Solln:Besondere Bleibe

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Mondän: Im dem Haus wohnen 15 junge Flüchtlinge. (Foto: Florian Haas)

Flüchtlingsprojekt kommt inmitten einer Villenkolonie unter

Von Jürgen Wolfram, Solln

Wenn Mohammed Ali so weiter macht, wird er ein begnadeter Fremdenführer. Mit Engelsgeduld zeigt der junge Afghane Besucherscharen das Zweibettzimmer, in dem er seit ein paar Monaten wohnt. Aus dem Therapieraum im Erdgeschoss dringen wuchtige Trommelschläge. Und Düfte, die das Gebäude an der Heilmannstraße durchziehen, lassen ahnen, dass am Ende alles in ein Fest internationaler Kulinarik münden wird. Besonders an diesem "heilsamen Ort", den Johannes Seiser, geschäftsführender Vorstand des Vereins für Sozialarbeit, Nachbarn, ehrenamtlichen Helfern und Vertretern verwandter Organisationen vorstellt, ist jedoch etwas anderes: Das Schutzhaus für 15 traumatisierte junge Flüchtlinge liegt inmitten der Villenkolonie Prinz-Ludwigs-Höhe.

Das Viertel an der Nahtstelle von Solln und Thalkirchen gilt selbst verwöhnten Münchnern als Insel der Seligen und Begüterten. Es ist der Großzügigkeit der Eigentümerin Eva Rapaport zu verdanken, dass die Stadt die 1912 erbaute Villa zu Vorzugskonditionen zunächst für fünf Jahre anmieten und in die Trägerschaft des Vereins für Sozialarbeit und seiner Abteilung Erziehungshilfe München übergeben konnte. Für 15 Flüchtlinge aus Afghanistan, Eritrea, Somalia und dem Irak ist die heilpädagogische und therapeutische Einrichtung nun ihr vorläufiges Zuhause. Sozialpädagogisch und anderweitig betreut werden die jungen Männer rund um die Uhr. 20 Kräfte in unterschiedlichen Funktionen stehen dafür bereit. Das Ambiente in parkähnlicher Umgebung lässt kaum Wünsche offen. Sie sei davon ebenso "geplättet", wie von der Herzlichkeit, die in dem Vorzeigeprojekt herrsche, sagte Stadträtin Ulrike Grimm; sie überbrachte die Grüße des Oberbürgermeisters.

Ursula Koschnick ist es wichtig, das "riesige Verständnis in der Nachbarschaft" hervorzuheben, auf das man mit dem Projekt gestoßen sei. Da falle es leicht, einen "ersten Schritt nach außen" zu machen, sagte die Leiterin der Erziehungshilfe München. Teamleiterin im Haus ist seit Januar Elisabeth Siegl. Sie betont, dass die 15 bis 18 Jahre alten Flüchtlinge nicht etwa in Luxus gebadet würden. Nach den Standards der Jugendhilfe gehe es vielmehr darum, in heilsamer Umgebung Traumata zu überwinden, die auf den jungen Seelen lasten. Kontaktförderung, Kulturvermittlung, Schul- und Sprachausbildung - das seien vorrangige Ziele, die man in enger Abstimmung mit dem Jugendamt und der Regierung von Oberbayern verfolge. Dankbar ist man beim Verein für Sozialarbeit für die Angebote zur ehrenamtlichen Mitarbeit, nicht nur aus kirchlichen Kreisen. Anknüpfungsmöglichkeiten dafür gibt es genug. Ausflüge organisieren, Deutsch unterrichten, Kontakte zu Sportvereinen anbahnen, Kunstprojekte leiten, alles stark gefragt. Eine Malgruppe ist derart erfolgreich, dass sich eine Ausstellung abzeichnet.

Die ersten Flüchtlinge sind im November 2015 in die 400-Quadratmeter-Villa eingezogen, die früher als Firmensitz diente. Vorausgegangen war eine Informationsoffensive des Vereins für Sozialarbeit, die nach Einschätzung Johannes Seisers überwiegend auf fruchtbaren Boden gefallen ist. Zur Projektvorstellung im Mai 2015 waren mehr als 100 Leute gekommen, darunter Matthias Lilienthal, Intendant der Münchner Kammerspiele. Der Auftritt des Theatermanns erwies sich als ebenso hilfreich wie die Präsenz der Villenerbin Eva Rapaport. Bald hatte das Projekt auch den Segen der Interessenvereinigung Prinz-Ludwigs-Höhe, eines Ortsteilvereins. Inzwischen umweht Normalität das Schutzhaus am Isarhochufer. Also genau das, was die Opfer von Gewalt und Vertreibung dringend brauchen.

© SZ vom 21.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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