Sneak Preview in München:Der Reiz des Unbekannten

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Wer kauft schon gerne die Katze im Sack? Münchens Sneak-Preview-Begeisterte tun es jeden Freitag im Cinema und erleben dabei immer eine Überraschung, aber nicht immer ein Happy End.

Ana Maria Michel

Die Katze im Sack kostet 6 Euro. Jeden Freitagabend treffen sich im Cinema bis zu 400 Münchner, die sich überraschen lassen wollen, denn bei der Sneak Preview im Kino wird bis zum Beginn des Films nicht verraten, was gezeigt wird.

"Ich bin alle zwei Wochen hier und würde heute gerne Drachenzähmen sehen", sagt Arne. Dieser Film wird offiziell zwar erst am 25. März anlaufen, aber in der Sneak Preview ist alles möglich, denn hier werden Filme vor ihrem offiziellen Filmstart gezeigt.

Getarnte Filmrollen

Viele Kinobesucher treffen sich vor dem Film im Cinema, um etwas an der Bar zu trinken, sie blättern im Kinoprogramm und rätseln darüber, was wohl dieses Mal gezeigt wird. Das liegt in den Händen von Dieter Buchwald, dem Betreiber des Kinos. Er erzählt: "Das Publikum geht mit gewissen Erwartungen in die Sneak Preview. Die Besucherzahlen richten sich auch danach, was möglicherweise laufen könnte."

Was gezeigt wird, entscheidet Buchwald in Abspache mit den Filmverleihen. "Wir wollen natürlich nicht nur Haudrauf-Filme zeigen, sondern sind auf eine Mischung ausgerichtet. Bei uns muss auch schon mal ein extremer Arthouse-Film laufen", sagt Buchwald. Das Publikum des Cinema interessiert sich nicht nur für die großen Mainstream-Filme.

Drei Smiley-Pappbecher

Was schlussendlich gezeigt wird, ist streng geheim. Die Filmrollen kommen sogar zum Teil mit Tarnbeschriftung ins Cinema. Bis auf den Filmvorführer weiß selbst der Großteil des Personals nicht, welcher Film sich dahinter verbirgt.

Nach dem Film gibt es eine Bewertung durch das Publikum, deren Ergebnis Buchwald dem Verleih mitteilt. Zu diesem Zweck sind neben dem Ausgang drei Pappbecher mit Smiley-Gesichtern angebracht, in die die Besucher ihre Eintrittskarten werfen sollen. Die Zuschauer haben die Wahl zwischen einem lachenden, einem neutralen und einem traurigen Smiley

Das Publikum im Cinema ist am Freitagabend durchschnittlich zwischen 20 und 30 Jahre alt. Viele kaufen sich ihre Karte schon im Voraus und verbringen die Wartezeit in einer Kneipe in der Nähe. Das ist nicht die schlechteste Strategie, denn bereits 45 Minuten vor Beginn des Films sind nur noch wenige Karten zu bekommen. Wer zu spät kommt, dem droht ein Platz in der ersten Reihe und die damit verbundene Gefahr einer Genickstarre.

"Der erste Teil war furchtbar"

Nach und nach füllt sich der Vorraum des Kinos, bald stehen die Besucher, die sich schon mit Popcorn, Nachos und Getränken eingedeckt haben, vor dem Kinosaal Schlange.

Michael, der seit elf Jahren keine Sneak Preview im Cinema verpasst hat, ist dem Überraschungseffekt erlegen. Er muss einer der ersten "Sneaker" in München gewesen sein, denn das Cinema war das erste Kino in der Stadt, das dieses Format anbot. "Das Cinema ist einfach gemütlich. Ich habe hier schon einige Highlights erlebt: Shrek I war zum Beispiel überraschend gut", sagt er. Obwohl Michael im Moment nicht auf dem Laufenden ist, weiß er einen Film, auf den er jetzt gar keine Lust hätte: " Sex and the City II. Der erste Teil war furchtbar."

Und dann geht es endlich los: Die Türen des Kinosaals öffnen sich und der Kartenabreißer geht in Position. Das Kino ist voll, es herrscht eine ausgelassene Atmosphäre. Im Cinema wird vor der Sneak Preview immer ein kurzer Vorfilm gezeigt. An diesem Freitag heißt er Careful with that power tool und handelt von einem Jungen, der in einer Werkstatt mit einer Reihe von gefährlichen Werkzeugen herumhantiert.

Dann kommt der Hauptfilm und das Geheimnis wird allmählich gelüftet: Propellergeräusche und das Knistern eines Funkgeräts sind zu hören. "Das ist ein Katastrophenfilm", flüstert ein Zuschauer. Er hat fast recht - ein Film über amerikanische Soldaten im Irak-Krieg mit dem Titel Green Zone.

13 Mal eingeschlafen

Die wackelige Kameraführung lässt den Eindruck entstehen, als wäre man bei den Einsätzen direkt dabei. Nach einiger Zeit verlassen ein paar Leute das Kino. Ihnen hat die Sneak Preview heute eine Niete beschert. "Action-Filme sind für viele nicht unbedingt die Art von Unterhaltung, die sie sich an einem Freitagabend zum Eintritt ins Wochenende wünschen", sagt Buchwald dazu. Mit diesem Risiko müssen die Zuschauer leben.

"Ich bin phänomenale 13 Mal eingeschlafen", meint jemand. Die meisten Eintrittskarten, die an diesem Abend zur Bewertung des Films in die Becher mit den Smiley-Gesichtern geworfen werden, landen in dem Becher mit der Aufschrift "schlecht" und dem traurigen Gesicht. " Green Zone ist mittelprächtig angekommen. Viele wollen diese Irak-Geschichten einfach nicht sehen", sagt Buchwald im Nachhinein.

Abwechslung bieten während des Films die am Rand stehenden Kino-Mitarbeiter, die kontrollieren, ob auch niemand Kameras hineingeschmuggelt hat. "Das ist etwas, was wir unseren Verleihern anbieten, weil die Gefahr gerade bei den Filmen in Originalsprache groß ist, dass Raubkopien vor dem offiziellen Filmstart angefertigt werden. Deshalb sind unsere Mitarbeiter zum Teil auch mit Nachtsichtgeräten unterwegs", sagt Buchwald. Vom Film bekommen die Kontrolleure eher wenig mit - egal ob es ein mäßiger Kriegsfilm ist oder ein echter Knaller.

Nicht nur im Cinema in der Nymphenburger Straße 31 werden Sneak Previews angeboten. In zwei weiteren Münchner Kinos kann man immer mittwochs einen Überraschungsfilm sehen: Um 21 Uhr im Atlantis (Schwanthaler Straße 2) und um 22:30 Uhr im Mathäser (Bayerstraße 1) werden Sneak Previews auf Deutsch gezeigt.

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