Sport-Projekt:Die Mission der Miss Mosambik

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Nica Gemo wuchs in Maputo auf. Im Alter von 14 Jahren begann sie mit dem Basketball, mit 15 spielte sie im Nationalteam der Erwachsenen. Heute lebt und arbeitet sie in München. Ihre Heimat hat sie aber nicht vergessen. (Foto: Corinna Guthknecht)

Nica Gemo, ehemalige Basketball-Nationalspielerin, hilft Waisenkindern in ihrer Heimat

Von Gerhard Fischer

Es ist ein berührendes Bild: Die sehr große Nica Gemo und gut 30 dunkelhäutige Kinder stehen auf einem sandigen Boden. Alle Kinder haben schwarze Hosen und kurze, blaue Hemden an. Bloß ein kleines Mädchen, das im Vordergrund sitzt, trägt - obwohl es offenbar heiß ist - einen grün-roten Anorak. "Den Anorak hat eine Kollegin von mir gespendet", sagt Gemo, "das Mädchen hat ihn nur für das Foto angezogen."

Nica Gemo, 36, hatte das Bild aus ihrer Tasche geholt und auf den Tisch gelegt. Sie sitzt im Café Tambosi, und wenn sie sitzt, merkt man nicht, wie groß sie ist. 1,96 oder 1,98 Meter, das steht im Internet und in den Artikeln, die man über sie im Archiv gefunden hat. "Ach, das steht da falsch", sagt sie, "die haben mich wohl mit Turnschuhen gemessen - ich bin 1,90 Meter groß." Sie lacht. Das müssen Plateau-Turnschuhe gewesen sein.

Gemo war mal Basketball-Nationalspielerin. Sie war Miss Mosambik. Sie arbeitet bei BMW. Und sie kümmert sich - über ein Basketball-Projekt - um arme Kinder und Waisenkinder in einem Vorort von Maputo, der Hauptstadt von Mosambik. Dort ist das Foto mit dem Mädchen mit dem Anorak entstanden. Gemo schickt Kleidung, die sie in Deutschland sammelt, nach Mosambik. Oft spenden Kollegen von BMW. "Die sagen dann: Nica, wir haben an dich gedacht ...", erzählt Gemo. "Manchmal geben sie die Schuhe der eigenen Kinder für die Kinder in Mosambik." Und manchmal geben sie auch Geld.

Nica Gemo wuchs selbst in Maputo auf. Mit 14 begann sie mit dem Basketball, mit 15 spielte sie in der Nationalmannschaft der Erwachsenen. "Ich war so gut", sagt sie und lacht. Mit 17 bekam Gemo ein Stipendium in den USA, sie studierte zunächst in Tyler (Texas) und dann in San José (Kalifornien) International Business Management; außerdem spielte sie dort Basketball.

Der MTSV Schwabing holte Nica Gemo 2007 nach München. Später spielte sie noch in Portugal, Spanien und Italien - und noch einmal in Deutschland, in Wolfenbüttel. "Ich habe fünf Jahre lang professionelles Basketball gespielt", sagt sie. 2011 hörte sie wegen Kniebeschwerden auf.

Ein Mann kommt am Tisch im Tambosi vorbei, ein alter Bekannter. Nica Gemo springt auf, ruft überschwänglich "hej", begrüßt ihn mit Küsschen rechts, Küsschen links. Man vereinbart, sich später zu unterhalten. Sie setzt sich wieder. "Den habe ich lange nicht gesehen", sagt sie und lächelt.

Ende 2010 kehrte Nica Gemo nach München zurück. Sie machte den Master im International Marketing an der Munich Business School. "Ich habe dort gelernt, wie man eine Firma gründet und aufbaut - ich glaube, so nennt man das", sagt sie. Ihr Deutsch ist gut, aber nicht perfekt. "Entrepreneurship", schickt sie auf Englisch hinterher. Darunter versteht man, so ungefähr, dass sich Mitarbeiter so verhalten sollen, als ob sie selbst Unternehmer wären.

Das nutzte Gemo auch in ihrer Freizeit. Sie stieg in ein Projekt ein, das der Geschäftsmann Simone Santi 2007 in Italien gegründet und 2009 nach Mosambik übertragen hatte: das Projecto Colors Mozambique kümmert sich seither um arme Kinder und Waisenhauskinder in Zimpeto, einem Vorort von Maputo (die Gegend war übrigens nicht vom verheerenden Zyklon betroffen, der neulich 1000 Menschen das Leben und Millionen das Hab und Gut geraubt hat). Projecto Colors baute einen Basketballplatz, bezahlte Trainer, stellte den Kindern Sportsachen zur Verfügung und kaufte einen Wagen, mit dem sie zu den Wettkämpfen gefahren werden.

"Wir zeigen ihnen, dass sie aus ihrem Leben etwas machen können", sagt Nica Gemo, "und sie lernen Werte wie Loyalität und Freundschaft." 300 Kinder und Jugendliche zwischen neun und 18 Jahren sind in diesem Camp in Zimpeto; 75 von ihnen spielen bei offiziellen Turnieren und in der nationalen Liga mit. Die anderen trainieren. Und sie frühstücken und essen im Camp zu Mittag.

"2018 ist die weibliche U 16-Mannschaft Zweite in ganz Mosambik geworden", sagt Nica Gemo; "und die Jungs, 16 und 17 Jahre alt, haben in ganz Mosambik den dritten Platz belegt." Sie sagt immer "in ganz Mosambik". Man hört heraus, dass sie stolz ist auf die Mädchen und Jungen.

Nica Gemo will sie weiter fördern. "Ich versuche, für die besten Basketballer ein Stipendium zu bekommen, wir reden gerade mit Universitäten - erst mal in Mosambik, dann auf der ganzen Welt." Gemo bekommt kein Geld für diese Arbeit. "Ich freue mich, wenn die Kinder glücklich sind", sagt sie. Manchmal ist sie in Zimpeto. Dann spielt sie mit ihnen Basketball. Sie ist da sicher auch ein Vorbild.

Nica Gemo ist freundlich. Sie lächelt viel. Und sie entschuldigt sich oft für ihr Deutsch. Ist das kokett oder ernst gemeint? Sie redet auch mit den Händen. Aber das hat nichts damit zu tun, dass sie eine gefühlte Sprachunsicherheit kompensieren müsste; das ist wohl eher ihr Temperament.

Gemo ist bei der BMW Group zuständig für Marketing, Kommunikation und - sie formuliert es ausführlich - "für die Entwicklung neuer Vertriebskanäle für das Gebrauchtwagengeschäft in Afrika". Das sei "ein ganz normales Geschäftsfeld, es werden auch gebrauchte Autos nach Süd- oder Osteuropa verkauft".

Es gibt aber auch ein soziales Projekt der BMW Group in Afrika; es heißt "Care4Water" und hilft mit, dass Menschen Zugang zu sauberem Wasser haben. "Ich war darin involviert", sagt Gemo. Und, so deutet sie an, es gebe ein weiteres "großes soziales Projekt", das BMW in Afrika plane. "Aber das ist noch nicht spruchreif, das kann noch etwas dauern." Mehr kann, will, darf sie dazu nicht sagen.

Übrigens, vier Jugendliche, die früher im Basketball-Camp in Zimpeto waren, spielen jetzt in der Nationalmannschaft von Mosambik.

© SZ vom 24.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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