zu sagen." Womit aber schon einiges gesagt wäre: Der Verein verzichtet in dieser Situation auf erfahrene Spieler, die möglicherweise im Abstiegskampf helfen könnten.

Einen Tag vor dem wichtigen Spiel gegen Uerdingen hatte die SpVgg eine höchst emotionslose Pressemitteilung verschickt. Claus Schromm, langjähriger Trainer und zuletzt als Sportlicher Leiter tätig, habe um eine Auszeit gebeten, hieß es. Mitten im Abstiegskampf, nach fast zehn Jahren in mehreren führenden Funktionen. In einer Zeit, in der gerade erst der neue Slogan "UNS schreibt man WIR" eingeführt wurde. Auch in Schromms Fall ist zu den Gründen kaum etwas zu entlocken. Schromm habe "schon länger mit dem Gedanken gespielt", erklärt Schwabl auf Anfrage. Schromm möchte sich gar nicht äußern, richtete aber aus, er habe das 2:3 am Fernseher verfolgt. Wer Schromm kennt darf davon ausgehen: Er dürfte getobt haben im heimischen Wohnzimmer.

Nach dem Schlusspfiff tritt Paul Grauschopf gegen einen Wasserkasten, Flaschen fliegen. Irgendjemand, der gerade zwischen Haupttribüne und Auswechselbank Richtung Ausgang geht, schreit: "Nach dem 2:2 direkt ein Konter zum 3:2 - wollt ihr mich verarschen?" Keine Reaktion. Der Gang in die Kabine, und wohl auch der Gang in die Regionalliga, erfolgt ohne weitere Gefühlsausbrüche.

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