100 Jahre TSV Unterhaching:Als der Fußball noch im Abseits stand

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Vom Schafstall in den Sportpalast: Der vor 100 Jahren gegründete TSV Unterhaching war anfangs von den Turnern dominiert, jetzt ist er ein Großverein.

Stefan Galler

Der Weg war weit von der Gründung des Turnvereins Hachinger Tal im Jahre 1910 bis zum erstmaligen Gewinn des Deutschen Volleyball-Pokals durch die TSV-Mannschaft im Frühjahr 2009. Hundert Jahre sportliche Höhen und Tiefen, begleitet von politischen und gesellschaftlichen Veränderungen, hatte der Verein durchzustehen. Großartige sportliche Erfolge gab es in dieser langen Zeit bei den Unterhachinger Sportlern, ebenso wie Reibereien und kleinere Skandale.

100 Jahre TSV Unterhaching: Das allererste Vereinsfoto von 1921. (Foto: TSV UNterhaching)

Die Abspaltung der Fußballer im Jahre 1925 etwa fällt in letztere Rubrik. Die damals wie heute als nicht gerade vornehm angesehene Balltreterei wurde von den Hachinger Turnern stets von oben herab behandelt. Weil in diesem Zusammenhang auch gelegentlich die wenig schmeichelhafte Bezeichnung "Grattler" fiel, haben sich die Kicker vom Acker gemacht und damals - noch ganz ohne Bobfahrer - die Spielvereinigung gegründet.

An derlei Scharmützel hatte Johann Schmelz 15 Jahre zuvor sicherlich nicht gedacht, als er im Taufkirchner Gasthof Gamperl (heute Trenner) die Gründungsversammlung leitete. 37 Mitglieder umfasste der Turnverein damals, zu Spitzenzeiten Anfang der 1990-er Jahre zählte der TSV schon mal über 4200 Mitglieder, heute sind es rund 3450. Und während die Pioniere des Vereins für 494 Reichsmark die ersten Turngeräte - einen Barren, ein Reck und ein Pferd - anschafften, wurde 2005 eine Multi-Funktionsarena an den Utzweg gestellt, die satte 16 Millionen Euro gekostet hat.

Schafstall als Turnhalle

Es ist die Heimstatt der Unterhachinger Volleyballer geworden, die zwar nominell weiterhin dem TSV angehören, aber unter dem Namen Generali Haching in den letzten Jahren in die nationale Spitze vorgedrungen sind. Dem Pokalsieg aus dem Vorjahr ließ das mit Nationalspielern gespickte Team in diesem Jahr die Titelverteidigung folgen, zudem wurde man zweimal Deutscher Vizemeister und greift in der neuen Saison erstmals in die Champions League ein. Nicht die einzigen Aktiven, die international für Furore sorgen. Vor allem Weltklasse-Turner Marcel Nguyen macht die TSV-Verantwortlichen stolz, der 22-Jährige holte mit der deutschen Riege 2007 WM-Bronze und zuletzt die Goldmedaille bei der Europameisterschaft.

Hieb- und stichfest sind solche Vereinsfakten im Zeitalter moderner Kommunikationsmittel. Ganz anders war das in den ersten Jahres des Bestehens. Und so betont Günter Staudter, Heimatpfleger und TSV-Archivar, dass auch die von ihm gepflegte Klubchronik, keineswegs frei von Fehlern sei: "Nicht alles entspricht mit hundertprozentiger Sicherheit den Tatsachen", so Staudter, schließlich bin ich als Chronist auch auf Schilderungen und Berichte von Augenzeugen angewiesen".

Laut solchen Schilderungen soll der damalige Bürgermeister Prenn den Turnern, die bis dahin im Schulhaus ihrer körperlichen Ertüchtigung nachgegangen sind, 1924 den Schafstall des Josefihofes verpachtet haben, den die Gemeinde zuvor für 18000 Reichsmark gekauft hatte. In über 2000 Arbeitsstunden zauberten die Sportler aus dem alten Schober eine piekfeine Turnhalle und präsentierten sich hinterher verstärkt in der Öffentlichkeit. In den folgenden Jahren profilierten sich die Sportler auch als Theaterschauspieler, der Turnerball wurde aus der Taufe gehoben. Das Lachen verging den Hachingern dann während der NS-Zeit, mit Kriegsausbruch kam das sportliche Leben endgültig völlig zum Erliegen.

Volker Panzer: Erst Ausnahmesportler, jetzt Vorsitzender

Im Jahre 1946 genehmigte die US-Militärregierung die Neugründung unter dem Namen Turn- und Sportverein Unterhaching. In den ersten Wettkämpfen ging es mehr um Fresspakete als um Medaillen. Ein Meilenstein in der Klubgeschichte war die Eröffnung der Außenanlagen am Friedensplatz 1954, von der Bedeutung her vergleichbar mit der Inbetriebnahme der Hachinga Halle 1973.

Zwischen diesen beiden Ereignissen hatte der vor Nguyen erfolgreichste TSV-Sportler seine Blütezeit: Volker Panzer, neunfacher Bayerischer Meister im Mittelstreckenlauf und Mitglied im Nationalkader. Sein Sohn ist heute Bürgermeister von Unterhaching, er selbst TSV-Vorsitzender - eine weitere Anekdote in der Geschichte dieses Klubs.

© SZ vom 11.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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