Solln:Der blanke Irrsinn

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Das Theater "Pur" wird zehn Jahre alt und spielt das Stück "Mein Freund Harvey" ein Dutzend mal auf der Iberl-Kultbühne

Von jürgen Wolfram, Solln

Wer anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein. Das scheint Vera Simmons vergessen zu haben, als sie ihren Bruder Elwood einfach mal im Irrenhaus anmeldet. Und das nur, weil der mit einem imaginären Hasen von 1,90 Metern Größe durch die Kneipen zieht und bei diesen Streifzügen einen Haufen Geld verjubelt. Pech, dass auch das Personal dieses sehr speziellen Sanatoriums ziemlich unkalkulierbar durch den Alltag irrlichtert und letztlich Vera für die eigentliche Patientin hält.

Die damit verbundenen Verwicklungen ergeben naturgemäß eine abgründig komische, temporeiche Komödie. Mary Chase hat sie 1943 geschrieben, "Mein Freund Harvey" wurde mehrmals verfilmt und zählt bis heute zu den Klassikern des Genres. Dass nun das Theater Pur die Verrücktheit begeht, das Stück gleich zwölf Mal auf der Kultbühne im Sollner Iberl aufzuführen, hat einen guten Grund: die Truppe mit Wurzeln in Pullach und Volkshochschul-Hintergrund wird zehn Jahre alt. Das Publikum kennt Pur und seinen Regisseur Holger Ptacek längst von anderen Produktionen, wie "Alles beim Teufel", "Die Vögel" oder "Altes Eisen".

Nun also die Sache mit dem unsichtbaren Langohr und der nie hinreichend beantworteten Frage, was eigentlich unter irr zu verstehen ist. Womöglich dienen abwegige Fantasien nur der Flucht aus einem schnöden Dasein, dem es entschieden an Poesie und Humor fehlt? Da sorgen die neun Pur-Darsteller Christine Kuchler, Elke Harbeck, Jasmin Hoffmann, Stefan Hoffmann, Frauke Gerbig, Sabine Horak, Sonja Stablo, Bartholomäus Sailer und Regisseur Ptacek selbst auf amüsante Art für Kompensation.

Man glaubt, zu halluzinieren: Wenn Herr und Hase für sich gleich zwei Zeitungsabonnements abschließen. Wenn Pflegerinnen sich gegenseitig in Hemdsärmeligkeit übertreffen, als wären sie hauptberuflich Catcherinnen. Wenn eine Illusion immer schärfere Konturen annimmt, um schließlich doch zu platzen. Dazu Dialoge, die man sich auf der Zunge zergehen lassen muss. Assistenzärztin: "Unser Professor behandelt nur die besonderen Fälle." Patientin in spe: "Wollen Sie etwa sagen, wir wären in unserer Familie nicht verrückt genug?"

Auf jeden Fall wäre zu sagen, dass dieser zweistündige, aberwitzige Bühnenspaß einem Theaterabend mächtig Drive verleiht. Nebenbei kann man eine Menge lernen. Zum Beispiel, dass Hüte für Hasen wegen der langen Löffel zwei Löcher haben sollten. Oder dass niemand wirklich davor gefeit ist, einen leichten Hau davonzutragen. Wie bedenklich Alkohol in dieser Hinsicht wirkt, dürfte bereits bekannt sein, wird auf der Bühne aber nochmals höchst anschaulich in Erinnerung gerufen.

Spätestens dann, wenn sich überdrehte Leute und weiße Hasen nicht mehr zuverlässig unterscheiden lassen, könnte sich ein Besuch beim Psychiater eventuell doch mal lohnen.

"Mein Freund Harvey" auf der Kultbühne im Iberl, Wilhelm-Leibl-Straße 22, am 14., 15., 16., 21., 22., 23. Oktober sowie am 11., 12., 13., 18., 19. und 20. November. Anfangszeiten: Sonntags 18 Uhr, sonst 20 Uhr. Die Premiere ist ausverkauft.

© SZ vom 14.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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