Sozialreferentin in der Kritik:Zweifel an Meiers Kompetenz

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Sozialreferentin Brigitte Meier, meinen sogenannte Parteifreunde, lebe in ihrem Haus eine falsche Haltung vor. (Foto: Robert Haas)

Es ist nicht das erste Mal, dass die SPD mit Brigitte Meier hadert. Nach dem Fall des Elendshauses in Kirchtrudering fragen sich immer mehr Genossen, ob sie dem Job als Sozialreferentin gewachsen ist.

Von Andreas Glas und Sven Loerzer, München

Brigitte Meier dürfte geahnt haben, was jetzt passiert. Dass Fragen kommen. Dass sie die Sache erklären muss. Die Sache mit dem Haus in Kirchtrudering, in dem 70 Menschen auf engstem Raum schlafen mussten, ohne Heizung, ohne warmes Wasser. Wo sich 70 Menschen vier Herdplatten teilen mussten und zwei Toiletten, die obendrein gar nicht funktioniert haben. Und wo der Vermieter für all das auch noch knapp 200 Euro im Monat kassiert hat, pro Person.

Warum hat das Sozialreferat nichts unternommen, wo es die Zustände doch seit dem Sommer kannte? Was wusste Sozialreferentin Meier? Und kennt sie noch andere, ähnliche Fälle? Es war klar, dass all diese Fragen kommen. Aus welcher Ecke sie dann kamen, dürfte Meier allerdings überrascht haben. Sie kamen aus der SPD, ihrer eigenen Partei.

Nicht das erste Mal, dass die SPD mit Meier hadert

Die Anfrage, die die SPD am Dienstag gestellt hat, hätte man eher von der Opposition erwartet. Ein Papier mit unangenehmen Fragen und voller Misstrauen gegenüber Meier. Nachdem Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) bereits am Montag in Richtung Sozialreferat gedroht hatte, "entsprechende Konsequenzen" zu ziehen, zweifelt nun auch die Stadtratsfraktion an dessen Arbeit und damit an dessen Chefin. "Es sieht danach aus, dass städtische Mitarbeiter zwar um die prekäre Lage in dem Haus wussten, aber nicht eingeschritten sind", sagt Fraktionschef Alexander Reissl. Er unterstützt die Haltung des OB: "Sollte sich bestätigen, dass der Kirchtruderinger Fall auch ein Fall von Verwaltungsversagen ist, sind Konsequenzen nötig."

Es ist nicht das erste Mal, dass die SPD mit ihrer Sozialreferentin hadert. Kopfschütteln gab es zum Beispiel im vergangenen Winter, als Meier kurz vor Weihnachten die Ausgabe von Decken im Rahmen des Kälteschutzprogramms stoppte. Die Stadt, sagte Meier damals, dürfe "keine falschen Anreize setzen" zur "Armutszuwanderung". Dass sich eine Sozialdemokratin so hartherzig gegenüber frierenden Zuwanderern ohne warmen Schlafplatz gab, konnten viele SPD-Stadträte nicht verstehen. Und auch ihre anfangs so zögerliche Informationspolitik zur aufgeheizten Lage rund um die Bayernkaserne dürfte nicht allen in der SPD gefallen haben. Nach den Vorfällen in Kirchtrudering scheint es nun so, als zweifeln immer mehr ihrer Parteikollegen daran, ob Meier ihrem Amt als Sozialreferentin gewachsen ist.

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Enttäuschung macht sich vor allem bei Parteilinken breit, auf deren Unterstützung Meier früher zählen konnte. "Wer in Not ist, braucht Hilfe", das sei alte sozialdemokratische Überzeugung, sagt einer, der in der Partei gut vernetzt ist - nicht aber die Haltung, "man dürfe keine falschen Anreize schaffen". Das sei vor zwei Jahrzehnten noch die Meinung der CSU gewesen, als sie gegen die Erhöhung der Sozialhilfe in München wegen der hohen Lebenshaltungskosten Sturm lief.

Dass sie von diesem Fall gewusst hat, gibt Meier zu

Besonders verübeln ihre Parteifreunde Meier, dass die von ihr gelebte Haltung offenbar auch in ihrem Referat dazu geführt habe, "Missstände, wie sie schlimmer nicht sein könnten, hinzunehmen" und "nicht einmal die Kinder aus dem Elendshaus herauszuholen", wie es eigentlich Auftrag des Jugendamts bei Kindeswohlgefährdung wäre.

Fragt man Brigitte Meier, ob sie sich von ihrer Partei im Stich gelassen fühlt, seufzt sie und sagt: "Ich glaube nicht, dass das ein In-den-Rücken-fallen ist." Außerdem sei ihr die von den Genossen geforderte Aufklärung ja "selbst ein großes Anliegen". Bei den zuständigen Stellen habe sie deshalb bereits beauftragt, nach den Ursachen des Kirchtruderinger Falls zu forschen, darüber will sie in ein paar Tagen Auskunft geben. Dass sie von diesem Fall gewusst hat, gibt die Sozialreferentin zu, das Ausmaß sei ihr allerdings nicht bekannt gewesen. Womöglich sei das Haus bei der letzten Visite der Bezirkssozialarbeiterin noch nicht so voll gewesen wie jetzt, da es allmählich winterlich und kalt wird. Wichtig sei es, nun lückenlos aufzuklären, sagt Meier. Sie sagt aber auch: "Eine Organisation, in der keine Fehler passieren, die gibt es nicht."

Das lässt der Koalitionspartner CSU freilich nicht gelten, ihr Fraktionschef Hans Podiuk greift Meier direkt an: "Es gibt eben Fälle, bei denen schlagartig reagiert werden muss", sagt er. "Entsprechend musst du eine Verwaltung organisieren. Und dafür ist natürlich die Referentin verantwortlich." Es sei nun Aufgabe der SPD, über personelle Konsequenzen zu beraten.

© SZ vom 29.10.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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