Späte Ehre:Mutiger Hitler-Gegner

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Eine große Ehre: Karl Stützels Enkelin Eva Rambichler-Stützel und sein Urenkel Michael Stützel bei der Einweihungsfeier. (Foto: Catherina Hess)

Nach Karl Stützel wird ein zentraler Platz benannt

Von Milena Fritzsche, Maxvorstadt

Früher, erzählt Michael Stützel, habe er geglaubt, sein Urgroßvater sei ein Sheriff. "Bei uns zu Hause hing ein großes Gemälde", erinnert sich der 51-Jährige an seine Kindheit, "darauf war er mit Schärpe und Stern zu sehen". Karl Stützel griff tatsächlich durch - allerdings nicht im Wilden Westen, sondern in der Weimarer Republik. "Er ging mit großer Konsequenz gegen die Feinde der Republik vor", bestätigt der Historiker Peter Claus Hartmann. "Für uns ist er eine Heldenperson", sagt Michael Stützel.

Weil der Platz, der an der Kreuzung von Elisen- und Luisenstraße liegt und bislang als "Kunstplattform" bekannt war, nun offiziell Karl-Stützel-Platz heißt, versammelten sich zur Beschilderung am Mittwochvormittag vor allem die Nachfahren des Namensgebers. Es gebe nicht oft die Gelegenheit, dass sich alle sehen, sagt Michael Stützel. Seine Tante, Eva Rambichler, ist dabei die einzige, die Karl Stützel noch persönlich kannte. "Mein Großvater hätte sich bestimmt gefreut", ist sich die 82-Jährige sicher und meint damit die Würdigung, die ihm mit der Platzbenennung durch die Stadt München nun zukommt. Allerdings komme diese Ehre sehr spät. "Vor 30 oder 40 Jahren hätte es noch viele Menschen gegeben, die sich an meinen Großvater erinnern konnten", sagt Rambichler. Sie selbst hat erst von ihrer Mutter erfahren, dass Karl Stützel von 1924 bis 1933 Innenminister Bayerns war und versuchte, gegen die Nationalsozialisten vorzugehen. Beispielsweise sprach er Uniformverbote aus, verweigerte Adolf Hitler die Einbürgerung und erwirkte ein zweijähriges Redeverbot für diesen in Bayern. Doch der Widerstand war nicht auf Dauer erfolgreich: In der Nacht zum 10. März 1933 drangen SA-Trupps in Karl Stützels Wohnung an der Ludwigstraße ein und nötigten ihn, der nur mit einem Nachthemd bekleidet war, mitzukommen. Im Keller des "Braunen Hauses" wurde Stützel von seinen Widersachern schwer misshandelt. Von da an lebte er zurückgezogen, bis er 1944 verstarb.

Karl Stützels Enkelin Eva Rambichler erinnert sich "an einen großartigen Erzähler, der uns Geschichten im pfälzischen Dialekt vortrug". Sie sei "in dieser Notzeit frei von den Sorgen der Erwachsenen aufgewachsen", blickt Rambichler zurück. Doch nicht alle ertrugen die Situation: Ihr Vater, Hermann Stützel, nahm sich im Kriegsjahr 1941 das Leben. "Er hatte Angst um die Familie und war sehr verzweifelt", sagt Eva Rambichler.

© SZ vom 21.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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