Solln:Flammende Appelle, drinnen wie draußen

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60 Menschen von "München ist Bunt" demonstrieren gegen eine AfD-Veranstaltung

Von Jürgen Wolfram, Solln

Verkehrte Welt in München-Solln? Draußen, auf dem handtuchbreiten Trottoir der Herterichstraße, redet der SPD-Bundestagskandidat Sebastian Roloff vor knapp 60 Teilnehmern einer "München ist bunt"-Kundgebung gegen den Regen und rechte Umtriebe an: Nicht hinnehmbar, schon gar nicht am Gedenktag der Befreiung vom Nationalsozialismus. Gleich nebenan, im Saal des Gasthofs "Schützenlust", beschwört der AfD-Bundestagskandidat Wolfgang Wiehle fast zeitgleich die Überforderung Deutschlands durch den Familiennachzug von Flüchtlingen. Vor 130 Zuhörern. Ein frappantes Missverhältnis, mit dem Hinweis kaum zu erklären, dass Demonstrationen in Solln nur alle Jubeljahre vorkommen. Draußen also das demokratische Elend, drinnen blanke "rassistische Hetze", wie die "München ist bunt"-Vereinsvorsitzende Micky Wenngatz geargwöhnt hat? Das dann doch nicht.

Die Grenze zum Rechtsradikalismus kennt Wiehle schon noch, er ist ja mal CSU-Stadtrat gewesen. Was er aber vielleicht vergessen hat: Wie man unfreiwillige Komik vermeidet. Sein flammender Appell an die Kriegsparteien in Syrien, doch endlich vom Schießen abzulassen und die in Europa gelandeten Flüchtlinge zu repatriieren, deutet auf einen leichten Anflug von Hybris hin. Noch um einiges verwegener seine Annahme, die AfD-kritische Haltung der Leitmedien werde sich durch Auflagen- und Einschaltquotenschwund von selbst erledigen. Zeitungen büßten jährlich zehn Prozent der Auflage ein, rechnet Wiehle seinem verblüfften Publikum vor. SZ, TZ und AZ würden damit 2027 schon gar nicht mehr erscheinen. Da stutzt selbst der gutgläubigste AfD-Anhänger.

Vor der Tür eines geschäftstüchtigen Wirts wirbt unterdessen SPD-Stadtrat Christian Vorländer dafür, dass München eine tolerante Stadt bleibt. Beklagt, dass Rassismus "bis weit in die Mitte der Gesellschaft" vorgedrungen sei, kritisiert die CSU und FDP im Bezirksausschuss für ihre Weigerung, eine Resolution gegen Rechts mitzutragen. Da regt sich schon deshalb kein Widerspruch, weil mindestens die Hälfte der Demonstranten Parteifreunde Vorländers sind.

Die mit massivem Aufgebot präsente Polizei behält die Lage jederzeit unter Kontrolle, ein Häuflein Antifa-Aktivisten inklusive.

© SZ vom 10.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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